Wer die Regeln der “regelbasierten” Ordnung macht und für wen sie nicht gelten – Nukleare Abschreckung, steigende Risiken und die Unfähigkeit zur Diplomatie
Die Frage war nie, ob Amerika führen sollte, sondern nur, wie es führen sollte. Die globale Führungsrolle der USA sei eine „unbestreitbare Wahrheit“. Das schrieb Präsident Obama im Vorwort zur Nationalen Sicherheitsstrategie 2015, in der zum ersten Mal offiziell der Begriff der „regelbasierten internationalen Ordnung“ auftaucht, die unmittelbar in Verbindung mit dem globalen Führungsanspruch der USA gebracht wurde.
Dieser wiederum ist seit 2000 erklärtermaßen mit dem Selbstverständnis verbunden, überall, und wenn nötig auch im Alleingang, mit militärischer Gewalt für „Ordnung“ zu sorgen, wenn es um „vitale“ Sicherheitsinteressen der USA geht.
2023 ging die FT in einem Gespräch zwischen Gideon Rachman und John Ikenberry, Professor an der Princeton Universität, der Frage nach, was das nun sei, die internationale „regelbasierte Ordnung“. Ausgangspunkt war eine Äußerung des US-Außenminsters Blinken. Ikenberry hatte seine Mühe, das Konzept zu erklären. Einerseits sei es nicht falsch, es mit der Führungsrolle der USA zu verbinden. Es sei eine „hybride Ordnung“, die auf einer Mischung aus Hirarchie und Multilateralismus beruhe. Andererseits schließe es die UN, aber auch alle Institutionen ein, die nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffen worden seien. Aber eine „Art westliche liberale Demokratiekomponente“ überwölbe alles.
Befragt zum Ukraine-Krieg machte Ikenberry die Verletzung der „regelbasierten Ordnung“ durch Russland an drei Punkten fest: Erstens, man darf Grenzen nicht gewaltsam verschieben. Zweitens, gegen Zivilisten dürfen keine Kriegshandlungen vorgenommen werden. Drittens: man darf nicht mit Nuklearkrieg drohen. Deshalb sei heute, angestoßen durch Russland, die „regelbasierte Ordnung“ in der Krise.
Wenn Imperien niedergehen, dann tun sie das in der Regel nicht friedlich
Ebenfalls 2023 äußerte sich Graham Allison, einer der Doyens US-amerikanischer Außen- und Sicherheitspolitik zur „regelbasierten Ordnung“. Er erklärte unverblümt, dass das Selbstverständnis der USA als „außergewöhnliche“ Nation beinhalte, die Regeln zu machen, an die sich andere, aber nicht die USA zu halten hätten. Er nahm dafür die US-Kriege gegen den Irak bzw. gegen Afghanistan, die er als „unnötig“ bezeichnete, zum Beweis (ab Min 29).
Aber Graham Allison ging noch weit darüber hinaus. Sein Thema war die Ablösung der US-Hegemonie und die davon ausgehende Kriegsgefahr. Wenn Imperien niedergehen, so Allison, dann tun sie das in der Regel nicht friedlich (in 12 von 16 Fällen in der Menschheitsgeschichte sei der Niedergang von Imperien nicht friedlich verlaufen). Es brauche jede Menge geistiger Vorstellungkraft auf Seiten der US-Außenpolitik, einen Krieg zu verhindern.
Für Allison ist China der zentrale Rivale der USA, aber eingangs der Diskussion erklärte er, wenn man auf Russland und China blicke, müsse man erwarten, dass es schlimm werde, bevor es noch schlimmer wird. Keines der beiden Länder wolle sich der US-Hegemonie unterordnen. Man solle nicht vergessen, dass es im Fall Deutschlands und Japan deshalb klappte, weil die USA gegen beide Länder Krieg geführt und gewonnen hätten.
In der Diskussion erklärte Allison sehr anschaulich, was eine Einflusssphäre ist: Es ist das Gebiet, dass eigene Macht beschattet, sprich dominiert. Heute könnten US-Schiffe nicht mehr so im Chinesischen Meer navigieren, wie noch zu Zeiten von Clinton, als er (Allison) im Pentagon arbeitete.
(Anmerkung: Auf dem Höhepunkt der unipolaren Weltordnung fiel der Schatten der USA in Verbindung mit ihren Verbündeten auf die ganze Welt).
In einem Interview mit der Columbia Universität im Jahr 2010 erklärte der inzwischen verstorbene US-Russland-Experte Stephen Cohen, dass die Nato-Osterweiterung nichts anderes sei als die Ausdehnung der US-Einflusssphäre auf den sicherheitspolitischen Interessenraum Russlands.
2024 erschien ein Artikel des Bloomberg-Journalisten Andreas Kluth. Der plädierte dafür, die „regelbasierte internationale Ordnung“ völlig aus dem begrifflichen Wortschatz zu streichen. Die Formulierung wäre ohnehin eine „Orwellsche sprachliche Gräueltat“ und zudem auch Quelle anhaltender Vorwürfe vieler Länder, die den Westen der Heuchelei verdächtigten. Stattdessen sollte wieder die Vorherrschaft des internationalen Rechts bekräftigt und dieses dann unterschiedslos durchgesetzt werden, ob nun gegenüber Russland, China, Israel oder auch gegenüber den USA. Der Artikel steht bei Bloomberg hinter einer Bezahlschranke. Zusammengefasst ist es hier wiedergegeben.
Aber die „Orwellsche sprachliche Gräueltat“ ist absichtsvoll gewählt, vor allem in der Frage, wem die Interpretationshoheit zusteht, was und was nicht der „regelbasierten Ordnung“ entspricht. Wer von oben nach unten verfügt, also daran gewohnt ist, zu bestimmen bzw. daran, dass andere kuschen, hat mit Augenhöhe größte Probleme. Deshalb leben wir auch, ganz wie Graham Allison es einschätzte, in einer sehr gefährlichen Zeit des Übergangs. Die alte Ordnung ist geschwächt, die neue noch nicht voll entstanden.
Nach wie vor regiert die Philosophie, dass der, der mächtiger ist, auch das Sagen hat. Sie ist nur eingehegt durch die MAD-Ordnung, die gegenseitig versicherte Vernichtung der Atommächte. Da ein Atomkrieg nicht gewonnen werden kann, soll er auch nicht geführt werden. „Mad“ ist das englische Wort für verrückt, und exakt das beschreibt auch den Wahnsinn des Atomzeitalters, in dem wenige Nuklearmächte über die Zukunft der ganzen Menschheit verfügen können. Eine Voraussetzung dafür, dass die MAD-Welt funktioniert, ist, dass die Drohung des Atomwaffeneinsatzes abschreckt, also glaubhaft ist. So sind die Militärdoktrinen geschrieben, wobei nicht alle den Erstschlag vorsehen.
Am weitestgehenden ist die Nukleardoktrin der USA: Der Atomwaffeneinsatz unterliegt allein der Interessenbestimmung durch die USA. Er ist jedoch an „extreme Bedingungen“ gebunden, dh. wenn es um „vitale“ Interessen der USA oder die ihrer Verbündeten geht.
Die russische Nukleardoktrin – siehe Punkt 17 – bindet den Einsatz von Atomwaffen entweder an einen atomaren Erstschlag gegen Russland oder an die Bedingung, dass die Existenz Russlands auf dem Spiel stehe.
Beide Doktrinen sind öffentlich zugänglich. Trotzdem wird in Medien und von bestimmten Kreisen das Pferd geritten, dass die nukleare Drohung allein von Russland ausgeht. Das ist eine völlige Verkennung der Lage. Zudem wird, was ebenso gefährlich ist, die Bedrohung durch Nuklearwaffen allgemein verniedlicht, bzw. in die Kategorie russischer Propaganda verschoben. Eine Voraussetzung dafür, dass in den 80er Jahren Abrüstungsabkommen auf den Weg kamen, war die damalige über die Blockgrenzen hinweg geteilte wissenschaftliche Erkenntnis, dass ein Nuklearkrieg der letzte Krieg wäre, den die Menschheit führt. Die breite Öffentlichkeit war sich dessen auch bewusst.
2020 war in einem Papier der Johns Hopkins University zu lesen, dass ein Nuklearkrieg zwar ein globales katastrophales Risiko wäre, möglicherweise mit Milliarden Toten, aber die Gefahr der Selbstauslöschung der Menschheit sei doch weit übertrieben. Menschen würden die Erde auch weiter bevölkern. (S. 4)
Vor einem solchen Denken sollte sich alle fürchten, die noch ihre fünf Sinne beisammen haben. Zumal die Argumentation, die nukleare Abschreckung habe so viele Leben gerettet, regelmäßig vergisst, dass es in den bekannten Fällen, in denen die Menschhit an der nuklearen Katastrophe vorbeischlitterte, immer einzelne Menschen waren, die die Verantwortung für den Supergau nicht auf sich nehmen mochten. Hier ist der Link zur Erinnerung der ARD an Stanislaw Petrow, der 1983 seiner inneren Stimme folgte. Zum Vergleich: Die kurzzeitige Premierministerin Großbritanniens, Liz Truss, wurde vor Amtsübernahme gefragt, wie sie sich fühlen würde, wenn sie den „roten Knopf“ drücken müsste. Sie hat die Frage nicht beantwortet. Ihr war politisch wichtiger, Entschlossenheit zu zeigen. Sie wäre bereit. Der Fragesteller erklärte, er würde sich in einem solchem hypothetischen Moment zutiefst krank fühlen. Nicht so Liz Trust, und dafür erhielt sie Applaus.
Es gab in Russland bereits Stimmen, dass man den Westen ängstigen müsse, weil der sich nicht ausreichend vor einer atomar geführten Auseinandersetzung fürchte. Bislang ist das nicht zur Kreml-Politik geworden, wenn man davon absieht, dass Putin in Abständen den Westen daran erinnert, dass Russland eine Atommacht ist.
Auch das Weiße Haus vorsichtig: keine Nato-Angelegenheit
Das Weiße Haus wiederum tut auch nichts, was die Lage entspannen könnte. Schließlich hat der US-Präsident die Gefahr eines drohenden russischen Angriffs auf Nato-Territorium aufs Tapet gebracht, und in dem Fall die Vergeltung der USA annonciert. Dennoch, und das sollte man anerkennen, agiert auch das Weiße Haus vorsichtig. Zu französischen Gedankenspielen, mit eigenen Truppen in der Ukraine aufzumarschieren, ließ es umgehend wissen, dass Frankreich das gerne machen könne, denn schließlich sei Frankreich souverän. Die USA allerdings hätten souverän anders entschieden. Mit anderen Worten: Wenn ein europäisches Häuflein Williger darauf brennt, in den Krieg in die Ukraine zu ziehen, ist das keine Nato-Angelegenheit. Dann kämpfen und sterben diese für sich allein. Eine Reißleine ist das nicht, auch kein Anstoß, die Zeit der Sprachlosigkeit zu überwinden, aber es ist nicht nichts.
Auf die umschweifigen Worte von Außenminister Blinken zu einer Ukraine-Nato-Mitgliedschaft am Rande der Feierlichkeiten zum 75. Jahrestag der Nato reagierte das Weiße Haus auf Nachfrage ebenfalls: Auch die stehe nicht auf der Tagesordnung. Im aktuellen Russland-Konflikt kann die Nato die Ukraine nicht importieren, weil sie sonst direkt in den Krieg mit Russland verwickelt würde. Und was kommt dann? Das wird im Vagen gehalten, denn solange der Grundkonflikt mit Russland existiert, bleibt die Ukraine die berühmte Herdplatte, an der man sich die Finger verbrennt.
Unterhalb der Schwelle einer direkten militärischen Konfrontation wird allerdings mit härtesten Bandagen weiter um Sieg und Niederlage gekämpft. Der Oberkommandierende der Nato-Streitkräfte, General Cavioli, sagte vor dem Verteidigungsausschuss des US-Senats, er halte einen militärischen Sieg der Ukraine weiter für möglich. Schließlich ginge es dabei auch um die Abschreckung von China, dem Iran und Nord-Korea. Ginge der Krieg verloren, geriete die Welt aus den Fugen.
Aber wie soll dieser Krieg geführt oder gar gewonnen werden, wenn aktuell Russlands Rüstungsproduktion laut Cavioli das Dreifache der Nato-Rüstungsproduktion beträgt und demnächst das Artillerieverhältnis bei 10: 1 zugunsten von Russland liegt?Cavioli wusste eine Antwort: die Russen schießen ungenauer als die Ukrainer, mit dem Ergebnis, dass sie mehr Munition sinnlos verschießen und auch die höheren Opferzahlen hätten im Verhältnis zu den Ukrainern. Cavioli sprach von über 300.000 russischen Kriegsopfern. Die NYT sprach jüngst von zehntausenden ukrainischen Kriegsopfern und von einer aktuellen ukrainischen Kampfstärke von einer Million.
Niemand kennt die genauen Verlustzahlen
Auch das ist absichtsvoll. Immer wieder hört man aus den USA, dass dieser Krieg in der Ukraine eine gute „Investition“ wäre, mit relativ wenig Geld und ohne eigene menschliche Verluste würde Russland bekämpft. Kiew behauptet, die Zahl der ukrainischen Verluste läge bei 31.000 (Februar 2024), die Zahl der russischen Verluste bei knapp unter 400.000. Das Institute for the Study of War berichtete im Februar 2024, dass das Artillerieverhältnis zwischen der Ukraine und Russland bei 1:12 läge und die ukrainischen Opfer stiegen, wegen dieses Ungleichgewichts. Genauer wollte es sich auch nicht äußern.
Spekuliert wird, dass das nicht das Herz vieler Menschen berührt
Es ist offensichtlich, dass die Zahl der russischen militärischen Opfer entweder inflationiert oder darauf spekuliert wird, dass das nicht das Herz vieler Menschen berührt. Anders wäre das womöglich, wenn die tatsächliche Zahl der ukrainischen Opfer bekannt und damit klar würde, wer hier zur Schlachtbank geführt wird und mit wessen Billigung und tatkräftiger Unterstützung.
Aber vielleicht gilt auch nur die alte Regel, dass ein Tod erschüttert, aber ab einer bestimmten Anzahl von Opfern sie nur noch als abstrakte Zahlen erscheinen.
Hat aber Cavioli recht, und immerhin stand er unter Eid, dass längst über 300.000 russische Soldaten gestorben oder verwundet worden sind, dann lässt sich aus dem Artillerieverhältnis zumindest eine Schätzung ableiten, wie viele Verluste die ukrainische Seite bisher tatsächlich erlitt. Denn Kriegsführung, die Schätzung von erforderlichen Truppenstärken bzw. mutmaßlicher Verluste, ist auch eine Wissenschaft. Man kann es jedoch auch ganz platt ausdrücken: Wer mehr Munition verschießen kann, trifft auch häufiger. Zumal an den realen Kräfteverhältnissen angesichts des aktuellen Kriegsverlaufs kein Zweifel bestehen kann.
Später soll niemand behaupten, das hätte man nicht wissen können. Es muss ja einen Grund geben, warum die zusätzliche Mobilisierung in der Ukraine nicht dazu führt, dass Soldaten von der Front abgezogen bzw. wenigsten in den Urlaub geschickt werden, obwohl das ursprünglich versprochen worden war. Politico berichtete.
Cavioli wurde auch gefragt, was er davon halte, wenn die Ukraine Ölraffinerien in Russland angreife oder die Brücke von Kertsch. Das hätte schon einen Bezug zur Kriegslage, allerdings über einen längeren Transmissionsriemen, so Cavioli, auch wenn er der Meinung sei, die Ukraine solle sich lieber auf unmittelbare Ziele an der Front konzentrieren. Einer seiner Vorgänger, Ben Hodges, dessen bisherige Prognosen zum Krieg nie zutrafen, war da wesentlich forscher. Der sagte jüngst der Kyiv Post, wenn es nach ihm ginge, sollten Nato-Staaten anfangen, von ihrem Territorium russische Raketen, die die Ukraine angreifen, abzufangen (ab Minute 16:09). Was Hodges nicht sagte, war, dass ein solcher Schritt sofort die betreffende Abschussbasis zu einem legitimen militärischen Ziel russischer Angriffe machen würde, was sich allerdings dann auch als Angriff auf ein Nato-Territorium darstellen ließe.
Was ukrainische Angriffe auf russische Ölraffinerien angeht, so hat sich das Denken in den USA etwas gedreht. Dort wird eine Verwerfung der globalen Märkte befürchtet, und folglich sind das Pentagon, aber auch der Nationale Sicherheitsrat nicht begeistert. Schließlich sind die USA im Wahlkampf und die Inflation, einschließlich an den Tanksäulen, ist ein öffentliches Thema. Das allerdings führte auf X beim Heer der pro-ukrainischen Meinungsmacher #NAFO zu wütenden Anschuldigungen gegen Jake Sullivan. Der galt ihnen nun plötzlich auch als ein „Putin-Beschwichtiger“.
Der einstige US-Botschafter in der Ukraine 2013/ 2014, Pyatt, inzwischen Staatssekretär im Energieministerium, äußerte sich unbesorgter, was ukrainische Angriffe auf russische Energieanlagen betrifft. Schließlich wären die USA nun wieder die Nummer 1 auf dem weltweiten Öl- und Gasmarkt. Dessen Aufmerksamkeit gilt inzwischen den russischen Planungen zum Ausbau der LNG-Kapazitäten in der Arktis. Das LNG 2 Projekt solle, so Pyatt auf dem von der FT organisierten „Global Commodity Summit“ in der Schweiz „tot im Wasser“ liegen. Die Sanktionen der USA würden das Unternehmen Novatek spürbar treffen. So hatte er sich auch schon in einem Briefing Ende März ausgedrückt.
Inzwischen haben russische Energieunternehmen das Recht, eigene Sicherheitsfirmen aufzustellen, auch Novatek, was angesichts der drastischen Worte von Pyatt und des bekannten Schicksals von NordStream 2 nicht wirklich verwundert.
Dagegen beendete der UN-Vertreter von Russland in der vergangenen Woche im UN-Sicherheitsrat seine Ausführungen mit dem atemberaubenden Satz, dass sich die westliche Staatenwelt schon mal an den Gedanken gewöhnen solle, dass es im Fall der Ukraine sehr bald nur noch um die Frage ihrer bedingungslosen Kapitulation gehe. Die gesamte Debatte zur Lage in der Ukraine in dieser Sicherheitsratssitzung verlief äußerst kontrovers. Klar ist, dass Russland nach dem Terroranschlag auf die Crocus City Hall seine militärischen Schläge gegen die Ukraine intensivierte und nunmehr auch gezielt die Energieversorger des Landes angreift. (Wer das Atomkraftwerk Saporischschja angegriffen hat, soll am 15.April erörtert werden). Dadurch werden Pläne nach Steigerung der Rüstungsproduktion unterminiert und militärischer Nachschub erschwert, aber gleichzeitig verschlechtert sich die humanitäre Lage in der Ukraine weiter deutlich. Es würden zwei Angriffswellen erfolgen, wobei die zweite Ersthelfer treffe
Bemerkenswerterweise notierte Slowenien, dass eine solche Taktik auch im Gaza-Streifen zu beobachten sei. China und einige andere Länder gaben erneut einem verhandelten Friedensschluss den Vorzug, unter Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen aller Seiten. Die westlichen Staatenvertreter wiederholten die Forderung nach unverzüglichem Rückzug Russlands von ukrainischem Territorium.
Ähnliche Dissonanzen zeigten sich auch zu der von Russland im Sicherheitsrat eingebrachten Erklärung, den israelischen Angriff auf das iranische Konsulat in Damaskus scharf zu verurteilen. Diese Initiative scheiterte an den Stimmen der USA, Frankreichs und Großbritanniens, obwohl der Rechtsverstoß gegen die Wiener Konvention klar auf der Hand lag. Die amerikanischen Warnungen an den Iran, nicht zu vergelten, verhallten ungehört und Iran attackierte militärische Ziele Israel. Die übergroße Zahl der Raketen wurde erfolgreich abgefangen.
Boltons Lebenstraum
Aber inzwischen warnte das Weiße Haus Israel, nicht weiter zu eskalieren. Das wiederum rief John Bolton auf den Plan. Bei CNN kritisierte er die Biden-Administration, weil sie keine „Stärke“ demonstriere, denn noch ist Boltons Lebenstraum nicht erfüllt: Erst wenn die USA auch den Iran angreifen, so wie das einst 2001 geplant wurde und 2007 von General Wesley Clarke ausgeplaudert worden war, werden Falken wie er Ruhe nie geben. Bolton versuchte schon Trump in den Krieg gegen den Iran zu hetzen, was ihm misslang.
Der israelische Präsident reagierte allerdings prompt auf die Ansage des Weißen Hauses und erklärte, sein Land suche den Frieden. Das entspricht zwar auch nicht der Wahrheit, aber zeigt recht deutlich, dass Israel nicht die Hand beißt, die es füttert, jedenfalls dann nicht, wenn seitens der USA klare Ansagen gemacht werden. Man wünschte sich, die USA hätten sich so auch im Fall der UN-Resolution zur Forderung nach einem Waffenstillstand im Gaza-Konflikt verhalten. Sie haben sie zwar passieren lassen, aber gleichzeitig erklärt, sie wäre „nicht bindend“ und die UN nicht die geeignete Institution, um den aktuellen Konflikt zu lösen.
Alles muss bestraft werden, jeder einen Preis zahlen
So gehen die zwei großen aktuellen Konflikte in eine neue Runde. Jeder davon hat unterschiedliche Wurzeln, aber getrieben werden sie von den gleichen Mechanismen, die derzeit die internationalen Beziehungen beherrschen: dem Prinzip der Vergeltung (alles muss bestraft werden, jeder einen Preis zahlen), dem Streben, auf keinen Fall als schwach zu erscheinen bzw. der Lust, Mäßigung zu brandmarken, und dem Kampf um den Sieg als finale Lösung. Eine Notbremse ist im System nicht vorgesehen.
Denn in der heutigen „regelbasierten“ Ordnung gibt es kaum Zwischenschritte mehr, keine behutsamen Verständigungsversuche, kaum Grautöne zwischen richtig und falsch und längst schon keine Geschichte, die die Konflikte zu ihren Wurzeln führt. Alles ist tagesaktuell, alles scheinbar losgerissen vom Gestern, die Diplomatie eine Kunst längst vergessener Zeiten und alles zum öffentlichen Spektakel verkommen, wobei erwartet wird, dass man die „richtige“ Seite der Geschichte wählt, sonst folgt ein anderes Spektakel.
Das ist wahrscheinlich der gefährlichste Aspekt von allem.
Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus dem Blog der Autorin, mit ihrer freundlichen Genehmigung. Lesen Sie ergänzend auch einen Beitrag, den Horand Knaup für ein kostspieliges Bezahlmedium verfasst hat, und den bruchstuecke.info freundlicherweise der Öffentlichkeit zugänglich macht: “Unsere Partner haben das besserwisserische, koloniale Gehabe der reichen Länder satt.”
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