Ob es Xi Jinping amüsiert? Oder ist er klug genug, die Gefahren für die Welt zu erkennen, die absteigende Mächte mit sich führen? Diese Mächte sind die USA und die BRD, letztere die dominante Führungsmacht der EU, aber zu ihrem eigenen Leidwesen ohne Atomwaffen. Ich wende mich zuerst den USA zu. Das dortige politische System ist sperrangelweit offen für Einflussnahme durch die Inhaber*innen ökonomischer Macht. Das ist mittlerweile nah an seiner Selbstzerstörung. Dass dort einige ernsthaft diskutieren, dass das Russland schuld sei, zeigt nur, wie weit unten sie schon sind.
Den desolaten Stand des US-Wahlkampfes berichtet Leon Gerleit/telepolis: “Joe Bidens Michigan-Problem: Weckruf für eine wankende Kampagne gegen Trump – US-Wahlkampf: Der Krieg in Gaza könnte Bidens zweite Amtszeit kosten. Warum die Demokraten nicht überzeugen.”
Auch in meiner Umgebung wird der Trump-Begriff “Sleepy Joe” kultiviert. US-Freunde zittern täglich vor dem TV, ob ihr amtierender Präsident einen erneuten Stolperer vor laufender Kamera “hinlegt”. Es spricht dafür, dass Trump weniger doof ist, als alle denken, sondern was von Agendasetting, Sprach- und Begriffspolitik versteht. Doch als Präsident wäre er eine frei flottierende Kanonenkugel, worauf Dirk Hautkapp/WAZ mit der nötigen Deutlichkeit, aber online bei der WAZ gut versteckt, hinweist: “Trump macht plötzlich wirre Fehler – ‘Er lässt geistig nach'”.
Was wäre die Alternative? Es gibt keine. Rationale Neocons würden eher mehr als weniger Krieg führen, als die zur Wahl stehenden Greise. Xi Jinping, Wladimir Putin oder Mohammed Bin Salman könnten so gesehen spekulieren, dass sie mit den Greisen besser Schlitten fahren können. Entscheidend aber ist: die Mehrheit des “guten Amerika” (gemeint jedoch nur die USA) wendet sich mit Grausen ab, und lässt jede Hoffnung fahren, durch Wählen ihre Gesellschaft retten und verbessern zu können.
Und bei uns?
Michel Friedman ist eine gewöhnungsbedürftige polarisierende Persönlichkeit. Ich selbst bin von seiner demonstrativen Eitelkeit abgeschreckt, liebe aber seine Vorliebe für deutliche Aussprache. Sie kippt fast nie in Geschwätzigkeit um, weil er schneller denkt, als redet – in seinem Fall eine grosse Kunst. Er gab der FAZ (Bertram Eisenhauer) ein langes, lesenswerte Interview, das mit meinem Firefox-Browser nicht digital eingemauert war: “‘Judenhass ist keine Erfindung der Deutschen – aber Auschwitz ist es’ – Michel Friedman ist Jurist, Publizist und Autor. Im Interview spricht er über die Ambivalenz von Oskar Schindler, über Judenhass in Deutschland – und darüber, was er tun würde, wenn die AfD in der Bundesregierung wäre.” Friedman lässt am Ende offen, wohin er im AfD-Fall des Falles auswandern würde. Meine diesbezüglichen Überlegungen blieben bislang ergebnislos. Ruanda vielleicht, die Deportation vorwegnehmend?
Nicht zum ersten Mal empfehle ich zu diesem Thema Lutz Heuken, ein Jahr älter und Rentner wie ich. Er war schon Ressortleiter Ausland der WAZ, als diese für mich überraschend 1999 Stellung gegen den Jugoslawien-Feldzug der Nato bezog, den der damalige Bundeskanzler Schröder später selbst als “völkerrechtswidrig” bezeichnete. Dass Rot-Grün seinerzeit trotzdem mitzog, war mit der klassisch-deutschen Missachtung der UNO verbunden, die heute in anderem Zusammenhang erneut virulent ist. Zurück zu Heuken. Als Pensionär schreibt er im “Blog der Republik”: “Wie weiter im Kampf gegen die AfD? – Im Kampf gegen die AfD helfen werbende Diskussionen mit den fanatisierten Anhängern der Partei nicht weiter. Gegen die Rechtsextremisten hilft einzig: klare Kante.” Diesen Text könnte ich unterschreiben. Der hat mir intellektuell gutgetan.
Schreibe einen Kommentar