Handreichungen für Medien, Politik und Stiftungswesen – Kurzfassung der Studie

Allgemeiner Kontext zur Studie

Die Demokratie braucht den Journalismus. Al­lerdings taugt dieser immer weniger für wirt­schaftlich tragfähige Geschäftsmodelle: Produk­tions- und Vertriebskosten vervielfachen sich, klassische Werbefinanzierung bricht ein, neue Bezahlschranken im Digitalen bleiben hinter den Erwartungen zurück. Die Folge: Die Versorgung der Bevölkerung mit qualitativ hochwertigen journalistischen Erzeugnissen ist gefährdet. Um seiner für die Demokra­tie so wichtigen Aufgabe künftig nachzukommen, braucht das Mediensystem öffentliche und priva­te Unterstützung und Förderung.

Eine Möglichkeit: Journalistische Arbeit als ge­meinnützig anzuerkennen – was Steuervorteile und die Förderung durch Stiftungen und andere ge­meinnützige Akteure ermöglicht. Da Journalismus bis dato jedoch noch kein anerkannter gemeinnüt­ziger Zweck der Abgabenordnung ist, behelfen sich journalistische Non-Profit-Unternehmungen mit Not- und Zwischenlösungen. Die Uneindeutigkeit solcher Behelfskonstruktionen sorgt für allerhand Rechtsunsicherheit, das Feld für Non-Profit-Journa­ lismus in Deutschland mutet deshalb wenig nach haltig an. Das „Whitepaper Non-Profit-Journalis­mus“ der Otto Brenner Stiftung ist ein Lagebericht zum gemeinnützigen Journalismus in Deutschland. Die Autoren Leif Kramp und Stephan Weichert haben Stellungnahmen und Gedankenanstöße un­terschiedlicher Stakeholder:innen eingeholt und geben Empfehlungen für ein aussichtsreiches Vor­gehen in diesem komplexen Problemfeld.

Methode

Für das „Whitepaper“ wurden relevante Protago­nist:innen aus Stiftungswesen, von Schnittstel­lenorganisationen und aus der Medienpolitik so­wie von Verbänden befragt. Leitfadeninterviews geführt haben die Autoren mit neun Expert:innen von Stiftungen und gemeinnützigen journalisti­ schen Schnittstellenorganisationen. Befragt wur­ den außerdem ausgewählte medienpolitische Sprecher:innen der Bundestagsfraktionen sowie Verantwortliche und Sprecher:innen von journalis­tischen Branchenverbänden. In der Studie finden sich darüber hinaus Kurzporträts gemeinnütziger Pilotprojekte, außerdem melden sich 14 renom­mierte Kritiker:innen in dem Format „Drei Fragen, drei Antworten“ zu Wort. Sämtliche Befragungen fanden im Zeitraum Februar bis August 2023 statt.

Ergebnisse

In der Zusammenschau der Expert:innen- und der Akteur:innenaussagen lassen sich einige zentrale Lösungsfelder herausarbeiten:

Ein unübersichtliches Feld ordnen

Aufgrund der gegenwärtig umständlichen Anerkennung der Gemeinnützigkeit journalistischer Organisationen ist ein Spannungsfeld aus Unsicherheiten, Abhängigkeiten und Konkurrenzen zwischen Akteur:innen im Feld des gemeinnützi­gen Journalismus entstanden. Um dieses Bezie­ hungsgeflecht zielführend zu wenden, sollten die bestehenden Förderstrukturen – beispielsweise Projektförderungen oder Stipendien von Stiftun­gen oder Zuwendungen der Landesmedienanstalten und die Presseförderinstrumente der öffentlichen Hand – stärker zentralisiert werden, unter möglichst breiter Beteiligung der Betroffenen. Geholfen wäre allen Beteiligten darüber hinaus, wenn mittels einer breiten Non-Profit-Allianz ein geteiltes Begriffsverständnis von Gemeinnützig­keit, eine gemeinsame Zielrichtung des Non-Pro­fit-Sektors sowie einheitliche Kriterien für Förde­rungen erarbeitet würden. Langfristig sollte eine zentrale unabhängige Beratungs- und Anlaufstelle für journalistisch Gründungswillige – mit Fo­kus auf Gemeinnützigkeit und Gemeinwohlorien­tierung – zur weiteren Strukturierung des Feldes beitragen.

Förderstrukturen verbessern

Dem gegenwärtigen Fördervolumen für journalis­tische Non-Profit-Projekte sind in Deutschland enge Grenzen gesetzt. Zeitliche Befristungen und an Impact-Messungen geknüpfte Kriterien verhin­dern oftmals langfristige Planungshorizonte von Non-Profit-Initiativen. Um ein innovationsfreund­licheres Umfeld für gemeinnützigen Journalismus zu schaffen, müssen auch Experimente und Ni­schenprodukte möglich sein, die nicht am frei­en Markt bestehen würden. Unter den aktuellen Bedingungen laufen Akteur:innen des journalisti­schen Non-Profit-Bereichs darüber hinaus Gefahr, zum Spielball von politischen oder wirtschaftli­chen Interessen zu werden. Die Lösung für diese (möglichen) Einflussnahmen lautet: Transparenz, und zwar von der Selbstverpflichtung zur Einhal­tung professioneller Standards über die Kenn­zeichnung der eigenen Einnahmen bis hin zur Ausflaggung der publizistischen Agenda.

Für Förderungen der öffentlichen Hand könnte die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ein Vorbild sein, um die Mittelvergabe an journalistische Non-Pro­fit-Projekte staatsfern zu justieren. Die Rolle von Schnittstellenorganisationen im Feld des gemein­nützigen Journalismus ist dabei unterbewertet. Diese gemeinnützigen Organisationen, die mit der Organisation von Trainings, Studien, Weiter­ bildungsangeboten und Netzwerkveranstaltun­gen zwischen journalistischer Praxis, Förder:in­ nen und Öffentlichkeit agieren, müssen aufge­wertet werden – schließlich können sie in ihrer Rolle zwischen den Interessen der unterschiedli­chen Akteur:innen neutral moderieren.

Das Non-Profit-Ökosystem ausbauen

Um das Ökosystem des Non-Profit-Journalis­mus zu fördern, könnte ein unabhängiger Think Tank für Non-Profit-Journalismus praxisnahe For­schungsarbeit leisten: ein auf Dauer anzulegen­ des Forschungs- und Beratungsinstitut, an das sich Stiftungsvertreter:innen und private Spen­der:innen vertrauensvoll wenden können, um die tatsächlichen Bedarfe und Herausforderungen einer sich im Aufbau befindlichen Non-Profit-Medienlandschaft zu erkunden. Des Weiteren bereitet die derzeitige digitale Infrastruktur allen journalistischen Anbieter:innen – ob profitorien­tiert oder nicht – Schwierigkeiten beim Vertrieb ihrer Angebote und Produkte. Eine konsequente Öffnung von innovativen Infrastrukturlösungen könnte deshalb ein geeigneter Ansatz sein, die bestehenden Abhängigkeiten von US-amerikani­schen oder chinesischen Tech-Giganten zu verrin­gern. Schließlich sollten öffentliche Kampagnen für den Journalismus im Allgemeinen und den Non-Profit-Journalismus im Speziellen aufgesetzt werden, die für eine breitere Akzeptanz journalis­tischer Arbeit werben.

Fazit

In der Zusammenschau der Gesprächsergeb­nisse fällt auf, dass mögliche Perspektiven für gemeinnützigen Journalismus eher nebulös und wolkig bleiben. Dennoch lassen sich die oben genannten Lösungsfelder herausarbeiten, de­ren Konkretion dem konstruktiven Austausch zwischen Akteur:innen aus Medien, Politik, Ge­sellschaft und dem Stiftungswesen vorbehalten bleibt. Da Neugründungen gemeinnütziger Pro­jekte oder sogar der Wechsel von For-Profit- zu Non-Profit-Modellen durch anstehende politische Weichenstellungen in den kommenden Jahren vermutlich populärer werden, ist es jetzt Zeit zu handeln.

Dr. phil. Leif Kramp ist For­schungskoordinator des Zen­trums für Medien­, Kommunika­tions­ und Informationsforschung (ZeMKI), einer Zentralen Wissen­schaftlichen Einrichtung der Universität Bremen. Gemeinsam mit Stephan Weichert und Alexander von Streit leitet er die von der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien geförderte Wissensdaten­bank npj.news, eine neue Online-Plattform zum Nonprofit-Journalismus. Dr. phil. Stephan Weichert ist Vor­standssprecher des von ihm mit­gegründeten VOCER Instituts für Digitale Resilienz und zusammen mit Leif Kramp Mitgründer des gemeinnützigen Think & Do Tanks VOCER. Der Medienwissenschaftler ist neben seiner Tätig­keit als Innovationsberater und Führungskräfte- Coach seit 20 Jahren in der journalistischen Aus- und Weiterbildung tätig.

Über Leif Kramp, Stephan Weichert / Otto Brenner Stiftung:

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