Eine neue Studie zeigt, wie die Klimakrise im deutschen Fernsehen thematisiert wird. Auch fiktionale Inhalte stehen dabei auf der Agenda – wie „Das Traumschiff“.
Eigentlich widmet sich die MaLisa-Stiftung der Darstellung von Geschlechtern und Rollenbildern im deutschen Fernsehen. An der Spitze der Stiftung stehen die Schauspielerin Maria Furtwängler, unter anderem bekannt als „Tatort“-Kommissarin, und ihre Tochter und Musikerin Elisabeth Furtwängler. Jetzt widmen sie sich dort einem ganz anderen Themenkomplex – der Klimakrise und dem Artenschutz.
In einer im Oktober neu vorgestellten Studie wurde untersucht, was das Fernsehen im Bereich „Klimawandel und Biodiversität“ zeigt und was die Zuschauenden eigentlich wollen. Mit daran beteiligt sind die ARD, das ZDF, ProSiebenSat.1 und RTL Deutschland. Für die Studie hat sich das Forscherteam zwölf öffentlich-rechtliche und acht private Sender angesehen.
Das Ergebnis: Die meisten Befragten informieren sich über das Medium Fernsehen über die Klimakrise. Biodiversität hingegen wird als Thema kaum wahrgenommen. Das ist kein Wunder, denn während sich im untersuchten Zeitraum knapp 1,8 Prozent der Klimakrise widmeten, waren es bei der Biodiversität lediglich 0,2 Prozent.
Es ist keine Überraschung, dass das angesichts der tatsächlichen Bedrohungslage unzureichend ist. Verantwortliche begründen das gern damit, dass die eigentlichen Konsument:innen das überhaupt nicht sehen und/oder hören wollten. Es gebe genügend Krisen auf der Welt.
Ein unerwartetes Ergebnis
Die neue Studie der MaLisa-Stiftung aber zeigt etwas anderes: Über die Hälfte der Befragten, 62 Prozent, wünschen sich mehr Informationssendungen und fiktionale Inhalte, die sich diesem Thema widmen.
Beim Stichwort „fiktional“ könnte man jetzt stutzig werden – dreht sich doch die Debatte, wenn überhaupt, eher um die Thematisierung der Klimakrise in der Berichterstattung und nicht in Filmen oder Serien?
Nicht ganz. Schon 2022 kam eine Studie aus den USA zu der Erkenntnis, dass die Klimakrise einen zu geringen Teil in fiktionalen Produktionen einnehmen würde. Genauer gesagt: Das Ergebnis lag bei 0,6 Prozent.
Durchgeführt wurde das Projekt federführend vom Media Impact Project (MIP) des USC Norman Lear Centers. Auch die MaLisa-Stiftung verweist auf die Studie aus dem letzten Jahr. Und auch die amerikanische Studie zeigt: Die Zuschauenden wollen auch in fiktionalen Produktionen einen Klimabezug sehen.
Eine mögliche Begründung wurde direkt mitgeliefert: Viele der Befragten konnten ihre eigenen Sorgen nicht auf den Leinwänden wiedererkennen. Na, sieh an. Aber ob das deutsche Fernsehen bei den Ansprüchen mithalten kann?
Das Paradebeispiel
42 Jahre. So lange ist „Das Traumschiff“ schon eine feste Größe im deutschen Fernsehen. Die Serie erzählt im ZDF die Geschichten der Passagiere und der Crew auf einem luxuriösen Kreuzfahrtschiff, der „MS Amadea“. In den letzten Folgen ging es auf die Bahamas, nach Cocos Island und auf die Malediven, ins eisige Lappland und auf die Seychellen. Dreimal im Jahr sticht das Flaggschiff in See und erkundet die Weltmeere.
Das „Drehbuch dünn wie Butterbrotpapier“ nannte es Jan Schäfer in seiner TV-Kritik für die Siegener Zeitung. Nur ist diese Kritik sicher so alt, wie das „Traumschiff“ selbst. Und trotzdem gehört es seit nun mehr als 40 Jahren zu den Klassikern des Deutschen Fernsehens, erreicht auch heute noch Top-Quoten.
Klimaschutz ade
Wirkt es nicht wie ein harter Kontrast zu den bereits vorgestellten Studienergebnissen? Denn was bei „Das Traumschiff“ auch dazu zählt: Kreuzfahrtindustrie, Flugreisen, tropische Urlaubsorte und Inselgruppen mitten im Nirgendwo. All das vereint das Format, bringt es in die Wohnzimmer von Millionen von Zuschauer:innen. Kurz gesagt: Es wirkt wie aus der Zeit gefallen. Denn hier geht es nicht um Klimaschutz oder bedrohte Landesteile, um die so wunderschöne und doch sehr verletzliche Natur, hier geht es schlichtweg um Luxus. Um die einfachen Geschichten.
Nur sind Kreuzfahrten alles andere als die Traumwelt, wie sie bei „Das Traumschiff“ gerne dargestellt werden. Hart gesagt: Sie sind Klima-Killer. Laut einer Berechnung des Nabu produzieren Kreuzfahrten allein an einem Tag schon so viel CO2-Emissionen wie 84.000 Autos.
Noch extremer wird es, blickt man auf die Feinstaub- und die Stickoxid-Emissionen. Bei der Feinstaub-Belastung liegt der Tagesverbrauch eines Kreuzfahrtschiffes im Vergleich durchschnittlich bei dem Verbrauch von insgesamt einer Million Pkw. Rund die Hälfte ist es bei Stickoxiden. Als wäre das noch nicht genug, kommt dazu, dass die meisten Kreuzfahrten noch immer mit Schweröl fahren, einem hochgiftigen Stoff.
Einen besonderen Einblick, welche Auswirkungen Kreuzfahrten mit sich bringen, zeigt die ZDF-Doku „Achtung, Traumschiffe – Kreuzfahrt-Branche auf neuem Kurs“. Neben Schiffsunglücken steht vor allem ein Thema im Vordergrund: die Nachteile für Mensch und Umwelt. Die Weltgesundheitsorganisation gab schon 2016 bekannt, dass es giftige und Krebs erregende Schiffsemissionen sind, die für bis zu 60.000 vorzeitige Todesfälle in Europa verantwortlich sind.
Komisch. All das flimmert sonntagabends um 20.15 Uhr nicht über die Fernsehbildschirme. Dabei ist es doch derselbe Auftraggeber – das ZDF. Fällt der Widerspruch nicht auf?
Kritik an dem Format „Das Traumschiff“ hat auch Schauspieler und Umweltaktivist Hannes Jaenicke in der Vergangenheit geäußert. Für ihn ist es ein Problem, dass Menschen noch immer diese Art von Urlaub machten und das Bewusstsein dafür fehle. Das zeige sich auch darin, dass „Das Traumschiff“ nach wie vor eine der beliebtesten deutschen Serien ist. Als Schauspieler würde er nie für „Das Traumschiff“ drehen, sagt er.
Krisen in der Fiktion
Im Grunde ist es doch wirklich seltsam: Während uns die Nachrichten jeden Tag aufs Neue auf die globalen Krisen unserer Zeit aufmerksam machen, spielt uns die Fiktion meistens das genaue Gegenteil wider.
Denn ist es nicht so: Werden diese Art von Filmen wirklich geschaut, weil man sich selbst durch die dort inszenierte heile Welt in seinem eigenen Leben besser, möglicherweise ausgeglichener, fühlt? Fühlt man sich als Zuschauende:r nicht vielleicht sogar schlechter, weil das eigene Leben, die Realität, wenig mit dem Inhalt des Filmes gemein hat?
Wenn einem in Filmen und Serien, vor allem in sogenannten Heimatfilmen, vorrangig die guten Seiten des Lebens vorgehalten werden oder die Happy Ends, stimmt es einen doch eventuell auch traurig, weil es bei einem selbst eben nicht so ist. Die im letzten Jahr befragten Personen in den USA scheinen das genau so zu sehen, zumindest die Hälfte von ihnen.
Einen ähnlichen Gedanken hat auch die Stifterin und Schauspielerin Maria Furtwängler. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung betonte sie das „Riesenpotenzial“, das sich durch fiktionale Produktionen ergebe – dort werde der Klimawandel kaum thematisiert.
Auch in der Vorstellung der neuen Studie der MaLisa-Stiftung heißt es, dass Serien und Filme unser Verständnis der Welt prägen würden und uns zum Handeln mobilisieren. Die Frage ist also: Können gute Geschichten dazu beitragen, den Planeten zu retten?
Furtwängler stellt sich im Interview mit der SZ selbst die Frage, ob Filme, vor allem die des leichten Genres, nicht eh irrelevant für die Zuschauenden werden. Als Grund nennt sie ihre Annahme, dass sich Filmschaffende zu stark von der Realität der Zuschauenden entfernen.
Als Beispiel erwähnt sie eine Erzählung einer Kollegin, die für einen Krimi im Harz gedreht hat. Also jener Region in Deutschland, in der sich die Folgen der Klimakrise deutlich zeigen – die Trockenheit war und ist es auch, die es dem Borkenkäfer so einfach gemacht hat, sich zu vermehren.
Im Krimi aber wollte man von dem toten Wald im Hintergrund nichts wissen und hat die gedrehten Filmszenen im Nachhinein bearbeitet. Mit der Begründung, dass man das dem Publikum so nicht zeigen könne, so Furtwängler. Puh.
Aber wir kompensieren doch
Mit der Klimakrise und deren Auswirkungen hat man es bei „Das Traumschiff“ auch nicht so. Abgesehen von Plastikflaschen sammeln und einem mitreisenden Klimaaktivisten in vereinzelten Folgen.
Die Absurdität, die Problematik wenigstens in wenigen Sendeminuten zu thematisieren, während man das Hauptproblem mit keiner Silbe nennt, ist mindestens fragwürdig. Denn das Problem ist doch ganz generell gesprochen, dass ein Fernsehformat, das Kreuzfahrten romantisiert und bewirbt, eine derartige Unterstützung erfährt.
Produziert wird „Das Traumschiff“ aktuell von Beatrice Kramm, sie ist die Inhaberin der Polyphon Film- und Fernsehgesellschaft mbH und äußert sich auf Anfrage zu dem Thema bereits im Mai 2023. Angesprochen auf die Klima-Auswirkungen, versicherte Kramm, dass „das Schiff, die ‚MS Amadea‘“, mittlerweile „den gesamten CO2-Verbrauch aller Reisenden“ kompensieren würde. Das Schiff verfüge ebenfalls „über einen Landstromanschluss, Abgasfilter und Katalysatoren und fährt mit Marine-Diesel statt Schweröl“.
Abgesehen von der Dauerwerbesendung für die Zuschauenden, lässt sich ja auch die Fahrt selbst, die für den Dreh notwendig ist, kritisieren. Eine reine Kompensation der Reise-Emissionen belohnt doch, wenn überhaupt, nur das eigene Gewissen. Aber dass es an dieser Stelle des Öfteren Probleme mit Greenwashing gibt, ist nicht neu. Zu dem Ergebnis kam auch die Geo in ihrem Artikel „Kreuzfahrtbranche und Umwelt: Hehre Absichten oder Greenwashing?“.
Das „Traumschiff“ wirkt unsinkbar
Wie also kann es sein, dass dieses Fernsehformat weiterhin ausgestrahlt wird und auch weiterhin so viel Beachtung von den Zuschauenden findet? Ein Format, das klimaschädliche Kreuzfahrten propagiert und den Zuschauenden das Gefühl vermittelt: Das könnt ihr auch haben. Man kann da ja sogar mitfahren, mit der „MS Amadea“. Eingegeben in der Suchmaschine, ploppt es direkt auf: „wie ein First Class Hotel“, „jetzt günstig buchen“. Die Zukunft wird es uns danken. Aber Hauptsache es war schön günstig.
2011 schon hat der Nabu, der Naturschutzbund Deutschland, gegen die Abgase vom ZDF-„Traumschiff“ protestiert. Damals fuhr statt der „MS Amadea“ noch die „MS Deutschland“ und die sei laut dem damaligen Hamburger Nabu-Chef ein „Symbol für den Traumurlaub auf See“. Weiter hieß es, „die Abgase des Ozeanriesen sind ein Albtraum für die Umwelt“. Die Reederei sah sich damals nicht gezwungen, diesen Protest weiter zu kommentieren. Dass man schon damals keinen Grund gesehen hat, sich zu dem Thema zu äußern, kann man kritisieren. Was man aber neben der CO2-intensiven Produktion auch kritisieren kann, ist die fehlende inhaltliche Thematisierung aktueller gesellschaftlicher Themen.
Wir leben in einer Zeit einer großen Multikrise. Verschiedene Krisenherde, die zusammenkommen. Es ist längst überfällig, sich die Frage zu stellen, welche Rolle der Film in diesem Zeitalter einnehmen möchte. Oder anders: vielleicht auch muss. Angesichts der Herausforderungen, mit denen die Welt heute konfrontiert ist, kann man doch von der Fernsehindustrie erwarten, dass sie eine Verantwortung übernimmt und sich diesen Themen stellt. Oder nicht?
Der Ansatz kann bei Weitem nicht sein, nur noch Filme über Krisen, allen voran die Klimakrise, zu drehen. Der Ansatz aber sollte es sein, die Klimakrise als das anzuerkennen, was sie ist. Als Krise. Etwas, das immer da ist, deren Auswirkungen sich zeigen und unser aller Leben beeinflussen. Also so zu tun, als wäre das kein Problem, kann nicht der Maßstab sein. Es muss also darum gehen, Krisen in Filmen zu thematisieren, ohne sie zum Hauptthema zu machen.
Wie das in der Praxis umsetzbar ist, ist auch eine Frage, mit der sich Maria Furtwängler beschäftigt. Für sie sei es nicht sinnvoll, die Klimakrise zum direkten Thema, beispielsweise im „Tatort“, zu machen. Aber eine Verfolgungsjagd über Dächer mit Solarpaneelen oder vertrocknete Gärten wären doch eine Möglichkeit, so ihre Antwort im Interview mit der SZ. Ob das ausreicht?
Happy End
Und dabei ist es doch ganz verständlich, dass anspruchslose und einfache Unterhaltung genau das ist, was Menschen manchmal brauchen. Abtauchen in eine völlig andere Welt. Die eigenen Probleme vergessen. Für einen Moment runterkommen. Genau das ist auch das Ziel hinter dem Fernsehformat „Das Traumschiff“.
Auf Anfrage bei der Filmproduktion, Polyphon, heißt es von der Produzentin Beatrice Kramm, der Fokus liege nicht darauf, die Realität abzubilden, sondern darauf, die Zuschauenden aus ihrem Alltag zu entführen. Und ganz klar: „mit einer Garantie auf ein Happy End“. Natürlich, das Happy End mit Eisbombe. Wie könnte man das nur vergessen?
Und dennoch scheint sich die Filmproduktion absolut im Klaren darüber, dass die mit dieser Fernsehreihe eine Art Illusion erschafft. Eine Art Schein-Realität. „Traumschiff“-Produzentin Beatrice Kramm scheint aber nicht abgetan, sich mit der Thematik weiter auseinanderzusetzen. So wirkt es zumindest, wenn sie sich schriftlich zu der Frage äußert, ob sich Formate wie „Das Traumschiff“ oder Heimatfilme, wie sie viel von Polyphon produziert werden, und eine realistische Darstellung der Gegenwart gegenseitig ausschließen. Immerhin sei es eine „gute Frage“. Fehlt noch die „gute Antwort“. Ob die allerdings mit einem Kreuzfahrtschiff in der Hauptrolle zu finden ist, bleibt mehr als fraglich.
Pia Pentzlin ist 22 Jahre alt und studiert Journalismus und Unternehmenskommunikation an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (HMKW) Berlin. Die Autorin legt Wert auf die Verwendung des Doppelpunkts als Mittel der Sichtbarmachung aller Geschlechter. Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz (CC BY-NC-ND 4.0). Er darf für nichtkommerzielle Zwecke unter Nennung des Autors und der Berliner Zeitung und unter Ausschluss jeglicher Bearbeitung von der Allgemeinheit frei weiterverwendet werden.
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