NRW stellt Ermittlung gegen volksverhetzende Polizisten ein
Es war 2022 ein Schlag ins Kontor der Polizei NRW: Beamte eines SEK und weitere Polizeibeamte, insgesamt 21 Beteiligte, tauschten in einer WhatsApp-Chatgruppe rechtsextremistische Inhalte und Geschmacklosigkeiten aus. Vor wenigen Tagen, ein Jahr nach Bekanntwerden der rechtsextremen und gewaltverherrlichenden Chats bei SEK-Polizisten in Münster, sind die Ermittlungen zum größten Teil eingestellt worden. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Münster von Montag letzter Woche lag bei den Inhalten keine Volksverhetzung vor. Die Begründung dafür ist abenteuerlich: Der Tatbestand der Volksverhetzung verlange, dass die Äußerungen “öffentlich” gemacht wurden. Das sei aber in der Chatgruppe im Internet nicht der Fall gewesen.
Diese Begründung zeigt, dass die Staatsanwaltschaft in Münster offensichtlich im Zusammenhang mit dem Charakter von Öffentlichkeit im Internet etwas ganz Grundsätzliches nicht verstanden hat. Wer gewaltverherrlichende, rechtsextreme Inhalte in (a)sozialen Netzwerken postet, und sei es in geschlossenen Gruppen von “nur” 21 Personen, veröffentlicht sie. Denn es liegt in der Natur des Internet, dass das World Wide Web nicht nur einen einzigen Mausklick entfernt liegt. Die Staasanwaltschaft ist sich offensichtlich nicht im Klaren, dass Öffentlichkeit keine Frage der Größe der Personengruppe ist – auch klassisch nicht. Wenn bei einer Demonstration, die aufgelöst ist, 21 Personen zusammenstehen, ist das eine Versammlung und es herrscht Öffentlichkeit. Das zeigt schon ein Spruch des autoritären Bismarck-Zeitalters: “Wo mehr als drei zusammen stehn, da sollt Ihr auseinandergehn.” Aber selbst wenn es sich um nur fünf Personen handelte. Stellen wir uns vor, fünf Polizeibeamte schicken sich regelmäßig gegenseitig rechtsextreme Sprüche, Chats und Videos zu. Oder einer schickt den restlichen Vier, ohne dass diese ihn anzeigen, wozu sie als Polizisten verpflichtet sind, wenn sie vom Verdacht einer Straftat Kenntnis erhalten. Allein dies wäre ein Dienstvergehen, das als Strafvereitelung strafbar wäre. Und das soll der Restsstaat ignorieren? Wenn man der Logik der bayrischen Generalstaatsanwaltschaft anwendet, die sich mit der “Letzten Generation” der Klimakleber befasst, handelt es sich bei diesen Polizisten um eine “kriminelle Vereinigung” nach § 129 StGB, die sich auf (a)sozialen Plattformen regelmäßig trifft oder getroffen hat, um Straftaten – nämlich Volksverhetzung – zu begehen. Die Rechtsfolgen sind bekannt.
Wo leben diese Staatsanwälte in Münster, wann haben sie die letzte Weiterbildung über das Internet und die Öffentlichkeit besucht? Was tut das Landesjustizministerium, um eines solchen digitalen Analphabetentums bei der Staatsanwaltschaft Münster abzuhelfen? NRW-intern eine skurrile Situation: Herbert Reul, Innenminister (CDU), der sich im vergangenen Jahr entsetzt über diese Vorgänge innerhalb der Polizei gezeigt hat und schnell reagierte, bräuchte jetzt dringend die Unterstützung seines grünen Ressortkollegen aus dem Justizministerium, damit die dritte Gewalt in der digitalen Gegenwart ankommt und nicht Verfahren einstellt, als ob wir uns noch in den 90er Jahren befänden und das Internet “für uns alle Neuland” (Merkel 2012) wäre. Die Einstellung dieser Verfahren ist der eigentliche politische Skandal. Dass die SEK-Beamten inzwischen wieder im Dienst sind, ohne irgendwelche disziplinarrechtlichen oder strafrechtlichen Konsequenzen, nicht einmal Verfahren, ist in einem demokratischen Rechtsstaat nicht hinnehmbar. Die Demokratie ist nach wie vor – auch in NRW – auf den rechten Auge blind. Dr. Benjamin Limbach, grüner Justizminister ohne grüne Vergangenheit und bisher ohne jedes grüne Profil, geschweige denn Wahrnehmung in der Öffentlichkeit, hätte hier einmal eine Chance, klare Kante zu zeigen.
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