Mediendiät – der heisse Scheiss unserer Zeit
Beim Bayerischen Rundfunk – der hatte angeblich noch ein “Kulturradio” – ereignet sich anscheinend derzeit eine “Programmreform”, die wir hier beim WDR schon seit gut zehn Jahren durch haben. Seinerzeit nahm ich als Hörer Abschied von diesem Sender, den ich mehrere Jahrzehnte geliebt hatte. Aber wie einen Doofen behandeln lassen wollte ich mich nicht. Seitdem wächst meine Sorgfalt bei meiner Auswahl der Mediennutzung.
Schon als wir in meiner Schülervertretung in Gladbeck eine alternative Bibliothek organisierten, in der vorzugsweise solche Verlage zum Zuge kamen, die im Unterricht politisch weggelassen wurden, war uns klar: die Medienmacht sitzt beim Springerkonzern, mit all seinen angeschlossenen Sendern und Organen. Dort erscheinen die ideologischen Tagesbefehle der deutschen Rechten, die nie mit den Nazis gebrochen, sondern nach dem Vorbild des Bundeskanzlers Adenauer nach dem Krieg mit ihnen bewusst kollaboriert haben. Heute versuchen sie es hinter einer sog. “Brandmauer” zu verbergen – in erster Linie, weil es für “das Ansehen Deutschlands in der Welt” schädlich ist.
Was ich als Schüler selbstorganisiert gelernt habe, war vielen gegenwärtigen Medienschaffenden nicht vergönnt. Springer hat an Macht verloren. Über 80% der einstigen verkauften Auflage seines Lügenblattes und seiner Cashcow Bild sind weg – Aufklärung hat eben doch einen Sinn. Seine Alternative für die “besseren Kreise”, “Die Welt” hat noch nie Gewinn erwirtschaftet. Sie wurde immer mitgeschleppt, um reaktionäre junge Männer mit einem Beruf zu versorgen, und für die herrschende Politik der BRD vordenken zu lassen. Etwas, was die FAZ schon immer besser gekonnt hat.
Das eigentliche Problem ist nicht dieser ultrarechte Themenpark, sondern seine Ausläufer in den Medien, die für Besseres geschaffen wurden. Das setzen sie aber nicht um. Im Gegenteil. Bis heute glotzen sie in diesen letzten profitablen deutschen Zeitungsverlagskonzern, um dort zu entdecken, was heute angeblich wichtig ist – mann nennt es Agendasetting. Ganz nach dem Vorbild des bis heute einflussreichsten reaktionären Ideologen des CDF (so nannten wir als Schüler und Studenten das heutige ZDF) Ede Zimmermann, dem die famose Regina Schilling nun eine weitere autobiografische Erinnerung gewidmet hat (Mediathek ab 10.8., 10 h).
WM macht das Problem erkennbar
Wenn ein deutsches Fussballteam bei einem internationalen Wettbewerb mal wieder ausscheidet – ganz nach dem Vorbild deutscher Aussenpolitik, die nirgendwo mehr mitreden/mitverhandeln will – dann werden wieder die alten reaktionären Reflexe ausgepackt und versendet. Warum kann das gelingen? Aus Faulheit zum Selberdenken und -recherchieren.
Es gibt Alternativen. Die Niveauspitze markiert ein Kollege, den ich früher ständig gelesen habe, weil er den digitalen Newsletter “Indirekter Freistoss” kostenlos versandte, wie es heute noch Heiko Hilker (z.Z. in Urlaub) mit seinen Medienlinks tut: Oliver Fritsch. Der Holtzbrinck-Konzern wurde auf den jungen Mann aufmerksam und kaufte ihn von der Datenautobahn weg, und mauerte ihn digital bei Zeit-online ein. Ein Heinzelmännchen aus Westfalen hat mir seine jüngste Analyse aufgebohrt – das Beste was ich in unserer Sprache bisher über die WM gelesen habe.
Für alle, die weder Abos abschliessen noch Daten kostenlos abliefern wollen, empfehle ich den weniger spektakulären aber frauenfussballaffinen Frank Hellmann (diverse Blätter), der nach meinem Eindruck einen seriösen Fachjournalismus praktiziert. Eine Spitzenkraft in Fussballfragen ist ferner Alina Schwermer (taz, Jungle World), eine Fachkraft, die das Rheinland an Ostdeutschland (Berlin) verloren hat. Wenn sie nicht sowieso auf Reisen ist. Für eine redaktionelle Dienstreise nach Australien scheinen den Entsender*inne*n aber wohl die Barmittel gefehlt zu haben. Schade eigentlich.
Bedauern für Nigeria
Das grösste Land Afrikas könnte eine Fussballgrossmacht sein. Es fehlt an einer funktionalen Politik, im wirklichen Leben, wie im Fussball. Es werden zwar Wahlen angesetzt und durchgeführt, aber im Kern handelt es sich um ein oligarchisches System, das über grosse Teile des Landes jede Kontrolle verloren hat, Dschihadismus u.a.. Die Hauptstadt wurde aus Lagos weg nach Abuja verlegt. Lagos ist so gross wie NRW (oder Istanbul) und offensichtlich unregierbar, für Herrschende zu gefährlich. Es gehört zu einer zunehmend über Staatsgrenzen hinweg wachsenden urbanen Agglomeration, in der sowohl gesellschaftliche und technologische Innovationen als auch globalisierte Migrationsambitionen wachsen.
Folgerichtig stehen im WM-Aufgebot Nigerias nur zwei Spielerinnen, die – den Männern ähnlich – noch in Nigeria spielen. Das war mir in der Vorrunde schon bei Haiti aufgefallen, das vielleicht zerstörteste Land der Welt, dessen Team sich sportlich sensationell geschlagen hat.
Heute hatten die Nigerianerinnen den englischen Pudding in der Verlängerung komplett an die Wand gespielt, an Kraft und Kondition überlegen. Die reichten nur leider nicht mehr für die nötige Passgenauigkeit und Chancenverwertung. Und dann siegten im Elfmeterschiessen die Nerven der Britinnen. Schade, wäre schön gewesen – schön wörtlich und als Metapher.
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