Der Übeltäter ist kein Aussenseiter oder Extremist, sondern ein würdiger Repräsentant des Kommerzfussballs

Luis Manuel Rubiales Béjar versteht die Welt nicht mehr. Und seine Mutter auch nicht. Warum soll ausgerechnet er zurücktreten? Dieses Unverständnis ist verständlich. Denn der Mann ist kein herausgehobener Bösewicht in der Welt des Wahren, Guten und Schönen. Sondern ein – mehr oder weniger – frei gewählter Repräsentant eines Systems des kommerziellen Spitzenfussballs. Gut, er repräsentiert eher die Männer, Dass Frauen da jetzt eine Rolle spielen (sollen), das ist für einen Mann seines mittleren Alters (46) noch etwas neu und offensichtlich ungewohnt.

Aber es gibt weitere Gründe für sein und seiner Mutter Unverständnis. Dass nun seine alten Sünden frisch durchgestochen werden, zeigt ja auch, dass er sich viele Jahre “alles” erlauben konnte. Es war bekannt, aber schadete ihm nicht. Kein Wunder, dass er selbst glauben musste, er sei unverwundbar. Und machen es nicht “alle” so, wie er es gemacht hat?

Faul ist nicht der einzelne Señor, sondern das System, das fast ausschliesslich Typen wie ihn hervorbringt. Deutsche Medien schiessen sich gerne, und mit einigem politischem Recht, auf die Fifa-Präsidenten ein, weil Deutschland nie einen abbekommt (s. deutsche Aussenpolitik)- Die Intimfeinde Joseph Blatter und Giovanni Vincenzo Infantino, als sein missratener Ziehsohn, eignen sich vorzüglich für jede Strippenzieher-Story des Bösen.

Sie können aber auch ein beliebiges Uefa-Exekutiv-Mitglied als Ziel anvisieren. Ach guck’, da ist der Rubiales ja schon wieder. Was hat Rubiales nun Böseres gemacht, als er, er, er oder er? Und er hier, ist der gar nicht suspendiert?

Señor Rubiales ist ein kleiner armer Wicht gegenüber dem Paten des postfaschistischen Kommerzfussballs Spaniens, der im Hauptberuf Boss der europäischen Baumafia ist. Dass Fifa-kritische deutsche Medien um ihn so oft einen grossen Bogen machen (weil ihm Hochtief gehört?), ist arm und bescheiden.

Diese Aufzählung könnte noch endlos so weiter gehen. Weil es das System ist. Nun hat es ausgerechnet Rubiales erwischt. Gerecht ist das nicht. Aber bekanntlich war der Kapitalismus noch nie gerecht. Im Fussball werden jetzt erstmal die elementaren Grundrechte für Frauen erkämpft. Wenn dabei noch mehr von diesen Typen stürzen, ist dem Fortschritt gedient. Auch wenn es nur kleine Schritte sind.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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