Angesichts der Unzahl von Unwahrheiten, Fake News, Verleumdungen und Verzerrungen, die ständig auf uns niederprasseln, wäre es hilfreich, ein Wahrheitsserum zu haben, das man den Leugnern und Lügnern verschreiben könnte. Doch das gibt es nicht, außer im Film und im Roman. Allerdings bemühen sich die Menschen seit Jahrhunderten, ein Wahrheitsserum zu erfinden und anzuwenden. Schon in der Antike dachten manche Menschen, dass man Menschen durch den Genuss bestimmter Kräuter oder Pflanzen zu wahren Aus-sagen veranlassen kann.
Mangels Erfolg diente dann die Folter dazu, die – angebliche – Wahrheit zu erpressen. Leider gehören Folterungen noch immer nicht der Vergangenheit an. Zwar haben 173 Staaten die Antifolterkonvention der Vereinten Nationen von 1984 unterzeichnet, dennoch werden vielerorts immer noch Regierungskritiker und -gegner misshandelt. Amnesty International nennt Ägypten, Aserbaidschan, Belarus, China, Iran, Kuba, Mexiko, Nordkorea, Russland, Südafrika und Syrien. Den USA wird die völkerrechtswidrige Inhaftierung auf Guantanamo Bay vorgeworfen.
Die zweite Alternative zum Wahrheitsserum sind Lügendetektoren, die Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelt wurden. Ihre Funktion beruht auf der Messung körpereigener Reaktionen während der Befragungen. Lügendetektoren werden heute noch in rund 50 Staaten angewendet, darunter Belgien, Finnland, Großbritannien und Niederlande. In den USA werden sie von der Polizei und den Geheimdiensten eingesetzt, sind allerdings vor Gericht nicht als Beweismittel zugelassen.In Deutschland ist ihr Einsatz durch den Bundesgerichtshof untersagt worden, in ihrer Anwendung wird ein Verstoß gegen die Menschenwürde gesehen.
Als Wahrheitsserum bezeichnet man eine Droge, welche geeignet ist, Informationen von einer Person zu erhalten, die diese eigentlich nicht preisgeben will. Die Anwendung eines Wahrheitsserums wird meist dem polizeilichen, geheimdienstlichen oder militärischen Umfeld zugeordnet, das damit vertrauliche Informationen erlangen will. Seine Wirkungsweise besteht meist darin, das Urteilsvermögen und die Konzentrationsfähigkeit einer Person zu beeinträchtigen und/oder diese kommunikativer zu machen. Ein Verhörspezialist kann dann mit einer geschickten Befragung versuchen, die Preisgabe der gewünschten Information zu erzwingen.
Es ist jedoch ein Irrglaube, dass die Anwendung eines so genannten Wahrheitsserums einen Menschen automatisch dazu verleitet, die Wahrheit zu sagen. Wissenschaftliche Beweise dafür gibt es nicht. Die unter dem Einfluss der Droge stehende Person kann genauso lügen wie zuvor. Da sie nicht freiwillig mitmacht, kann es ihr durchaus gelingen, den Untersucher zu täuschen. Sie wird jedoch anfälliger für Suggestionen und gesteht möglicherweise Taten, die sie gar nicht gemacht hat.
Die Wirkung von Wahrheitsdrogen ist unzuverlässig. Manche Menschen lassen sich beeinflussen, andere nicht. Das Ergebnis ist also eher psychologischer als chemischer Natur. Manche Menschen lassen sich zwar zu wahrheitsgemäßen Aussagen bewegen, äußern sich aber ungenau. Dies kann daran liegen, dass die Droge die Fähigkeit der Betroffenen beeinträchtigt, sich konkret zu erinnern. Auch kann es zu einer Vermischung von Realität und Fiktion durch drogeninduzierte Halluzinationen kommen. Alle Substanzen führen zu teilweise sehr starken Nebenwirkungen. Sie bewirken dann eine Verzerrung der Wahrheit und dazu, dass man sich an falsche Tatsachen zu erinnern glaubt.
Neben den Zweifeln an der Wirksamkeit von Wahrheitsseren sind es vor allem ethische Bedenken, die ihrer Verwendung entgegenstehen. Die Drogen mindern gegen den Willen des Betroffenen dessen Hemmungen und greifen in seine Selbstbestimmung ein. Ungeachtet dessen werden einige Substanzen in der Forensik und der Psychiatrie eingesetzt. Sie sollen in Fällen von Amnesie und posttraumatischem Stress Informationen liefern. Oder sie werden verwendet, um bei Depressionen oder Angststörungen zu helfen.
Eines der ersten Mittel, das als Wahrheitsserum genutzt wurde, war Scopolamin, eine Kräutermischung, die jedoch auch chemisch herstellbar ist. Je nach Dosis bewirkt es Beruhigung, Apathie oder Willenlosigkeit. Die US-amerikanische Polizei setzte es in den 1920er und 1930 Jahren ein, um Verdächtigungen zu überprüfen. In einigen Fällen sollen sogar Urteile aufgrund der dabei gewonnen Erkenntnisse gefällt worden sein. Im Kalten Krieg intensivierten die USA ihre Forschung nach einem perfekt funktionierenden Wahrheitsserum. Dabei wurden unter anderem tausende Menschenversuche vorgenommen, vor allem mit LSD, wozu ahnungslose Testpersonen unter Krankenhauspatienten und Gefängnisinsassen ausgewählt wurden. Das Ziel des Projekts wurde nicht erreicht. Heute sind Wahrheitsseren in den USA verboten, auch die Geheimdienste dürfen sie nicht mehr anzuwenden.
Auch das Hypnotikum (Schlafmittel) Thiopental ist schon als Wahrheitsserum verwendet worden. Die indische Polizei hat es bei der Aufklärung von Terroranschlägen eingesetzt und soll 2007 damit zwei des Kindesmordes Verdächtigte zum Geständnis und zur Verurteilung gebracht haben. Am weitesten verbreitet war wohl Amobarbital, ein Beruhigungs- und Schlafmittel. Ursprünglich diente es der US-Armee als Anti-Angst-Medikament, heute wird es noch in einigen Teilen der Welt als Wahrheitsserum genutzt.
Ein bekanntes Mittel, um Redefreude zu erzeugen, ist Alkoholgenuss. „In vino veritas“ bzw. “Im Wein liegt Wahrheit“ heißt es schon seit Jahrhunderten. Bei den Germanen herrschte die Überzeugung, dass man unter Alkoholeinfluss nur schwer lügen könne.
Abschließend zwei Tipps: Wer an Wahrheitsseren oder an Lügendetektoren glaubt, kann sie im Internet bestellen. Wahrheitsdrogen kosten zwischen 5 € und 95 €, Lügendetektoren zwischen 20 € und 70 €. – Für diejenigen, die mehr zu Wahrheitsseren wissen wollen, gibt es eine Doktorarbeit: Michael Kieninger: Narkoanalyse – Historische und rechtliche Aspekte des Einsatzes von Wahrheitsdrogen. Dezember 2011
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