Kaum ist gestern das Gerücht durchgesickert, dass die Bundesregierung wohl keine Cruise Missiles vom Typ Taurus an die Ukraine liefern wird, weil die dazu gehörigen Daten eindeutig deutscher Herkunft wären, was rechtlich nicht unproblematisch bezüglich einer Nutzung durch die Ukraine sein könnte. Da konnte eine Regierungssprecherin noch so beteuern, dass noch gar keine Entscheidung im zuständigen Bundessicherheitsrat gefallen sei. Schon konnten zwei bekannte eitle Egomanen ihre Klappe nicht halten.
Reflexartig wie seit zwei Jahren gewohnt, ließ sich die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (Spitzname “Flak-Zimmermann”) vernehmen, das sei ja nun die falsche Entscheidung und verstieg sich zur Behauptung, dass dies in der Ukraine Menschenleben kosten würde. Und Anton Hofreiter, ewig verhinderter Minister und EU-Kommissar, giftete am Morgen im Deutschlandfunk wie ein kleiner Möchtegern-Feldherr, dass der Kanzler “das Signal an Moskau sende, dass sich die Fortsetzung des Krieges noch lohne” die Ukraine “brauche jetzt endlich die Waffen, um den Krieg zu beenden” und dass die nötigen Waffen, um den Krieg zu gewinnen, immer viel zu spät geliefert worden wären und vermutete als Grund Schwäche, Unsicherheit, und Zögerlichkeit des Kanzlers.
Über welche Regierung redet Hofreiter eigentlich?
Genüsslich zitzierte dann der Deutschlandfunk den CDU-Politiker Roderich Kiesewetter, der sich nach diesen Steilvorlagen aus dem Regierungslager mühelos über die angebliche Unfähigkeit des Bundeskanzlers hermachen konnte. Nochmal im Klartext: zwei herausragende Mitglieder ihrer Fraktionen quatschen, offensichtlich aufgrund von Gerüchten über ihre eigene Regierung, als ob sie der Opposition angehörten und kein anderes Ziel hätten, als den Bundekanzler aufgrund von Informationen vom Hörensagen öffentlich abzuwatschen. So, wie die Jusos einst über Helmut Kohl redeten, reden diese beiden MdBs über ihren eigenen Kanzler. Welche Loyalität zur eigenen Regierung gilt in dieser Koalition? Welche Autorität haben die Fraktionsvorsitzenden? Wem außer sich selbst und der eigenen Eitelkeit zuliebe sind solche Statements geschuldet? Eine Koalition, die solche Fraktionsmitglieder hat, braucht keine Opposition mehr!
Kein Gefühl für Verantwortung und Zeitpunkt
Am kommenden Sonntag wird in Hessen und Bayern gewählt. Die FDP steht in Bayern bei drei bis vier, in Hessen bei knapp fünf Prozent. Was glaubt Frau Strack-Zimmermann für ein Bild der Koalition abzugeben, der ihre Partei angehört? Will sie ihrem Laden absichtlich schaden? Geht es ihr darum, dass auch die letzte Wählerin die Ampel endgültig als gescheitertes Projekt ansieht? Und wie bescheuert ist Anton Hofreiter, während sein Parteikollege Tarek al Wazir um jede Stimme kämpft, die zweitstärkste Kraft in Hessen zu bleiben, fleißig das Bild der zerstrittenen Ampel und schlechten Regierung zu bestärken und damit der AfD – wenige Prozent hinter Grünen und SPD – in die Hände zu arbeiten? Welche Hybris treibt diese beiden kleinen politischen Lichter an, dass sie glauben, ihre eigene Regierung und den von ihnen gewählten Bundeskanzler als zögerlichen unfähigen Idioten hinstellen zu können? Meinen sie, damit Sympathien für die Demokratie zu wecken, die von Rechtsextremisten in Frage gestellt wird? Können diese ichbezogenen Kleingeister den Schuss noch nicht gehört haben?
Hofreiter – disqualifiziert, eitel und ohne jede Selbstkontrolle
Das Interview Hofreiters ist ein Musterbeispiel illoyalen Kommunikationsdesasters, das ich mir für Schulungszwecke über schlechte Kommunikation heruntergeladen habe. Das Thema des Interviews mit dem DLF war offiziell der EU-Gipfel, Hofreiter ist europapolitischer Sprecher der Grünen. Die Journalistin fragt ausdrücklich ausserhalb der Reihe nach “Taurus” und es wäre keine Mühe gewesen, auf die Frage mit Hinweis auf die Gerüchtelage nicht einzugehen und sich erst einmal intern zu informieren. So wäre ein professionelles Vorgehen eines prominenten Fraktionsmitgliedes gewesen. Aber dieses Mindestmaß an Disziplin in der Koalition und in der Partei geht ihm am “A…” vorbei. Hofreiter weiss genau, dass viele Mitglieder, vor allem aber grüne Wähler*innen Waffenlieferungen kritisch gegenüberstehen. Ginge es ihm um die Sache, wäre eine fraktionsinterne Diskussion das Mittel der Wahl – zumal ab Montag wieder ohne Auswirkung auf die Landtagswahlen und ohne Schaden für die Koalition in Berlin möglich. Stattdessen benimmt sich Hofreiter wie eine entsicherte politische Handgranate: Er hat der Ampelregierung, aber vor allem auch der Grünen Fraktion in blinder Eitelkeit mangels jeder Selbstkontrolle geschadet und ist im Begriff, sich für politische Ämter mit Verantwortung für alle Zukunft zu disqualifizieren.
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