Die Denkweise ist gegenwärtig geblieben
Ich bin bis heute stolz und zufrieden, dass mein politisches Menschen- und Weltbild bei den Jungdemokraten linksliberal geprägt wurde. Das hat mich vor vielen persönlichen Krisen geschützt, in die ich zahlreiche Freund*inn*e*n und Bündnispartner*innen habe stürzen sehen. Manche wurden Konvertit*inn*en – von einstigen Systemgegner*inne*n zu glühenden Assimilierten. Viele stiegen desillusioniert ganz aus politischem Engagement aus. Doch wichtige Elemente jugendlicher Sozialisation bleiben erhalten: der Blick auf Mitmenschen und Umwelt, und die Art darüber zu denken, verändert sich meistens nicht mehr, sondern “funktioniert” lebenslang.
Maoist*inn*en habe ich als Jungdemokrat bereits in der Schule massiv – und erfolgreich – bekämpft. Ihre Glorifizierung von “Volkskrieg” und ihre Behandlung von Menschen als revolutionäres “Material”, den heutigen “human ressources” des Kapitalismus wesensgleich, erschien mir ebenso bekämpfenswürdig, wie ihr Avantgarde-Selbstverständnis und ihre sektiererische Bündnispolitik, die im übrigen dankbares Material für Infiltration durch den Inlandsgeheimdienst war (und ist).
Nun fand ich in der Jungle World eine aussergewöhnlich brauchbare und kompakte Maoismus-Abrechnung von Uli Krug anlässlich einer Buchbesprechung: “Julia Lovells Buch über den Maoismus dreht sich um die weltweite Verbreitung der Ideologie: Mao, der Manipulator – Julia Lovell hat eine monumentale Studie über die Weltgeschichte des Maoismus vorgelegt. Sie erzählt von der Entstehung einer Lehre, die mit ihrer maßlosen Anbetung von Willenskraft und Gewalt nicht nur China prägte, sondern auf der ganzen Welt auf Begeisterung stieß: beim Jetset wie im Urwald.” Hier dazu das von ihm besprochene Buch.
Es kann nicht ausbleiben, dass ich zu dieser kompakten gelungenen inhaltlichen Abrechnung aktuelle Bezüge ergänze. Schon zur Amtszeit des Bundesaussenministers Joseph Fischer führte ein führender Konkursverwalter des westdeutschen Maoismus die Grundsatzabteilung seines Ministeriums. Und auch die heutige Ministerin lässt sich von einem Denkpanzer beraten, dessen Führungskraft der gleichen politischen Denkschule nie wirklich entwachsen ist. Und dessen Selbsttitulierung für mich als ausgebildetem Linksliberalen wie eine trumpsche Fakenews-Strategie wirkt.
Besonders praktisch für alte Ex-Maoist*inn*en: für “Cognitive Warfare” der Nato müssen sie sich gar nicht umgewöhnen. Dass das “Gute” nicht mehr revolutionär ist – ist das wichtig? War es das jemals?
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