2.900.000.000 Miese – und weiter unten Wichtigeres

Kinder der Gegenwart kennen nur einen deutschen Fussballmeister (der Jungs): den Konzern aus dem süddeutschen Raum, mit einem angeblichen Marktwert von knapp 1 Mrd. €. Der deutsche Meister dieses Jahres ist (noch) gut halb so viel wert: die Betriebsmannschaft von Bayermonsanto. Die wird in Deutschland noch weniger gemocht. Trotz guter sportlicher Leistungen waren nur zwei Drittel ihrer Heimspiele in einem klitzekleinen Stadion überhaupt ausverkauft.

Über das Stadion können Borussia Mönchengladbach und der 1. FC Köln, ja sogar die Fortuna aus Döseldorf, nur lachen. Im sportlichen Vergleich ist ihnen dieses Lachen leider schnell vergangen. Unbegrenzt Geld plus ein gutes Auge für gute Spieler wurden gleich neben die kaputte Autobahnbrücke zusammengekauft. Florian Wirtz (100 Mio.) war mal beim FC, der schwer erziehbare Granit Xhaka und Jonas Hofmann – dort teuerster Mann – waren schon in Gladbach spitze. Doch das Vergnügen wird nur von kurzer Dauer sein.

Der “Geschäftsführer Sport” von Bayermonsanto wird ebenso von den Oligarchen und Emiren des Weltfussballs angebaggert, wie Meistertrainer Xavi Alonso. Sie werden nicht zu halten sein, wie auch die meisten wertvollen Spieler. Wenn Multimilliardäre baggern – welcher kleine Fussballmillionär kann da widerstehen? Die Zeit des unbegrenzten Kapitals in ihrem Konzern ist zuende. Glyphosat und Monsanto haben ihn erledigt – German Silly Money.

Falls die SZ ihren informativen Text nachträglich eingemauert hat, hier vorsichtshalber die wichtigsten Fakten.

“Seit Monaten wabern Spekulationen, dass der Konzern zerschlagen werden könnte …

… den Konzern schlanker, schneller, produktiver machen … neues Organisationsmodell …

… jährlich Organisationskosten von zwei Milliarden Euro (einsparen) …

… Abbau von Stellen im mittleren Management hinaus, der substanziell sein werde …

… die umsatzstärkste Division, machte vor Steuern und Zinsen 3,5 Milliarden Euro Verlust. Der Umsatz des Konzerns sank um gut sechs Prozent …

… Am Dienstag schloss die Aktie mit 25,96 Euro, 7,6 Prozent schwächer als zu Wochenbeginn. Das ist der niedrigste Wert seit Frühjahr 2005 …

… Bayer hat mehr Verbindlichkeiten, als der Konzern derzeit an der Börse wert ist.

Der Konzern ist im Umbruch.”

Suchen Sie mal die Stelle, die Kapitalinvestoren amüsiert. Ich finde keine. Ist Profifussball in diesem Gefüge dauerhaft eine halbe Milliarde oder mehr wert? Zweifelhaft. Und das sehr.

Ich habe diese Saison mehrere Spiele dieses Teams gesehen. Sie sind zurecht Spitzenreiter. Ihr Fussball ist in Deutschland derzeit der Beste, mit überraschend klarem Abstand. Das spricht für Fachwissen und Intelligenz der sportlichen Führung. Gleichzeitig ist der Konzern eine der berüchtigten “Ausnahmen” von der “50+1”-Regel zugunsten eines mitgliederbestimmten Vereinsfussballs. Darum entsteht zwar Freude über eine unerwartete Abwechslung, aber nicht die Spur einer Sympathiewelle. Welche sollte das bei diesem Konzern auch sein?

Was Sie sonst noch lesen sollten: was ist “nachrichtenrelevant”?

Connor Echols/Responsible Statecraft/telepolis: Würde Trump 2.0 als Hardliner auf der Weltbühne agieren? – Ex-Präsident provoziert mit Aussagen, von Nato, Ukraine bis China. Dabei sind andere Faktoren wichtiger. Über die Macht der US-Berater.” Der Autor kapiert das Funktionieren einer Administration besser, als die meisten deutschen Medien glauben, es ihrem dummen Publikum zumuten zu können. Könnte das bitte jemand denen in Berlin vorlesen?

Marco Cornelos/Brave New Europe/telepolis: Demokratie vs. Autokratie: Letztes Aufbäumen des Westens um globale Dominanz – Mit Freund-Feind-Denken geht es gegen China, Russland, Iran. Das ist gefährlich. Denn der Westen ist zunehmend ohnmächtig auf der Weltbühne.”

Florian Rötzer/overton: Umfrage: Mehrheit der Deutschen lehnt Lieferung von Taurus-Raketen an Ukraine ab – Die Bundesregierung und die Parteien der Ampelkoalition und der CDU/CSU entfernen sich, wenn es um die Ukraine geht, immer weiter weg von der Position der Mehrheit der Bürger.” Ich bin zwar bei der Mehrheit, aber nach “Hurra” ist mir nicht zumute.

Und versäumen Sie nicht den fabelhaften Ladislaus Ludescher/telepolis. Seine Erkenntnisse über deutschsprachige Medienpraxis sind einerseits moralisch blamabel – das hat Cornelos (s.o.) bereits herausgearbeitet. Es ist darüber hinaus die tiefere Ursache für die strategische, von binärem Denken bestimmte Blindheit, mit der die verbliebenen “Demokratien” der Menschheit geradewegs in die Sackgasse rasen … Was Annika Schneider/MDR-Altpapier an (selbst-)kritischer Reflexion aufbringt, ist offenbar das Äusserste im inländischen Medienkarussell. Und offenbar bei ARD-aktuell nicht mehr vertreten.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net