Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil zur Verwendung des Klimafonds der Bundesregierung von 60 Mrd. Euro für die ökologische Transformation in Krisenzeiten ein höchst politisches Urteil gefällt. Dieses Urteil hat gravierende Folgen für die Möglichkeit, die dringenden unweltpolitischen Maßnahmen zu treffen, die die Union sechzehn Jahre verhindert, verschleppt und torpediert hat. Mit dem neuen Rechtslage hofft die Union, erneut einen Keil in die Koalition zu treiben und davon politisch zu profitieren. Sie stellt damit Parteipolitik über die Interessen des Landes.
Das Urteil ist die Folge einer verfehlten angeblich “generationengerechten” Finanzpolitik und Folge der Schuldenbremse, mit der sich das Parlament selbst in seiner Handlungsfähigkeit beschränkt hat, Krisenzeiten zu bewältigen. Die CDU namens ihres ehemaligen Kanzleramtsministers Braun hat zum Urteil erklärt, dass damit ja “den zukünftigen Generationen der Spielraum erhalten bleibe” um die dann wegen des Klimanwandels die notwendigen Maßnahmen zu beschließen. Diese Ansicht verdreht die Tatsachen. Jeder Euro, der nicht heute zur Bewältigung des Klimawandels zur Verfügung steht, wird diese Folgen verschlimmern und kommende Generationen um ein Vielfaches belasten. Und die Argumentation der CDU/CSU verkennt auch, dass gerade eine keynesianische, antizyklische Finanzpolitik der hohen Ausgeben und ggf. Schuldenaufnahme in der aktuellen Wirtschaftsflaute in den Folgejahren zu erheblichem Anstieg der Steuereinnahmen führen wird.
Was bedeutet das Urteil für die aktuelle Politik?
Das Urteil hat zur Folge, dass im aktuellen und im kommenden Haushaltsjahr etwa 20 Mrd. € fehlen, die durch Umschichtungen oder Steuererhöhungen ausgeglichen werden müssen. Aus den zum Teil hämischen Bemerkungen Friedrich Merz’ und des CSU-Landesgruppenchefs Dobrindt ist eine Genugtuung herauszulesen, dass die Bundesregierung nun gezwungen sein wird, ihre weitgehenden Modernisierungsmaßnahmen, vor allem den sozialen Ausgleich im Heizungsgesetz und das angekündigte Klimageld, nicht verwirklichen kann und fordert Einsparungen beim gerade beschlossenen Bürgergeld. Sozialabbau und umweltpolitischer Rückschritt – das hat die CDU/CSU mit ihrer Klage in Karlsruhe in Wirklichkeit erreicht. Sie kostet nun einen engstirnigen parteipolitischen Sieg aus. Dem Land und den Menschen, nicht zuletzt zukünftigen Generationen, hat sie damit einen Bärendienst erwiesen. Sie hat vielmehr gezeigt, dass Obstruktion unter Friedrich Merz ihr Politikprinzip ist. Denn weder die Förderung der Ansiedlung von Chipfabriken in Deutschland, der soziale Wohnungsbau und vielfältige Strukturmaßnahmen werden nun finanzierbar sein und sind in Frage gestellt.
Schuldenbremse als Reformbremse
So, wie in der Ära der sozialliberalen Koalition der Bundesrat von der CDU/CSU als Reformbremse mißbraucht wurde, haben die Konservativen diesmal die Schuldenbremse und das Verfassungsgericht als Reformbremse instrumentalisiert. Wie war das möglich? Die Schuldenbremse im Grundgesetz ist unsprünglich eine Idee der Grünen. Diese erfanden in den 80er und 90er Jahren in Verkennung wirtschaftspolitischer Zusammenhänge die “Schuldenbremse” als Oppositionspartei, um ein Mittel zu finden, die Handlungsfreiheit der Regierungen durch das Parlament einzuhegen. Ihr damaliges Argument “künftigen Generationen den politischen Handlungsspielraum zu erhalten” und dafür die Ausgabenseite der Haushalte zu beschränken, verkannte, dass sich dieses Instrument sehr schnell gegen eine Regierung wenden kann, die versucht, grundsätzliche Reformen durchzuführen. Gleichwohl kam das Nachhaltigkeitsargument den neoliberalen Austerlitätspolitikern parteiübergrifend ganz recht, und sie setzten die Schuldenbremse durch. Das beschränkt den Spielraum für Reformen, wie sie sich die Ampel vorgenommen hat, und die dazu noch Krisen wie den Krieg in der Ukraine bewältigen muss. Wobei sowohl der Ukrainekrieg wie die Corona-Pandemie eine Ausnahme von der Schuldenbremse erlauben würden. Diese jedoch zu benennen, hat, wie Martin Böttger dargestellt hat, die Ampel versäumt. Aufgrund des 100 Mrd: “Sondervermögens” für die Bundeswehr ist diese Begründung zudem erschwert worden.
Die Stunde der Steuergerechtigkeit ist gekommen
Dagegen ist aufgrund des Urteils die Stunde gekommen, den Blick auf mehr Steuergerechtigkeit zu richten, um die Einnahmeseite des Haushaltes zu verbessern. Die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, einer wirksamen wie transparenten Erbschaftssteuer und die Anhebung des Spitzensteuersatzes kommen ebenso in Frage, wie die Erhebung einer ökologischen Umbauabgabe für Haushalte mit einem Jahreseinkommen über 300.000 €. Dazu natürlich die dringend notwendige Kerosinbesteuerung, sowie eine Umstellung der KfZ-Steuer nach Gewicht, die große SUVs, die losgelöst vom Antrieb erhebliche Umweltfolgen an Flächenverbrauch und Feinstaub durch Brems- und Reifenabrieb verursachen, zur Verantwortung zieht. Diese Diskussion ist angesichts des Verfassungsgerichtsurteils dringend notwendig und die einzige Möglichkeit, um einer neoliberalen und sozial spalterischen Diskussion, wie sie die CDU/CSU zu führen begonnen hat, politische Vernunft entgegenzusetzen.
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