Wundersame Bahn CLXXVII – Nein, ich muss nicht zum Arzt, weil ich Fisionen habe. Die haben sich dagegen in der Schweiz, am englisch-französischen Kanaltunnel und in Polen ausgebreitet.
Aber beginnen will ich diese Reise in Essen-Bergeborbeck. Dort steht ein hübsches Fussballstadion, über dessen Bau einst der letzte SPD-Oberbürgermeister der Stadt gestürzt ist (durch Abwahl). Es macht den ortsansässigen Verein RW Essen (derzeit 3. Liga, und noch nicht komplett aussichtslos, was einen Aufstieg in die Zweite betrifft) zum Tabellenführer in der Zuschauer*innen*tabelle. In Essen ist die Diskrepanz zwischen Grösse der Stadt und Grösse des Fussballs traditionell besonders gross. Das erste illegale Länderspiel der Frauen fand ebenfalls dort statt: im Matthias-Stinnes-Stadion (abgerissen) ganz im Norden neben der Emscher.
Jetzt ist eine der vielen deutschen Brücken kaputt. Auf der habe ich 1976 meinen Führerschein gemacht. Sie überspannt Emscher und Rhein-Herne-Kanal und verbindet Essen mit dem schönen Bottrop. Oben drauf war der “Emscherschnellweg”, der traditionell von den drei Ost-West-Autobahnen im Ruhrpott die wenigsten Staus hatte. Jetzt ist die Brücke gesperrt, und das ziemlich lange. “Eine Katastrophe”, meinen die Medien des Ruhrgebiets (alles sorgfältig digital vermauert).
Eine “Katastrophe” meinen auch die Fans von RW Essen, die in fünfstelliger Zahl die Rückrunde der 3. Liga verfolgen wollen. Ich kann ihnen aus Erfahrung berichten: es gibt da einen Bahnhof Essen-Bergeborbeck auf der Strecke zwischen Oberhausen und Gelsenkirchen, letzter S-Bahn-Halt vor Essen-Altenessen. Als ich noch Essener war, fuhr hier noch der Paris-Moskau-Express durch (mit Halt in Altenessen). Der macht jetzt – als “Berlin-Paris” – einen weiten Bogen um das Ruhrgebiet über Frankfurt. Im Ruhrgebiet leben zwar zehnmal mehr Menschen, aber in Frankfurt sitzt zehnmal so viel Kapital. Essen-Bergeborbeck hat leider nur einen recht kurzen Bahnsteig. Viele Fussballfans passen da nicht drauf. Aber der Fussweg zum Stadion dauert nur 10 Minuten, die Flutlichtmasten immer fest im Blick.
Schweiz: Deutschland macht seine Hausaufgaben nicht
Mit einer bahnbrechenden Investigativrecherche wartet die Deutsche Presseagentur auf (sogar mit Safari in der FAZ paywallfrei): “Bahnverkehr über Rheinstrecke: Baustau bei der Bahn heißt zwei weitere Jahre Krisenmodus in der Schweiz – Für die Bahnfahrt über Basel in die Schweiz braucht es Geduld. Seit Jahren überfällige Bauarbeiten kommen zwar endlich in Gang, aber das bedeutet: Baustellen und Sperrungen. Die Schweizer sind frustriert.” Dä. „Gebt die Hoffnung nicht auf. Bleibt bei der Bahn, ertragt es, es wird besser. Aber es dauert. Also seid geduldig. Die Zukunft ist einfach die Bahn. Da braucht man Entscheidungen und politischen Willen. Und Stehvermögen“, sagt der Schweizer. 2041 soll alles schon fertig sein. Da bin ich erst 84.
Köln-London in vier Stunden
Wenns schon keinen Paris-Moskau-Express gibt, locken die Eurotunnel-Betreiber nun Köln an ihre Nadel. Schon Mitterand soll 1994 davon geträumt haben. Nun sei es an der DB Netze “sich zu positionieren”. Zwei Millionen Fahrgäste seien angepeilt. Mit Firefox kommen sie noch FAZ-paywallfrei daran: “Eurotunnel-Betreiber trommelt: Neue Hoffnung auf Schnellzug London–Köln – Die Idee eines Schnellzugs zwischen London und Köln ist so alt wie der Tunnel zwischen England und Frankreich. Nun könnte Bewegung in das Projekt kommen.” Eine Jahresangabe fehlt.
Polnische Bahn-Gegenwart
Ashley Belanger/Ars Technica/heise: “Mysteriöse Ausfälle: Hersteller blockiert Züge bei Reparatur durch Dritte – Hacker untersuchten Software von ausfallenden Zügen in Polen. Sie entdeckten, wie die Züge laut der Hacker ‘absichtlich’ durch den Hersteller lahmgelegt wurden.” An dieser Story gibt es nur eins, was mich überrascht: warum steht “der Russe” nicht unter Verdacht? Noch nicht einmal in Polen?
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