Es ist erstaunlich, auf welch abwegige Ideen Politiker/innen kommen, um Aufmerksamkeit zu erheischen oder vermutete Wähler/innen zu beeindrucken. Das Sommerloch, das bekanntlich ansonsten unscheinbare Politiker/innen für skurrile Aktionen nutzen, ist doch eigentlich schon vorbei. Dennoch hat der CDU-Bundestagsabgeordnete Thorsten Frei ganz aktuell nicht nur die Überarbeitung der Europäischen Menschenrechtskonvention gefordert, sondern auch eine radikale Neuerung bei Asylverfahren. Anträge müssten auch in Drittstaaten geprüft werden können, selbst wenn der Antragstellende keinen Bezug zu diesem Land habe.

Wie sollen wir uns das denn real vorstellen? Wahrscheinlich soll sich Deutschland Verhandlungsstaaten aussuchen, wo Ablehnungen zu erwarten sind. Ob dabei der Rechtsstaat gewahrt wird, dürfte nebensächlich sein. Anträge von Personen aus der Sahelzone werden in Niger behandelt, Anträge aus Afghanistan in Eritrea und Anträge aus dem Iran in Syrien. Dass sich die Antragsteller/innen ihr Land aussuchen, dürfte für Herrn Frei gewiss nicht infrage kommen.

Überlegungen, wie sein Vorschlag verfassungs- und völkerrechtlich zu bewerten ist, hat Frei offenbar nicht angestellt. Erst recht scheint er sich keine Gedanken über die praktische Umsetzbarkeit seiner Idee gemacht zu haben. Eines aber hat er geschafft. Er hat ein neues politisches Handlungsfeld erfunden. Weitere Vorschläge nach diesem Muster werden nicht auf sich warten lassen. Wenn man Asylanträge auslagern kann, dann gewiss auch andere Entscheidungen. Erste Ideen wurden schon spontan entwickelt.

# Verfahren in Fragen von Menschenrechten und Pressefreiheit werden in den Iran verlagert.

# Anträge auf Erteilung von Waffenscheinen werden in den USA bearbeitet.

# Die Problemfelder Jugendschutz und Familienplanung werden im Vatikan behandelt.

# Die Prüfung der Verfassungstreue im öffentlichen Dienst wird in der Türkei vorgenommen.

# Die Einkommensteuer der reichsten Deutschen wird auf den Caymaninseln berechnet.

# Entscheidungen in Sachen Gleichberechtigung und Transsexualität fallen in Saudi-Arabien.

# Konflikte zu Datenschutzthemen werden in China erledigt.

# Bei manchen Strafverfahren bietet es sich an, Staaten zu wählen, die noch die Todesstrafe kennen.

Über Heiner Jüttner:

Der Autor war von 1972 bis 1982 FDP-Mitglied, 1980 Bundestagskandidat, 1981-1982 Vorsitzender in Aachen, 1982-1983 Landesvorsitzender der Liberalen Demokraten NRW, 1984 bis 1991 Ratsmitglied der Grünen in Aachen, 1991-98 Beigeordneter der Stadt Aachen. 1999–2007 kaufmännischer Geschäftsführer der Wassergewinnungs- und -aufbereitungsgesellschaft Nordeifel, die die Stadt Aachen und den Kreis Aachen mit Trinkwasser beliefert.