Die Union sollte sich nicht zu sehr auf die Merz/Linnemann/Rödder-Spur locken lassen

Vor kurzem verkündete der rechtskonservative Historiker Andreas Rödder in der FAZ „Das Ende der grünen Hegemonie“. Der Mann war einmal Chef der CDU-Grundsatzkommission, bis er für eine Zusammenarbeit der Union mit der AfD eintrat und zurücktreten musste – immerhin.

In den neuen „Blättern für deutsche und internationale Politik“ antworte ich auf Rödder mit der These, dass die Grünen für ihn mehr nur der Prügelknabe sind. Eigentlich geht es ihm darum, einen Rechtsruck innerhalb der Union voranzutreiben und Stimmung gegen den nachdenklicheren und liberaleren Parteiflügel zu machen – nämlich gegen die sogenannten Schwarz-Grünen um Merkel, Wüst und Günther.

Das Vehikel, das Rödder benutzt, ist eine Kritik am Postmodernismus, dem die Grünen total verfallen sein sollen. Dieser grüne Postmodernismus soll derart hegemonial gewesen sein, dass er auch alle großen Fehler der Großen Koalitionen zwischen 2005-2021 verursacht haben soll. Strange! Das ist schon ein wirklich befremdlicher Gedanke, auch deswegen, weil die Zeichenwelten der Postmodernen ja nicht unbedingt viel mit dem grünen Hauptthema, der Ökologie, zu tun haben. Die Anliegen der Ökologie sind eher ein Gegenimpuls zu jenem Teil des Postmodernismus, der tatsächlich etwas weltentrückt und ohne viel Praxisrelevanz dem dekonstruktivistischen Handwerk nachgeht.

Meine zweite These lautet deshalb: Nicht die Grünen sind die „Postmodernen“ in der Politik, sondern weit eher die Konservativen! Ihr Regierungstil hatte postmoderne Anmutungen. Und sie sind regelrecht waidwund geschossen von der postmodernen Dekonstruktion ihrer vermeintlich ehernen „Konservativen Werte“. Ihre an Carl Schmitt gemahnende Antwort darauf lautet: Erst mal einen Feind/Hauptgegner ausdeuten („Die Grünen“), um sich von dort dann mit vermeintlich „konservativen“ Projekten zu munitionieren: Ja zur Atomkraft, weg mit dem Verbrennerverbot, außerdem natürlich „Genderverbot“ an den deutschen Hochschulen usw.

Man kann nur hoffen, dass die Vernünftigen in der Union, von denen es viele gibt (!), sich nicht zu sehr auf die Merz/Linnemann/Rödder-Spur locken lassen.

Mehr zum Autor hier.

Über Reinhard Olschanski / Gastautor:

Geboren 1960, Studium der Philosophie, Musik, Politik und Germanistik in Berlin, Frankfurt und Urbino (Italien). Promotion zum Dr. phil. bei Axel Honneth. Diverse Lehrtätigkeiten. Langjährige Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Referent im Bundestag, im Landtag NRW und im Staatsministerium Baden-Württemberg. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Politik, Philosophie, Musik und Kultur. Mehr über und von Reinhard Olschanski finden sie auf seiner Homepage.