Beueler-Extradienst

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Medien-Missverständnis

Wer die Gefahr nicht erkennt, kann die Demokratie nicht retten

Vielversprechend der Titel, enttäuschend der Inhalt: Albrecht v. Luckes/Blätter “Gegen Ampel und AfD: Die mobilisierte Republik”. Denn er kniet sich, typisch fürs Hauptstadtghetto, tief ziselierend in Regierungs- und Parteienhandeln rein, versteht aber, ebenso wie die, nur wenig von der real existierenden Bewegung. Interessiert das überhaupt? Auf diese Frage brachte mich Stefan Niggemeier/uebermedien: “Werden ‘Tagesschau’ und ‘Heute’ der Größe der Demos gegen Rechts gerecht?”

Niggemeier ist Zeit seines Lebens ein führender kritischer Medienjournalist. Seiner abwägenden Gedankenführung kann ich weitgehend folgen. Es fehlt jedoch eine wichtige Perspektive, und zwar in den öffentlichen Medienanstalten noch viel mehr als bei ihm. Die gegenwärtigen Massendemonstrationen wollen die Demokratie gegen ihre Gefährdung von Rechts verteidigen. Sie gehen auf die Strasse, weil die demokratischen Parteien, die dafür bei Wahlen damit beauftragt wurden, diese ihnen obliegende Arbeit ungenügend machen. Dieses Versagen verbindet die Parteien mit den uns, der Öffentlichkeit, gehörenden Medienanstalten.

Sollte die AfD an Regierungsmacht gelangen, wird die Demontage und Vernichtung pluralistischer demokratischer – öffentlicher – Medien zu ihren ersten administrativen Handlungen gehören. Über den MDR wird das bereits rauf und runter spekuliert. Ein aus Neuwied nach Thüringen migrierter Faschist will der Täter werden. Der MDR ist den meisten Wessis zwar egal – aber das ist schon Teil des Problems. Von rechten Konzernmedien werden die Rechten regelrecht dazu angestachelt. In den Führungsetagen der anderen Anstalten hat offenbar noch niemand diese Gefahr überhaupt bemerkt. Sie sind die Nächsten!

Was läge also näher, sich mit der aktuellen demokratischen Bewegung zu verbinden? Ich bin, ganz im Sinne Niggemeiers, nicht der Meinung, dass die “Tagesschau” und “heute” deswegen auf Aktivismus umschalten müssen. Aber die Sender, ihre Mitarbeiter*innen, die dafür wiederum von ihren Chefs nicht feige in den Regen gestellt werden dürfen, sondern rückgratstabilisierenden Rückenwind benötigen, eine Programmgestaltung (Agendasetting!), die der Krise Rechnung trägt, demokratieverteidigende kämpferische Medienpartnerschaften. Wäre das alles zuviel verlangt?

Ich fürchte: Ja. Und das ist ein Kern des aktuellen Demokratieproblems: die, die noch Macht haben, glauben sie durch Ranschmeisse besser retten zu können, als durch gedankliche und politische Klarheit, oder wie Lutz Heuken es so rustikal formulierte: “Klare Kante”. Sie verrechnen sich brutal. Es wird nicht ihrer, sondern unser aller Schaden sein. Das ist nicht hinnehmbar.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net

3 Kommentare

  1. W Nissing

    vielleicht ist das ja gar kein Missverständnis sondern Kalkül. So langsam scheint ja diese Inszenierung von Rechtem geschwurbel ( was ja natürlich mit anderem Wörding) bei Lichte betrachtet gängige Regierungspolitik ist (bin ich mit dieser Aussage jetzt schon Deligitimateur? und verstoße damit gegen das neue GuteMeinungsgesetz der EU) sie hier: https://lostineu.eu/de-migration-bruessel-ist-nicht-so-zimperlich/
    Ich will diesen Mitbürgern (bei nicht wenigen würde ich nach eigener Erfahrung auch eher von Mitläufern reden) ja nicht den guten Willen absprechen. Wenn man sich aber so die Pappen anschaut wo doch leider oft das Wort “Hass” verwendet wurde, beschleichen mich die Zweifel ob ihrer fundamentalen demokratischen Gesinnung.
    Wenn ich dann in meinem realen Umfeld auf dieses “GuteMeinungsGesetz” zu sprechen komme, ernte ich totales Unverständnis/Unwissen bzw hier und da sogar Verständnis und an dem Punkt wird mir Angst und Bange.
    In der Summe haben die ÖRs also hier (ob mit Kalkül oder was weis ich) die Stimmung in der Bevölkerung recht gut abgebildet( Die Mehrheit hat nämlich andere Sorgen als dieses Empörtengehabe nämlich das “Monatsende”)

  2. w nissing

    “Wer nicht bündnisfähig ist, wird nie vorankommen” …… sehe ich da ein Blinzeln Richtung BSW 🙂 Klar hat Volkan recht, logo muß man auch “unterinformierte” akzeptieren und respektieren, das gebietet das menschliche Miteinander.
    “Sollte die AfD an Regierungsmacht gelangen, wird die Demontage und Vernichtung pluralistischer demokratischer – öffentlicher – Medien zu ihren ersten administrativen Handlungen gehören.” genau und deshalb muß das Meinungsspektrum soweit wie möglich offenbleiben, bzw geschützt werden. Natürlich sind auch verbale Angriffe oft sehr individuell verletzend, aber unser Recht hat dort mit der physischen Komponente imho eine gute Grenzziehung.
    Frage: bleiben dann die Leitplanken (Rundfunkräte etc) stabil, haben die Institutionen soviel cujones?? und sind die überhaupt noch pluralistisch? Ist eine Sendung wie z.B. Lanz nicht eher eine Blaupause für den Zustand? statt eine “TuttiFrutti” für das “Bildungsbürgertum”….
    so what

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