Für eine adäquate zeitgenössische Kenntnisnahme der Medienfigur Marilyn Monroe (1926-62) war ich zu spät geboren (1957). Für mich als Kind und Jugendlicher war sie eine Figur des Gestern. Und eindeutig überzogen aufgetakelt von der Industrie, für die sie arbeitete. Ich mochte mehr Echtes, und Stärkeres. In letzterem täuschte ich mich in ihr. Das merkte ich erst viel später.
Arte zeigte vorgestern eine Dokumentation von Michèle Dominici von 2021: “Marilyn – Made in Hollywood – Aus Norma Jean Baker wird Marilyn Monroe. Im Amerika der 40er Jahre ist das Pin-up-Girl das Vorbild für Frauen – eine Mischung aus Sexbombe und Mädchen von nebenan. Sie wird von Regisseuren in die Rolle des Sexsymbols gedrängt. Dabei verwandelt sich Marilyn immer mehr in eine Kunstfigur, die sie selbst als Kreatur bezeichnet. Marilyn Monroe mit eigenen Worten über ihr Leben.” Verfügbar bis 13.6.
Der Film macht gar nicht erst den Versuch einer Biografie (52min), sondern setzt den Schwerpunkt auf den komplizierten Start ihrer Karriere. Heute wissen wir von #metoo – damals war das für Frauen auf der ganzen Welt die pure Hölle. Die stärksten Passagen dieses Films sind die zahlreichen ausführlichen Zitate von Mrs. Monroe selbst. Sie weisen sie als kühle Expertin der Machtverhältnisse aus, die sie selbst nicht würde umstürzen, aber zugunsten von sich selbst und anderer Frauen verschieben könne. Eine Pionierin des Feminismus – von dem seinerzeit noch niemand wusste.
Die politischen Indienstnahmeversuche waren bei Mrs. Monroe notorisch, wie auch wenige Jahre später bei Jean Seberg (1938-1979). Existenzieller Stress, der ein schönes Leben – ob mit oder ohne Geld – nahezu unmöglich macht: die Stressoren tauschen immer dann auf, wenn frau sie am wenigsten gebrauchen kann. Die Schönsten und Besten starben früh (nicht nur in der Musik). Selbst die robuster wirkende Simone Signoret, die ähnlich wie Senta Berger hierzulande kein politisches Enagement ausgelassen hatte, hielt nicht viel länger durch: 1921-1985. Kein Rollenvorbild, aber Anlass für Trauer und Respekt.
Inge Meysel, die “Mutter der Nation” der West-BRD, entsprach im wahren Leben so wenig ihrem Schauspielklischee wie Mrs. Monroe. Zwei Weltkriege plus eine politische Jugend bei den Jungdemokraten hatten sie robust und leidensfähig gemacht. Sie starb 2004 mit 94 Jahren als grosszügige Mäzenin junger linker Politikerinnen, ohne darum den heute typischen PR-Wind zu machen.
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