Fussball und Bahn lassen den Zustand der Republik erahnen / Wundersame Bahn CLXXIX

mit Update nachmittags: Europas Systeme

Kurzschlüssige Parallelen zwischen Fussball und Politik liegen mir fern. Dass beides aber in gesellschaftlichem Zusammenhang steht, leugnet niemand mehr. Seit dem korrupt gekauften “Sommermärchen 2006” sucht die Politik die Nähe zur Spieler*innen-Kabine, weil sie dort die grösste Medienaufmerksamkeit erhofft. Umgekehrt sucht die Sportlobby, wie jede Andere, die Protektion und Subvention durch die Politik. Also ist unsere bürgerliche Aufmerksamkeit auf dieses nur gelegentlich verdauliche Gebräu geboten.

Und eine fachliche Bilanz ist dabei hilfreich. In der FR ziehen die Herren Hellmann für das DFB-Frauenteam und Müller für das der Männer sachkundige Bilanz. Die Anekdötchen Müllers über das Agieren des DFB-Chefs Neuendorf – erinnern die Sie etwa nicht an die von seinem Parteigenossen Scholz geführte “Ampel”? Und ist der dabei zutagetretende Provinzialismus etwa nicht ein Kern des Problems?

Bemerkenswert auch der Blick dieser Experten auf den Rest der Welt, wie er ausgerechnet von Loddar Matthäus repräsentiert wird: Julian Hilgers/DLF: Wie Lothar Matthäus mit jungen Spielern aus Ghana Geld verdienen will – Im Mai wurde bekannt, dass Lothar Matthäus bei den Accra Lions in Ghana als Investor einsteigt. Das Ziel: Junge Talente aus Ghana nach Europa bringen. Matthäus spricht von einem ‘Businessmodell’. Ein Geschäft, das Fragen aufwirft.”

Und von der deutschen Öffentlichkeit fast unbemerkt, aber nicht von Thomas Kistner/SZ(dort nur eingemauert)/DLF, ein Putschversuch, der Olaf Scholz gewiss nicht amüsiert, aber die grosse Not seines französischen Kollegen Macron offenbar macht: Kein Fifa-Umzug nach Paris: ‘Macron nicht der Napoleon des Weltsports’ – Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wollte die FIFA mit Steuervorteilen nach Paris locken. Die Justiz hat das verhindert. Dass Macron und FIFA-Präsident Gianni Infantino enge Kontakte pflegen, sei kein Zufall, so Journalist Thomas Kistner im Dlf”.

In der FAZ-Paywall wird derweil rauf und runter spekuliert, warum die Herren Macron und Scholz so ungern miteinander Umgang haben. Eine Tatsache, an der nicht nur Mafiosi wie Infantino, sondern auch Biden, Trump, Putin und Jinping ihre Freude haben. Ich kann mich an Zeiten erinnern, in denen das Politikmachen sich von charakterlichen Mängeln Einzelner nicht aufhalten liess …

Stilllegungen der Wundersamen Bahn

Aber damals fuhr die Bahn auch noch während stattfindender Bauarbeiten. Damit ist es vorbei. Der Bahn-PR muss mann immerhin lassen, dass sie die bereits bekannten kommenden Katastrophen frühzeitig kommuniziert. Die problematische Rheintalstrecke ist seit Jahrzehnten bekannt – jedenfalls in der Schweiz – und seit der Rastatt-Katastrophe auch hierzulande. Das führt in diesem Jahr erstmal zur Stilllegung.

2027 wird der grösste deutsche Ballungsraum, das Ruhrgebiet von der Aussenwelt abgeschnitten.

Doch schon vorher, im 2. Halbjahr 2026 sind wir in Beuel dran. Von Troisdorf bis Koblenz fährt dann nichts mehr. Als erste Dosis erhalten wir schon seit längerem das “Digitale Stellwerk Köln”, das bereits seit Jahren immer mal wochen- oder monatsweise die Pendler*innen unserer Region mit Ausfällen, Umleitungen etc. quält. Wenn ich unsere Erfahrungen mit dem S13-Bau hochrechne, dürfte das den Rest unseres Jahrhunderts ausfüllen.

Ist das System Deutsche Bahn AG heilbar? Zweifel überwiegen.

Update nachmittags Europäische Systeme

Die SPD(-nahen)-Genoss*inn*en vom IPG-Journal haben schon wieder seriöse Redaktionsarbeit geleistet und folgende durchweg lesenswerte Analysen ins Deutsche übersetzt und online gestellt.

Nina L. Khrushcheva: Bitterer Reality-Check – Während Putin bereit ist, alles in den Krieg zu werfen, nimmt die Entschlossenheit der westlichen Unterstützer der Ukraine ab.”

Daria Boll-Palievskaya: ‘Wir leben in der Hölle’ – Hunderttausende Russen wurden für den Ukraine-Krieg eingezogen. In der Heimat wächst der Unmut der Frauen: Kann der Protest Putin gefährlich werden?”

Marcel Fratzscher: Country first? – Deutschland und Frankreich liefern sich einen Subventionswettkampf zur Unterstützung der heimischen Wirtschaft. Den Schaden trägt die EU.” In etlichen Einzelheiten würde ich Fratzscher widersprechen. Sein Hauptbefund trifft aber, wie oben schon ausgeführt, zu: die deutsch-französische Achse ist schwer beschädigt. Dies sehenden Auges zuzulassen oder gar dazu beizutragen, ist aus deutscher Sicht an strategischer Blindheit nicht zu toppen.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net