Die Ökosteuer ist 25 Jahre alt. Zwar gab es auch schon vor 1999 Steuern und Abgaben, die ökologische Effekte hatten. Doch das waren nur Nebenwirkungen und nicht der Zweck der Abgaben. Erst das ‘Gesetz zum Einstieg in die ökologische Steuerreform‘, das am 3.3.1999 in Kraft trat, hatte ausdrücklich umweltfreundliches Verhalten zum Ziel.

Das Konzept der Ökosteuern, auch Umweltabgaben genannt, wurde bereits 1983 feder­führend von dem Schweizer Ökonomen Christoph Binswanger entwickelt und propagiert. Vier Ziele sollen Ökosteuern verfolgen: Besteuerung des knappen Gutes Energie mit dem Ziel der Steigerung der Energieeffizienz; Verringerung der Abgabenlast, die auf dem Fak­tor Arbeit liegt; Erwirtschaftung von Einnahmen, zum Beispiel für die soziale Sicherung, Verringerung von Rohstoffimporten durch materialsparende Verfahren.

Traditionell wurden die Kosten der Umweltschädigungen der Allgemeinheit oder künftigen Generationen aufgebürdet. Der Produktionsfaktor Umwelt wurde dadurch künstlich billig gehalten gegenüber den Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital und Boden. Umweltabgaben – aber auch der Abbau umweltschädlicher Subventionen –  können dafür sorgen, dass auch für Umwelt und Natur ein angemessener Preis zu zahlen ist, der in die betriebliche oder private Kalkulation einfließt: Wer Umwelt und Natur zerstört oder verbraucht, zahlt; wer sie bewahrt, gewinnt. 

Ökosteuern waren also 1999 keine Neuigkeit mehr. Viele Fachleute aus Wissenschaft und Politik hatten sich für dieses Instrument stark gemacht. Eine Untersuchung aus dem Jahre 1992 listete für den Zeitraum von 1977 bis 1991 mehr als 100 Vorschläge für Ökosteuern auf und entwickelte für die Grüne Bundestagsfraktion ein eigenes Tableau mit 25 Umwelt­abgaben und einem Jahresaufkommen von 155 Mrd. DM:

Luftschadstoffabgaben auf SO2, Nox und Stäube

Primärenergiesteuern auf Steinkohle, Braunkohle, Erdöl, Erdöl und Atomkraft

Mineralölsteueranhebung

Schwerverkehrsabgabe

Umstellung der Kraftfahrzeugsteuer

Kommunale Nahverkehrsabgabe

Entsorgungsabgabe auf Abfälle und Sondermüll

Verpackungsabgabe

Chemiesteuern auf Blei, Cadmium, Quecksilber, Chlor und Streusalz

Landwirtschaftssteuern auf Pestizide und Stickstoffdünger

Abwasserabgabe

Grundwasserabgabe

Versiegelungsabgabe

Diese Liste dokumentiert die Vielfalt von Belastungen, die mittels Ökosteuern reduziert werden könnten. Das Gesetz von 1999 kann daher nur als Einstieg betrachtet werden. Es beschränkt sich nämlich auf wenige Ansätze, Steuern ökologisch(er) zu gestalten. Das ist insofern bemerkenswert, weil eine Berücksichtigung ökologischer Elemente im Steuersys­tem bislang weitgehend fehlte. Ansonsten war nämlich die Nutzung des Steuerinstrumen­tariums zur Verfolgung politischer Zielsetzungen, z.B. in der Struktur-, Wohnungs- oder Familienpolitik, auch damals keineswegs neu.

Ein großer Wurf war das 1999 beschlossene „Gesetz zum Einstieg in die ökologische Steuerreform“ also nicht, doch der Begriff war nun in der Welt. Abgesehen von der Strom­steuer wurden keine neue Steuern eingeführt. Statt dessen wurden bestehende Steuerge­setze so umgestaltet, dass sie Lenkungswirkung im Sinne des Umweltschutzes entfalten, zum einen durch Erhöhung der Belastungen auf Energieverbrauch bzw. umweltschädli­ches Verhalten, zum anderen durch Vergünstigungen für den Einsatz effizienterer oder emissionssenkender Techniken. Ziel war es laut Gesetzgeber, durch Umweltverbrauch oder -schädigung entstehende externe Kosten zu internalisieren und damit mehr Kostenwahrheit herzustellen.

Als neue Verbrauchssteuer wurde eine Steuer auf Strom aus Kohle, Erdgas, Erdöl und Atomkraft eingeführt. Strom der nur aus regenerativen Energiequellen stammte, war steu­erbefreit; industrielle Großverbraucher, das produzierende Gewerbe, Land- und Forstwirt­schaft sowie die Bahn zahlten einen ermäßigten Steuersatz. Die Mineralölsteuer wurde nach ökologischen Kriterien gestaffelt und in Stufen erhöht; Unternehmen im produzieren­den Gewerbe wurden von der Mineralölsteuer befreit.

Zum Ausgleich wurden die Beitragssätze zur gesetzlichen Rentenversicherung reduziert, um die Belastung des Faktors „Arbeit“ zu mindern. Tatsächlich sanken die Lohnneben­kosten. Ein Teil der Steuereinnahmen wurde zur Förderung der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz verwendet. Eine Erhebung des Umweltbundesamtes ergab, dass 50 % der Befragten wegen der Ökosteuer stärker auf ihren Energieverbrauch achteten. Zudem begünstigte die Ökosteuer innovative, energiesparende Unternehmen und senkte die Lohnnebenkosten jährlich um rund 8 Milliarden Euro.

Mit der ökologischen Steuerreform stiegen die Einnahmen aus umweltbezogenen Steuern in Deutschland zunächst deutlich an. Danach war das Aufkommen jedoch leicht rückläu­fig. Dies lag nicht zuletzt daran, dass die Lenkungswirkung der Reform  erfolgreich war und zu einem sparsameren Verbrauch von Energie und Strom, und damit zu mehr Klimaschutz geführt hat. Das DIW vertritt dagegen die Auffassung, dass die Steuer­sätze zu niedrig gewesen seien, um spürbare Lenkungswirkungen zu erzielen. Auch seien die Steuern nicht an die Inflation angepasst worden. 

Nach Berechnungen des Umweltbundesamts haben sich die umweltbezogenen Steuern von 2005 bis 2021 um knapp 23,3 % erhöht – jedoch stiegen im gleichen Zeitraum die Steuereinnahmen insgesamt um 84,3 %. Somit betrug der Ökosteuer-Anteil am gesam­ten Steueraufkommen 2022 nur noch 7,7 %.

Umweltabgaben können drei konkrete Aufgaben erfüllen: lenken, zuordnen, finanzieren: Lenkungsfunktion heißt, dass ökologisch positive Verhaltensänderungen bei den Abga­bepflichtigen erzielt werden, wenn diese die Abgabe vermeiden oder verringern wollen. Zuordnungsfunktion bedeutet, dass die Abgabe die bislang externen Kosten in gerechter Weise dem Verursacher zuordnet und von ihm einfordert. Finanzierungsfunktion besagt, dass umweltschädliches Verhalten zumindest einen Finanzbeitrag zur Minderung und Be­seitigung von Umweltschäden und zur Schaffung ökologisch verträglicher Alternativen leis­tet.

Ökosteuern haben in der Tat eine technologiefördernde Wirkung. Von ihnen gehen Impul­se für Innovation und Strukturwandel aus. Sie sind ein geeigneter Anreiz zur Internalisie­rung externer Kosten und fördern das Verursacherprinzip bei der Preisgestaltung von Wa­ren, Dienstleistungen und Produktionsverfahren. Es ist daher durchaus im Sinn dieser Ab­gaben, dass die Betriebe ihnen in vielfältiger Form ausweichen, was oftmals einen Tech­nologieschub und einen damit verbundenen Wettbewerbsvorteil bewirkt.

Die Europäische Umweltagentur hat 16 verschiedene europäische Ökosteuern evaluiert und ermittelt, „dass diese Steuern ökologisch wirksam gewesen sind und ihre ökologi­schen Ziele zu vertretbaren Kosten erreicht haben”. Als besonders erfolgreich wurden Steuern auf Schwefeldioxide und Stickoxide in Schweden, Giftmüll in Deutschland und Wasserverschmutzung in den Niederlanden bewertet. Als Kriterien für eine erfolgreiche Umsetzung von Ökosteuern legt die Agentur eine Checkliste mit zwölf  Punkten vor. Als besonders wichtig werden eine sorgfältige Konzeption, die Einbindung in ein Maßnahmenpaket, die schrittweise Einführung und eine umfassende Diskussion und Information genannt.

Wie gezeigt, steht die Erzielung von Einnahmen bei Ökosteuern nicht im Vordergrund. Es geht auch nicht darum, zusätzliche oder künstliche Belastungen für Wirtschaft und Ver­braucher zu schaffen. Die Einnahmen aus Ökosteuern fließen in den allgemeinen Haus­halt. Anders als bei Umwelt-Sonderabgaben gibt es keine Zweckbindung. Allerdings spre­chen gute Gründe dafür, sie für ökologische Zwecke einzusetzen. Erstens ist die Höhe der Einnahmen unsicher und – bei erfolgreicher Lenkungswirkung – wahrscheinlich rückläufig. Mit wachsendem ökologischen Bewusstsein und Verhalten wird das Aufkommen sinken. Deshalb sind Umweltabgaben nicht geeignet, Finanzlücken zu stopfen oder neue Projekte zu starten. Vorrangig müssen sie dem ökologischen Umbau von Wirtschaft und Gesell­schaft und der Förderung umweltverträglicher Produkte, Verfahren und Verhaltensweisen dienen. 

Bei anderen Verwendungszwecken können allzu leicht sachfremde Erwägungen die Aus­gestaltung von Umweltabgaben beeinflussen. Eine (teilweise) Rückgabe der Einnahmen an die Abgabepflichtigen würde dem Verursacherprinzip widersprechen und die Lenkungs­wirkung mindern. Letztlich sind die politische Durchsetzbarkeit und die öffentliche Akzep­tanz von Umweltabgaben umso höher, je nachweislicher die Gelder für konkrete Umwelt­ziele ausgegeben werden.

Für den Zusammenhang, dass Ökosteuern einerseits Umweltverschmutzung und -ver­brauch reduzieren und anderseits Steuereinnahmen erzeugen, die für Umweltschutzmaß­nahmen eingesetzt werden können, wird der Begriff der ‘doppelten Dividende’ verwen­det. Alle Bürger/innen kommen zudem in den Genuss einer „ökologischen Dividende“. Die­se zeigt sich in geringeren Aufwendungen für umweltbedingte Krankheiten, Waldschäden, Gebäudesanierungen, Trinkwasseraufbereitung, Abwasserreinigung, Abfallbeseitigung, Altlastensanierung und andere Umweltschädigungen. 

Ökosteuern sind kein Allheilmittel. Umweltpolitik braucht zunächst ein wirksames, durch­schaubares und vollziehbares Ordnungsrecht, das mit Grenzwerten, Auflagen und Verbo­ten einen verbindlichen Handlungsrahmen absteckt. Weil dieser jedoch oft als technologi­sche Bremse wirkt und weil jeder, der die Vorgaben einhält, Umwelt und Natur kostenlos verbrauchen und verschmutzen darf, müssen die bestehenden Instrumente mit einem sinnvollen System von Umweltabgaben (Steuern und Sonderabgaben) vernetzt werden. Gegenüber dem Ordnungsrecht haben Umweltabgaben den Vorteil, dass sie ein markt­wirtschaftliches Instrument sind, dass der Einzelne in seiner Entscheidung frei bleibt und dass der Kontrollaufwand geringer ist.

Ökosteuern und Ordnungsrecht sind jedoch keineswegs die einzigen Instrumente der staatli­chen Umweltpolitik. Die Bandbreite ist deutlich größer und vielfältiger. Viele Maßnahmen – auch und gerade im Ordnungsrecht – sind wie Ökosteuern mit Kosten verbunden:

~ Ordnungsrecht Verbote, Auflagen, Bedingungen, Anzeigepflichten, Grenzwerte, Strafrecht

~ Wirtschaftliche Anreize Vergünstigungen (Steuerminderungen, offene Subven- tionen, Benutzervorteile)

Belastungen (Steuern, Sonderabgaben, Gebühren, Beiträge, Tarife, Zölle)

Umwelthandel ((Kompensationsregelungen, Zertifikate,

Lizenzen)

Umwelthaftung (Schadensersatz, Pflichtversicherung,

Schadensfonds)

Zwangspfand

Rahmensetzungen Planungen (Raumplanung, Planfeststellung, Umwelt- verträglichkeitsprüfungen, Bürgerbeteiligung)

Absprachen

Unmittelbares Handeln Investitionen und Kooperationen

Beschaffungspolitik

Mittelbares Handeln Aufklärung, Beratung, Forschung

Selbstverpflichtungen

Kontrolle, Vollzug

 

Über Heiner Jüttner:

Der Autor war von 1972 bis 1982 FDP-Mitglied, 1980 Bundestagskandidat, 1981-1982 Vorsitzender in Aachen, 1982-1983 Landesvorsitzender der Liberalen Demokraten NRW, 1984 bis 1991 Ratsmitglied der Grünen in Aachen, 1991-98 Beigeordneter der Stadt Aachen. 1999–2007 kaufmännischer Geschäftsführer der Wassergewinnungs- und -aufbereitungsgesellschaft Nordeifel, die die Stadt Aachen und den Kreis Aachen mit Trinkwasser beliefert.