Optimismus-Indizien – und meine Zweifel

Der Deutschlandfunk kann es doch noch: Manuskripte online stellen. Dieser – in Beuel zumindest – Bilderbuchsonntag hätte nicht besser beginnen können, als mit Ulrich Bröckling: Politiken der Apokalypse – Was haben die Kriegsführung von Wladimir Putin in der Ukraine und die Aktionen von Klimaaktivisten gemeinsam? Das Handeln des russischen Machthabers ist wie die Ideenwelt der Bewegung gegen den Klimawandel imprägniert von der Logik des Untergangs.” Dieser Teaser des Senders ist abschreckender, als es der Inhalt des Textes begründet.

Tatsächlich wird politisch mit Apokalypse hantiert. Die Rechten sehnen sie herbei, Linke und Klimaaktivist*inn*en wollen sie verhindern. Mehr Gegensatz geht nicht. Der Autor wägt dieses Hantieren ab, und gibt sehr konstruktive Hinweise für die gedankliche Verarbeitung. Intellektuell eine Wohltat. Und sehr, sehr selten in der real existierenden Medienwelt.

Eine noch bessere Nachricht überbrachte Joshua Curry/Berliner Zeitung: 11 Gründe, warum Donald Trump die US-Wahl verliert – Viele Politiker in Deutschland fürchten sich vor einem Comeback von Donald Trump. Unser Autor gibt Entwarnung. Trump sei bei der Präsidentschaftswahl chancenlos. Hier die 11 Gründe dafür.” Das KO-Argument verbirgt sich in Punkt 7: “Das wird die Leute einfach langweilen.” Das stimmt zweifellos für Autor Curry, in Berlin ansässig, und mich in Beuel. Meine Informationen aus den USA bestätigen diese Feststellung leider nicht – weder für die irren Wähler*innen noch für die nicht minder irren Medien. Wie gerne würde ich es glauben …

Andreas Müller-Lescano/taz, Hochschullehrer in Kassel, feuert den Widerstand gegen die AfD an: AfD-Verbot und Grundrechtsverwirkung: Mit Transparenz gegen rechts – Juristische Schritte gegen die Rechtsextremen sind notwendig, ihre Risiken überschaubar. Sie könnten die Demokratie resilient gegen rechts machen.” Auch ihm würde ich gerne folgen, wenn da nicht diese notwendige Bedingung wäre: “Voraussetzung für solch einen ‘Erfolg ohne Obsiegen’, wie es in der Prozessführungspraxis oft im Anschluss an das 2004 erschienene Buch ‘Success without Victory’ des US-amerikanischen Verfassungsjuristen Jules Lobel formuliert wird, ist freilich eine das Verfahren begleitende, professionelle Öffentlichkeitsarbeit.” (Fettschrift von mir). Der Autor setzt also, wie einen Blinddarm, eine Voraussetzung ans Ende seines Textes, wie es mir unlängst schon bei Albrecht von Lucke/Blätter aufgefallen war, die schlicht von der Regierungswirklichkeit nicht erfüllt wird. Schade eigentlich.

Näher bin ich bei Peter Nowak/telepolis, der am Ende seine jüngsten Textes feststellt: “In Zeiten des Rechtsrucks braucht es eine gesellschaftliche Linke, die sich Gedanken über Konzepte der solidarischen Einwanderung in den Arbeitsmarkt macht – was gerade in Zeiten des Arbeitskräftemangels aktuell ist. Das wäre jedenfalls vielversprechender, als immer neue Verbotsdebatten in die Öffentlichkeit zu tragen und damit autoritäre Staatlichkeit zu fördern.” Sein Text titelt so: AfD und Rechtsrutsch: Repression oder Rezepte? – Statt immer neuer Verbotsdebatten: Was hilft gegen die Rechtsentwicklung? Gewerkschaftsarbeit als Schlüssel.” Really? Und das ist nicht nur eine Projektion? Auch das würde ich gerne hoffen und glauben …

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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