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Schicksalhaft

Das Handelsblatt prophezeite einst, dass „2023 für den Westen zum Schicksalsjahr“ wird. Und in Verschwörungskreisen hieß es, dass beim Wirtschaftsforum in Davos in Hinterzim-mern über das Schicksal der Welt entschieden werde. Ohne Rücksicht auf demokratische Strukturen und Prozesse. In der Tat treffen sich dort jährlich die Mächtigen und Reichen dieser Welt, um sich über aktuelle und wichtige globale Themen auszutauschen. Doch bestimmen sie wirklich über unser Schicksal?

Wie kann das überhaupt vor sich gehen, wenn Dritte über unser Schicksal entscheiden? Was ist überhaupt das Schicksal? Kann man es beschreiben, beeinflussen und gestalten? Kann man das Schicksal vielleicht sogar sehen oder treffen, fühlen oder hören? Kann man es herausfordern und ihm die Meinung sagen? Wie oft habe ich das Schicksal schon verflucht. Nicht mein persönliches, da bin ich ganz zufrieden. Aber das Schicksal der vielen Menschen, die unverschuldet Armut und Elend, Verfolgung und Gewalt erleiden müssen.

Das Thema beschäftigte mich. Schließlich verfolgte es mich sogar in meinen Träumen. Dort tauchte das Schicksal plötzlich persönlich auf. Zumindest nannte es sich so. Eine ausgesprochen unauffällige Erscheinung, ohne irgendein besonderes Merkmal. Kaum war es wieder verschwunden, erlosch jede Erinnerung daran, wie es aussah. Aber das musste wohl so sein. Angesichts seiner Unberechenbarkeit und Willkürlichkeit konnte das Schicksal nur einen unklaren und schemenhaften Eindruck hinterlassen.

Offenbar existierte also ein Schicksal. Aber gibt es nur ein einziges Schicksal, das allen Menschen ihre angenehmen und erfolgreichen, traurigen und enttäuschenden Erlebnisse und Erfahrungen bereitet? Oder hat jeder Mensch ein eigenes Schicksal, das sich nur um ihn kümmert und sein Dasein beeinflusst? Stimmt es wirklich, dass der Ablauf des Lebens nicht das Ergebnis menschlichen Wollens und Handelns ist, sondern von irgendwelchen externen Kräften vorgegeben wird? Dem würde ich mich nicht fügen wollen. Ich will mein Schicksal in die eigene Hand nehmen. Meine persönlichen Vorstellungen, mein freier Wille sollen maßgebend sein. Und nicht eine fremde Macht, deren Denken und Tun undurchschaubar sind.

Daher suchte ich das Gespräch mit dem Schicksal. Ich wollte meine Schicksalsfragen stellen. Ich wollte erfahren, nach welchen Maßstäben das Schicksal entscheidet. Ob seine Umtriebe vorab festgelegt und unumkehrbar sind. Welchen Handlungsspielraum es bei seinen Eingriffen hat. Ob es nach eigenem Ermessen vorgehen kann. Oder ob womöglich der Zufall oder das Los entscheiden. Schreibt gar eine unbekannte Macht dem Schicksal seine Handlungen vor? Wer hat letztlich das Sagen, wer spielt Schicksal?

Vor allem aber wollte ich etwas über meine Zukunft wissen. Das Schicksal gab jedoch keinerlei Auskunft. Auf solche Fragen dürfe es nicht antworten. Für die Zukunft sei es nicht zuständig. Statt dessen betonte es, dass das Schicksal es ohnehin schon gut mit mir mei-ne. Als einziger Mensch dürfe ich mein Schicksal persönlich kennen lernen und mit ihm sprechen.

Ich beschloss, mein Schicksal herauszufordern. Ich bot ihm eine Wette an: Ich würde so lange alle Schicksalsschläge klaglos ertragen, bis der Vorrat daran erschöpft sei. Wenn mir dies gelänge, müsste das Schicksal mir meine Fragen beantworten. Ansonsten würde ich mich meinem Schicksal ergeben. Das Schicksal lehnte die Wette ab. Sein Bestand an Schicksalsschlägen sei so groß und so vielfältig, dass ich keine Chance hätte. Das sei eben die Macht des Schicksals.

Über Heiner Jüttner:

Der Autor war von 1972 bis 1982 FDP-Mitglied, 1980 Bundestagskandidat, 1981-1982 Vorsitzender in Aachen, 1982-1983 Landesvorsitzender der Liberalen Demokraten NRW, 1984 bis 1991 Ratsmitglied der Grünen in Aachen, 1991-98 Beigeordneter der Stadt Aachen. 1999–2007 kaufmännischer Geschäftsführer der Wassergewinnungs- und -aufbereitungsgesellschaft Nordeifel, die die Stadt Aachen und den Kreis Aachen mit Trinkwasser beliefert.

Ein Kommentar

  1. Rainer Bohnet

    Mir ist das Schicksal mehrfach begegnet. Das war oftmals nicht erfreulich, zumal ich es nicht beeinflussen konnte. Nachdem ich ihm sagte: “Leck mich am Arsch”, machte es sich aus dem Staub. Es kam allerdings wieder. Dann beschloss ich, ausschließlich seine positiven Seiten zu akzeptieren. Das war bisher nur ein einseitiges Angebot.

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