Gibt es einen bekannten Wissenschaftler in der Bundesrepublik, der Profession und Parteipolitik partout nicht auseinanderhalten kann? Ja, den gibt es. Mit einem Interview der Neuen Zürcher Zeitung am 2. April 2024 (Seite zwei der NZZ: „Das ist ein kommunikatives Desaster“) hat er sich diese Zuschreibung redlich verdient.
Es handelt sich um den Bonner Virologen Professor Hendrik Streeck, der sein Wirkungsfeld weiter ausdehnen will, indem er sich anbötig machte, für die Bonner CDU in der nächsten Wahl zum Deutschen Bundestag zu kandidieren. Wenn er seine Kandidatur (er muss noch von der Bonner CDU gewählt und nominiert werden) ernsthaft betreiben wollte, müsste er sich in Punkto Seriosität freilich enorm steigern.
Seit einiger Zeit kreist eine öffentliche, vor allem parteipolitische Diskussion um die Frage, ob und in welcher Weise die Abläufe während der Corona-Pandemie, die vor etwas mehr als gut vier Jahren begonnen hatte, aufgearbeitet werden sollen. So hat sich beispielsweise FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai so zu Wort gemeldet, ich folge hier dem Ärzteblatt vom 27. März: „Dass auch rationale Kritik an den verhängten Freiheitseinschränkungen oftmals in die Nähe von Coronaleugnern gerückt wurde, hat zur Spaltung unserer Gesellschaft beigetragen.“ Und: „Gerechtfertigte Forderungen nach einem gemäßigten Kurs”, wie sie der heutige Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) gestellt habe, seien diffamiert worden. Der Bundesfinanzminister assistierte sozusagen – ebenfalls im Ärzteblatt wiedergegeben: „Heute wissen wir, dass viele Entscheidungen der früheren Bundesregierung großen sozialen und wirtschaftlichen Schaden angerichtet haben.“
Das sind Ingredienzien, aus denen eine schlimme und neben allem anderen zerreißende Auseinandersetzung angefangen und zusammen gerührt werden könnte. Da will der führende Bonner Virologe offenkundig nicht fehlen. Folgt man Professor Streeck weiter, dann resultiert das „Desaster“ nicht aus einer Veröffentlichung von Gesprächsprotokollen aus dem Robert-Koch-Institut (RKI), sondern aus Schwärzungen in diesen Dokumenten. Das RKI schrieb dazu: „Schwärzungen von Namen bei Herausgabe interner Protokolle an die Öffentlichkeit sind üblich und dienen dem Schutz der Mitarbeitenden.“
Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach gab nun bekannt, die Protokolle würden „weitestgehend entschwärzt“. Die AfD im Deutschen Bundestag forderte folglich sofort laut Tagesschau: “Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, zu erfahren, was in den Jahren 2020 bis 2022 wirklich passierte”. Das öffentliche Interesse wiege “viel größer als irgendein möglicher Datenschutz an dieser Stelle”.
In diese Gemengelage pflanzte der Bonner Virologe seine „Desaster“- Entdeckung. Natürlich fehlt in diesem Interview nicht der Hinweis darauf, dass er eben erst ein Buch über seine Erfahrungen während der Pandemie vorgelegt habe. Von etwas muss der Mensch ja leben.
Und natürlich fehlt auch kein Seitenhieb auf den Berliner Virologen Christian Drosten: “Ich weiß nicht, wie er auf diese Aussage kommt.“ Der hatte kürzlich erklärt, „aus medizinischer Sicht sind wir gut durch die Pandemie gekommen.“ Streeck dagegen: „Die Analysen zeigen aber, dass Schweden besser durchgekommen ist als Deutschland.“ Die Analysen? In Nature war das im März 2022 anderes zu lesen: Schwedens Weg sei „einzigartig und durch einen moralisch, ethisch und wissenschaftlich fragwürdigen Laissez-faire-Ansatz gekennzeichnet.“
Wie auch immer sich Professor Streeck nun drehen mag: Es sind alle Bestandteile für einen Eintopf vorhanden, der vor allem den Corona-Leugnern und Leugnerinnen, den Verschwörungs-Spezis und anderen Abseitigen gut munden wird. Vielleicht auch noch den Putin-Freunden.
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