Beueler-Extradienst

Meldungen und Meinungen aus Beuel und der Welt

In Löhne umsteigen

Wundersame Bahn CLXXXIV

Eigentlich wollte ich ja nach Osnabrück. Da aber dort der Zeichenkurs schon morgens um 8.30 h beginnen sollte, reiste ich lieber am Tag vorher an. Als Rentner, ausgerüstet mit dem Deutschland-Ticket, ist das alles kein Problem. Ich kenne ja die Bahn und war trotzdem felsenfest davon überzeugt, dass die Bahn es schafft, die Distanz von Bonn bis Osnabrück (Fahrzeit mit dem Nahverkehr rund 4 Stunden) an nur einem Tag zu überwinden. Ich sollte Recht behalten. Zeitlich möglich war sogar noch ein Abstecher nach Herford, wo es seit 2005 ein großartiges Museum gibt, bei dem bereits die Außenansicht eine Reise lohnt.

Das Gebäude wurde vom Architekten Frank Gehry entworfen. Zwar befanden sich die großen Säle gerade im Umbau für die kommenden Ausstellungen, aber auch das, was zu sehen war, lohnte den Besuch. “Annem isci” zu deutsch: “Meine Mutter ist eine Arbeiterin” heißt der Blick in jüngere Vergangenheit, auf die ersten Arbeiterinnen aus der Türkei, die Anfang der 60ziger Jahre nach Deutschland kamen. Der deutsche Ausstellungstitel lautet “Wer näht die roten Fahnen” und öffnet die linke, progressive Sichtweise auf das Thema. Zu sehen sind Erinnerungsfotos von Arbeiterinnen, Gemälde, die Arbeiterinnen zeigen und Objekte aus dem Arbeitsleben.

Kurator war Gürsoy Dogtas. Deutschlandfunk Kultur hat über die Ausstellung gut informiert.

Der Stopp in Herford und die fünf Minuten Gehweg zum Marta haben sich auch dieses Mal wieder gelohnt. Immer wenn ich in Richtung Bielefeld, Osnabrück reise, ist ein Besuch im Marta fest eingeplant. Um von Herford nach Osnabrück zu kommen, mußte ich in Löhne umsteigen.

Im Bahnhof überraschten mich Bilder von Jugendlichen, die brav auf Holzunterlagen gesprayt an den Innenwänden des großzügigen Bahnhofgebäudes hängen und die viele Hinweise auf die Projekte des Vereins “Löhne umsteigen e.V.”. Der Name geht zurück auf eine Sequenz im Anti-Kriegsfilm-Klassiker “Im Westen nichts Neues” des im benachbarten Osnabrück geborenen Erich Maria Remarque.

Die Mitglieder des Vereins Löhne umsteigen e. V. haben bereits Einiges geschaffen. Die großzügigen Warteräume stehen als Bistro stundenweise den zahlreichen “Bahn-Umsteigern” zur Verfügung und in der ehemaligen Wartehalle finden kulturelle Veranstaltungen statt. Demnächst soll der Bahnhof, den die DB jahrelang verrotten ließ, vollständig renoviert und zu einem “zentralen Identifikationspunkt für Löhne ausgebaut, als Sozialraum/Treffpunkt/Ort der sozialen Integration und als Beispiel für nachhaltiges und ökologisches Handeln sowie für fairen und regionalen Handel. Es gab eine Zwischennutzung, einen kapitalkräftigen Menschen, der das Gebäude vor dem vollständigen Verfall rettete, von der Deutschen Bahn gekauft hatte, und so weit wieder in Stand setzte, dass er gefahrlos begehbar und zumindest provisorisch bespielbar war.

Ich werde künftig nun außer in Herford, auch wenn es vom Fahrplan her nicht nötig wäre, zusätzlich in “Löhne umsteigen”.

Über Osnabrück und die dort vorbildliche Förderung auch der bildenden Künstler werde ich hier später berichten.

Ein Kommentar

  1. Elisabeth Lumme

    Kulturentdeckungen mit neugiereigem Blick aus der Perspektive eines Bahnreisenden, mal eine richtig gute Herangehensweise! Dazu Gratisanregungen und Empfehlungen, wunderbar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

© 2024 Beueler-Extradienst | Impressum | Datenschutz

Theme von Anders NorénHoch ↑