Grossmacht Japan – wissen Sie das? Ich nicht

Sicher, so manche deutsche Partei dürfen wir mit einigem – vor allem qualitativen Recht – heute und hier schon als Sekte ansehen. Und das evangelikale Treiben ist ebenfalls global bekannt, von Afrika über Lateinamerika bis Donald Trump. Der mächtige Modi in Indien ist ein Hindufaschist. Doch was wissen Sie und ich über Japan (von den zahlreichen Konsumgütern mal abgesehen)? Das fragte ich mich heute nach Lektüre dieses Textes: Sven Saaler/ipg-Journal: Im freien Fall – Die Umfragen von Premier Kishida sind im Keller, ein Parteispendenskandal schockt die Öffentlichkeit. Japans Politik steht vor einem massiven Umbruch.”

Ich rekapituliere meine politische Erinnerung. Nach dem Trauma der Atombomben schuf Japan sein monarchisches System ab, parlamentarische Demokratie zog ein. Nie, nie wieder militärische Aufrüstung – dort bekam das nach all den eigenen Weltkriegs-Verbrechen, begangen in Korea, China, Indochina, Indonesien und im pazifischen Raum Verfassungsrang. Dank dem segensreichen militärischen Sieg der USA. Nach meiner persönlichen Erinnerung der letzte, auf dem dieser Segen lag.

Immer, immer, immer war Japan von der LDP beherrscht, der FDP ideologisch vergleichbar, der CDU sogar überlegen, was die Aneinanderreihung von Wahlsiegen betraf. Politisch relevante Differenzen wurden – meistens klandestin abseits der Öffentlichkeit – innerhalb der LDP ausgetragen (wie in Einparteiensystemen) und ihre Dauerherrschaft wurde nur kurzzeitig durch ein schnell wieder zerbrochenes Bündnis konkurrierender Parteien in den Nullerjahren unterbrochen. Dann drehte der Ministerpräsident Shinzō Abe das Politikspektrum noch weiter nach rechts, zur Freude der USA und seiner westlichen Nato- und Wirtschaftspartner: Teilnahme am Rüstungswettlauf und Aufrücken in die erste Reihe der Weltmächte. Dann ereilte ihn das Attentat eines Verrückten, von denen es unter japanischen Männern, naja, eben viele gibt – die japanische Pornoindustrie ist noch bedeutsamer als die kalifornische. Andere Kultur, und so … Oder wie wir im Ruhrgebiet zu sagen pflegen: woanders is auch scheisse. Immerhin weiss ich noch von befreundeten Asienexpert*inn*en: die legen da viel Wert auf Umweltschutz (von Atomenergie mal abgesehen, Fukushima), und die Küche hat einen sehr guten Ruf (viel Fisch etc.).

Das Abe-Attentat

Aber wie war das noch mal mit diesem Attentat auf Abe? Oops, der Attentäter war gar nicht so verrückt, sondern verzweifelt? Weil seine Mutter sein Familienerbe an eine Sekte gespendet hat, und er Abe als Mitglied und Repräsentant derselben dafür verantwortlich machte. Und das war gar nicht so abwegig? Weil diese Sekte, im deutschen Sprachraum unter Menschen meines Alters noch als – hierzulande exotisch einflusslos anmutende – Moon-Sekte, in anderen wichtigen Weltregionen, u.a. Japan und den USA, nicht einflusslos sondern einflussreich ist.

Dä! Mit einer 5-Minuten-Recherche habe ich mir das angelesen. Warum wusste ich als politisch engagierter Mensch nichts davon? Konsumiere ich die falschen Medien? Sicher, denn sie sind fast ausschliesslich deutschsprachig, gelegentlich englisch. Aber warum informieren die Deutschen nicht? Uninteressant? Eher inopportun. Japan, das sind doch unsere Wertefreunde gegen das böse China. Lieber christliche Sekten als islamistische. Ist ja nur austauschbare Ideologiefassade. Hauptsache das Kapital hat die Freiheit zum zirkulieren.

Anders als die Menschen. In Japan wird nicht eingewandert. So sieht es dort auch aus. Sie werden uns ihre Pflegeroboter verkaufen.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net