Und warum wir in Papua-Neuguinea nicht aufgegessen werden – Zur Konflikteskalation in der Ukraine und im Nahen Osten

„We’ll know our disinformation program is complete when everything the American public believes is false” Übersetzung: Wir werden wissen, dass unser Desinformationsprogramm abgeschlossen ist, wenn alles, was die amerikanische Öffentlichkeit glaubt, falsch ist.

Diese Worte soll der ehemalige CIA-Direktor Casey 1981 im Weißen Haus geäußert haben, laut Barbara Honneger, die damals dort als Sekretärin beschäftigt war. Ob sie wirklich so und nicht anders fielen, kann man glauben oder nicht. 1987 verließ Honneger den Arbeitsplatz und die Washington Post verriss sie gründlich.

Weil es Archivdokumente gibt, ist jedoch inzwischen unbestritten, dass in der Reagan-Administration intensiver denn je daran gearbeitet wurde, die Wahrnehmung von Bürgerinnen und Bürgern der USA zu verzerren. Die Wahrheit sollte zugunsten politischer Ziele geopfert werden. Das legte der verstorbene Journalist Robert Parry offen.

Das damalige Ziel bestand darin, das öffentliche Trauma des Vietnam-Kriegs zu überwinden und in den USA wieder Kriegsbegeisterung zu erwecken. Das ist über 30 Jahre her. Seitdem hat sich vieles verändert, auch der Instrumentenkasten, aber das Ziel, die öffentliche Wahrnehmung zu beeinflussen, ist unverändert geblieben. Es liegt in der Natur der Sache, dass solche Operationen nicht auf die USA beschränkt bleiben, sondern das ganze Einflussgebiet der USA abdecken.

Zum hegemonialen Erfolg gehört schließlich, die Einigkeit in der westlichen Allianz zu erhalten und zu stärken. Das geht nur, wenn alle mit Einfluss – von Washington bis nach Georgien, Japan und Australien – möglichst dem gleichen Sprechzettel folgen: politisch, in Denkfabriken, in Expertenrunden, in Medien. So wie man einem Papageien das Sprechen lehrt. Das hinzukriegen war und ist harte Arbeit. Es braucht viel Geld, gute Einsichten in die menschliche Natur, die Anwendung von Anreizen bzw. Strafen und willige Mittäter. Und es braucht den Willen zur Lüge bzw. zur Wirklichkeitsverzerrung.

Die schlechte Nachricht ist: Bislang lief es ganz gut, zumindest zeitweilig. Wer die Welt in Freund und Feind teilt, in Gut und Böse, in „uns“ und die gefährlichen „Anderen“, hat die ältesten Instinkte, Erfahrungen und auch Vorurteile der Menschheit auf seiner Seite. Der Wille zu Macht und Gewalt ist dem Menschen natürlich mitgegeben, so wie auch der eigene Stamm, die eigene Sippe, heute die eigene Nation, als Garanten von Sicherheit wahrgenommen werden. Außerdem sind gemeinhin viele gutgläubig und erwarten nicht, dass sie dreist belogen werden.

Man nehme nur die historische Bundestagsdebatte aus dem Jahr 2003, bei der es darum ging, ob Deutschland sich an einem Krieg gegen den Irak beteiligen solle. Die von der Regierung getragene Ablehnung war prinzipieller Natur. Ohne ein UN-Mandat wollte man sich nicht beteiligen. Umgekehrt warfen damals CDU und FDP der rot-grünen Regierung vor, das Bündnis zu schwächen. Für sie grenzte die Weigerung an Vaterlandsverrat. Die von den USA propagierte Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak und eines Schulterschlusses zwischen dem Irak und Al Qaida stellten die Allerwenigsten in Frage. So hat es auch der Deutsche Bundestag „aufgearbeitet“.

Jeder Konflikt ist menschengemacht

Wie diese „Aufarbeitung“ geschrieben ist, ist gleichzeitig ein sehr guter Beleg dafür, dass Wahrnehmungsverzerrung auch dort stattfindet. Der erste Absatz erklärt, dass die USA in der Nacht vom 19. zum 20. März 2003 begannen, Bagdad zu bombardieren. Damit seien die internationalen Bemühungen um eine friedliche Lösung des Konflikts gescheitert. Der zweite Absatz leitet ein mit der Aussage: Der Konflikt war eskaliert.

Es steht nicht dort: Damit eskalierten die USA einen Konflikt, den sie selbst suchten und deshalb auch Konfliktgründe erfanden. Man muss den „Aufarbeitern“ des Deutschen Bundestages daraus keinen isolierten Vorwurf machen. Die Formulierung, dass Konflikte eskalieren, ist eine ganz gängige Formulierung, die zur Erklärung aller möglichen Geschehnisse verwendet wird. Da ist ein Konflikt, und der eskaliert, so als wäre der Konflikt das Subjekt, der Naturzustand. So tritt zurück, dass jeder Konflikt menschengemacht und jede Eskalation gewollt ist. Denn politisch gibt es immer die Wahl, wenn sich Streit anbahnt. Wird er aufgelöst oder bis auf die Spitze getrieben, solange, bis Blut fließt und alles in Scherben fällt?

Nehmen wir den US-Plan der Nato-Osterweiterung um Georgien und die Ukraine aus dem Jahr 2008. Die USA wollten diesen Weg, die ukrainische Führung unter Präsident Juschtschenko ebenfalls, das ukrainische Volk war damals mehrheitlich dagegen, die Führung von Frankreich und Deutschland ebenfalls.

Wegen Julian Assange und dem von ihm auf die Beine gestellten Wikileaks ist seit über 10 Jahren öffentlich, dass die USA wussten, dass dieses Ansinnen die „roteste aller roten“ Linien für den Kreml ist. Nicht nur für Putin, sondern für alle, mit denen damals der damalige US-Botschafter William Burns sprach.

Und warum war das für Russland eine „rote“ Linie? Auch darauf gab Burns eine Antwort. Russland betrachtete eine Nato-Erweiterung um die Ukraine als Sicherheitsbedrohung. In Russland fürchtete man gleichzeitig, dass die Ukraine zerbrechen könnte, dass es zu einem Bürgerkrieg kommen und sich Russland gezwungen sehen könnte, zu intervenieren. Mit einer solchen Entscheidung, so Burns weiter, wolle Russland nicht konfrontiert sein. In dieser diplomatischen Depesche gibt es keinen Hinweis darauf, dass Burns alles das nur für russische Propaganda hielt, oder für ein Indiz russischer imperialer Gelüste. Das seien nicht Gefühlsduseleien (emotionale und neuralgische Punkte), schrieb Burns damals, sondern „strategische Politiküberlegungen“. Er berichtet Washington sachlich über das von ihm wahrgenommene „harte“ russische Interesse.

Statt Konflikte zu lösen, den Konflikt eskaliert

Aber was Burns schrieb, sollte die Öffentlichkeit nicht wissen und ohne Wikileaks wüsste es auch kaum einer. Rückblickend erklärte die Ex-Bundeskanzlerin Merkel 2022, sie hätte gewusst, wie Putin dachte. Für ihn wäre eine Nato-Erweiterung um die Ukraine „wie eine Kriegserklärung“. Sie hätte diese Einschätzung nicht geteilt.

Das ist der klassische Fall eines sich anbahnenden tiefen Konflikts: Zwei Seiten, zwei verschiedene, geradezu gegensätzliche Sichtweisen. Er wurde nicht aufgelöst, denn die Nato hat, entgegen ihrer im Statut niedergelegten Verpflichtung, Konflikte zu lösen, den Konflikt eskaliert. Sie setzte ihren Kopf grundsätzlich durch und machte mit dem Beschluss von Bukarest klar, dass Russland in Nato-Angelegenheiten nicht reinzureden hat. Wo kämen wir hin, wenn man mit Russland reden würde oder gar eine Verständigung suchte? Also entschied die Nato, im Beisein Putins, und beschied unmissverständlich: Was wir machen, geht dich nichts an. Solches Verhalten attestiert der Nato eine reine Nabelschau, eine mangelnde Bereitschaft und Fähigkeit zum Kompromiss und damit zum Frieden.

Was allerdings 2008 noch fehlte, war der Enthusiasmus der Ukrainer für die Nato-Mitgliedschaft und eine Ukraine, die sich auf einen verlässlichen Kurs der Westbindung begab. Die kam erst 2014 in die Welt, aber gleichzeitig zerbrach sie auch politisch daran. Der damalige deutsche Außenminister und heutige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erklärte gegenüber der Welt am 22. Februar 2014, die Ukraine „habe vor einer politischen“ Spaltung gestanden. Er hatte damals, wenn auch viel zu spät, die diplomatische Initiative ergriffen und auf eine politische Lösung im Konflikt zwischen Maidan und damaliger Janukowitsch-Regierung gesetzt. Das sei, so Steinmeier, die „letzte Chance. Die Welt gratulierte zum „Coup“ des deutschen Außenministers, aber Lob kam auch von den Grünen und von den Christdemokraten. Steinmeier gab sich damals, siehe Welt, entschlossen: Was gemeinsam ausgehandelt wurde, müsse jetzt auch umgesetzt werden.

Pustekuchen. Der Rest ist Geschichte, aber eine, die seither auch anders erzählt wird. In der heutigen Fassung begann der russische Krieg gegen die Ukraine am 20. Februar 2014, in der morgigen vielleicht schon 2008, ein Jahr, das seit langem für die angebliche russische Aggression gegen Georgien reserviert ist, obwohl damals, 2008, Georgien als Erster schoss. 2009 wussten das noch viele.

Die Realität lässt sich nicht propagandistisch besiegen

So macht man es. Man setzt darauf, dass es schon geglaubt werden wird, wenn möglichst viele Papageien nur lange genug übereinstimmend krächzen. Die gute Nachricht lautet: Es läuft trotzdem nicht so, wie Casey einst hoffte. Nicht alle werden zu verlässlichen Papageien. Noch nicht einmal die sogenannte schweigende Mehrheit, denn die Realität lässt sich nicht propagandistisch besiegen. Obwohl das Erzählen von Geschichten für Menschen unerlässlich ist, um im Geschehen Sinn zu suchen, bleiben Worte nur Worte, wenn Gesagtes und reales Geschehen nicht übereinstimmen. Aber es geschieht zeitversetzt.

Im aktuellen Ukraine-Krieg sind die westlichen Eliten nun in tiefer Sorge. Die Ukraine braucht neues Geld, die Ukraine braucht neue Waffen und weitere Menschen an der Front, damit sie nicht verliert. Die Segel jedoch bleiben weiter auf “Siegfrieden” gesetzt, so als wäre die russische Übermacht allenfalls vorübergehend. Es ist schon erstaunlich, wie sich die Erzählung dreht. Vorgestern bauten die Russen noch die Microchips aus den Waschmaschinen, um überhaupt ein bisschen taugliches Kriegsgerät zu haben. Als erstes wurde das in den USA behauptet, später unter anderem auch von Hofreiter und Correctiv klärte auf: „technisch plausibel“. Gestern waren laut britischen Einsichten nur noch Schaufeln für russische Soldaten zur Hand. Heute konstatieren die Großkopferten eine militärische Dominanz Russlands in der Rüstungsproduktion und im Artillerieverhältnis.

Aus dem Bären wird ein Teddy

Aber Frederik Pleitgen hatte bei Maischberger auch einen Trost für die Deutschen parat. Pleitgen war durchaus klarsichtig, was die aktuelle Kriegslage betraf. Im Moment hätte Russland die Ukraine und den Westen ausmanövriert. Aber er sagte auch: „Jeder weiß, dass Russland noch nicht einmal ein ordentliches Auto produzieren kann, aber die produzieren halt wesentlich mehr Artilleriegranaten als der ganze Westen“. (ab Min 13.15) Er glaubte, dass sich das ändern wird. Obwohl mehrdeutig formuliert, ging es Pleitgen nur um die russische Rüstungsproduktion.

So macht man es. Die Russen können fast gar nichts, gerade mal Granaten. Und schon ist der Russe wieder gedanklich dort, wo er hingehört: im Feld der stupiden Massenproduktion. Auf diese Weise unterschätzt man alles, die wissenschaftlich-technischen Fähigkeiten, die zivilen und rüstungspolitischen Leistungen, einfach alles, was in der Summe Russland ist. So wird aus einem formidablen Bären gedanklich ein kleiner Teddy, dem man demnächst den Kopf abreißen wird – und siehe, er war mit Stroh gefüllt! Solche und weitere Fehleinschätzungen führten bisher zur wiederholten Schlussfolgerung, die Russland-Strategie beizubehalten. Noch mehr Geld, noch mehr Waffen – und – so will es die Bestimmung der Ukraine – noch mehr ukrainische Soldaten für den Krieg. Das war und ist die Arbeitsteilung.

Der ehemalige niederländische Ministerpräsident Mark Rutte, der als nächster Nato-Generalsekretär der Nato gehandelt wird, stellte zu den nötigen Neulieferungen von Luftabwehrsystemen der Marke „Patriot“ für die Ukraine jüngst fest: „Wir haben das Geld“. Wer ist denn „wir“ in dem Fall? Das Geld kommt aus dem Steuersäckel, also aus den Taschen der Allgemeinheit. Und wie teuer ist so ein Patriot-System, das die Ukraine nun so dringend braucht, nach allem anderem, was sie auch so dringend brauchte? Bisher kostete die Gesamtpackung (System und Raketen) in den USA (ich bin sicher, der Exportpreis ist höher) 1,1 Mrd. Dollar. Demnächst sollen allein die Systeme 1,2 Mrd. Dollar kosten, Raketen nicht eingeschlossen.

Die 61 Milliarden Dollar sind gar nicht für die Ukraine

„Wir“ haben also das Geld, und die USA, genauer gesagt Raytheon, Lockheed Martin und Boeing machen den Reibach. Das ist auch Teil der Arbeitsteilung. Wie der US-Außenminister jüngst freimütig sagte: Die 61 Milliarden Dollar, die am 20.4.2024 für die Ukraine beschlossen wurden, sind gar nicht für die Ukraine. Sie gehen in die US-Rüstungsproduktion. Selbstverständlich bedeutet das auch eine Arbeitsplatzschaffung, vor allem aber eine unverhüllte öffentliche Subvention der Rüstungsproduzenten, von denen man wiederum Spendengelder im Wahlkampf erwartet. In Deutschland fallen für MBDA und Bayer (Chemie) einige Krumen ab. Also, wer auf einen langen Krieg setzt und ein bisschen Kriegsgewinnler werden möchte, der möge auf Raytheon und Lockheed Martin setzen. Boeing hat zu viele Probleme in der zivilen Sparte. Aber Vorsicht: Das kann schiefgehen.

Die FT weiß allerdings, dass das mit den verfügbaren Steuergeldern für die Rüstungswirtschaft nicht ganz so einfach ist. Die schrieb kürzlich, entweder müsse man die Steuern erhöhen oder die Sozialleistungen kürzen, um den Kurs zu halten. Also „wir“ sollen den Gürtel enger schnallen und damit „wir“ das tun, muss eine Geschichte her, und die beginnt immer mit dem gleichen Satz: Russland ist an allem schuld. Einst beschrieb der Begriff des „real existierenden Sozialismus“ die Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität. Auch wenn der Grundkonflikt heute ein anderer ist, aktuell haben wir es mit „real existierenden Demokratien“ zu tun, so wie in der Ukraine, in der die Demokratie gerade weitgehend abwesend ist, oder in den USA, die sich als Oligarchie darstellt, oder eben in Deutschland, in der postulierte und reale Demokratieverteidigung auch nicht mehr kongruent sind.

Auch Demokratien sind der Erneuerung und Legitimierung ausgesetzt – autoritäre und diktatorische Versuchung

Diktaturen verfallen, wenn die Macht nicht mehr kann, wie sie will. Aber auch Demokratien sind dem permanenten Stress der Erneuerung und Legitimierung ausgesetzt. Er ist gewollt und quasi konstitutiv für eine Demokratie, aber exakt diesen Stress wollte Casey einst eliminieren. Das zeigt ganz deutlich, dass im Herzen von Demokratie andauernd die autoritäre und diktatorische Versuchung auf ihre Chance lauert. Deshalb sind eine freie Presse und Meinungsfreiheit so elementar. Deshalb läuft der härteste Kampf um die Interpretationshoheit über die Realität bzw. um die Frage ab, ob es sich nun um Demokratieverteidigung oder ihre Unterminierung handelt, wenn unterschiedliche Auffassungen und Standpunkte aufeinanderprallen.

Ich höre schon die Einwände all jener, die behaupten, mit diesem Russland unter diesem Putin sei kein Frieden zu machen, auch nicht mit diesem Nordkorea, diesem China, diesem Iran … Wer hat es denn versucht, sich ehrlich und andauernd darum bemüht? Darauf folgen im Zeitalter der „Zeitenwende“ in der Regel die wortreichen Erklärungen, WIE sehr man sich bemüht habe, andauernd und so vergeblich. Denn man war ja so naiv.

Wie Unschuldslämmer sind sie alle durch die Welt getrabt, voller guter Absichten, aber leider, das ewig Böse lacht über solche Schwächlinge nur, bleckt die Zähne und frisst ganze Länder, wenn man ihm nicht zeigt, was eine Harke ist. Denn wenn das Böse einmal anfängt zu fressen, hört es nicht mehr auf, dann rast es nur so durch die Welt, nicht wahr? Da können die Russen wieder sagen, was sie wollen, abstreiten, so viel sie wollen. Wir haben ihnen nie zugehört, warum sollten wir jetzt damit beginnen – jetzt, wo wir endlich das wahre Gesicht Russlands in all seiner Hässlichkeit erkannt haben?

Haben wir es nicht gerade auch im Fall des Konfliktes zwischen Israel und dem Iran so erlebt? Da schickt Israel ein paar Raketen, macht nur ein iranisches Konsulat in Damaskus platt, mit ein paar Generälen und Zivilisten darin, und zunächst weiß der Westen von gar nichts. Iranische Desinformation vielleicht? Dann wurde dem Iran gedroht: Lasst die Finger von Vergeltung. “Don`t“, sagte der US-Präsident. Was aber machten diese Iraner? Sie hörten einfach nicht auf den selbsterklärten globalen Leithammel, kündigten den Gegenschlag an, schickten über 300 Drohnen, die langsam heranflogen und die mit teurer und immer knapper werdender westlicher Munition durch Israel, die USA, Großbritannien und Frankreich vom Himmel geholt werden mussten, und im Ergebnis waren dann trotzdem die israelische Planungszentrale für den Angriff auf das iranische Konsulat und ein paar israelische Flugplätze ein bisschen kaputt. Die Ukrainer waren ebenfalls sauer: Auch Israel ist kein Nato-Mitglied, aber dort machte der „Westen“ mit.

Allerdings folgten im konkreten Fall auf die langsamen iranischen Drohnen die schnelleren iranischen Marschflugkörper, und die trafen dort, wo sie treffen sollten, zielgenau. Daraufhin wiederum redeten die USA Israel gut zu und siehe da, Israel schickte „nur“ eine klitzekleine pro-forma „Vergeltung der Vergeltung“ auf irakisches Territorium und bombte nicht eine einzige iranische Raffinerie in Schutt und Asche.

Nun könnten alle darüber nachdenken, was im Einzelnen geschah und warum und wie man die Kuh wieder vom Eis kriegt.

Aber im Grunde folgte nur Geschrei: Nun hätte der Iran der Welt sein wahres Gesicht gezeigt, so der britische Außenminister, der im gleichen Interview wenig später verkündete, dass jeder Anschlag auf diplomatische Vertretungen Großbritanniens im Ausland selbstverständlich mit größter Härte vergolten werden würde. Es ist ein weltpolitisches Panoptikum, durch das man Tränen lachend schreiten könnte, wenn es nicht buchstäblich ums Leben ginge. Aber erstens gehört sich so etwas nicht und zweiteres ist es mutmaßlich russisch beeinflusste Besorgnis. Obwohl, bei Maischberger gab es zur Frage, ob China auf Russland und den Ukraine-Krieg Einfluss hätte, die Eröffnung von Wolfgang Ischinger, dass China eine atomare Auseinandersetzung schon Sorgen mache. 1979 wären Russland (Maischberger korrigierte: die Sowjetunion) und China dem gefährlich nahegekommen. In einer ähnlichen Lage, womöglich zum nuklearen Schlachtfeld zu werden, war ganz Mitteleuropa in den 80er Jahren, mit den beiden deutschen Staaten vorneweg. Dann müsste es nach der Ischinger-Logik doch auch in Deutschland ein solches Interesse geben, auf Russland einzuwirken….

Was wohl einst alles dem kleinen Joe erzählt worden war? – Weiße Männer, die aus Flugzeugen fallen, werden nicht gegessen

Wie wir wissen, geschieht das nicht. Mit einem Leitwolf wie Biden an der Spitze, dem auch Deutschland treu folgt, kann offenbar nichts schiefgehen. Oder? Biden ist – selbsterklärt – begnadet mit Altersweisheit, unendlichem geduldigem Verständnis für alles und jeden, ganz besonders für die politische Opposition im eigenen Land. Zensur muss sein, aber nur zum Wohl der Allgemeinheit. Zudem ist er auch besonders emotional engagiert, wenn es um seinen im Krieg gefallenen Onkel geht. So jedenfalls erklärte das Weiße Haus die Behauptung des US-Präsidenten, die Kannibalen von Papua Neu-Guinea hätten diesen Onkel im Zweiten Weltkrieg gefressen. Nachdem der mit dem Flugzeug verunglückte. Nur ein Provinzgouverneur in Papua-Neuguinea fand alles zum Schreien komisch und erklärte, Biden hätte eine solche Geschichte womöglich als Kind gehört, und die sei eben haften geblieben. Seitdem werden sich wahrscheinlich jede Menge (gegnerischer) Geheimdienste der Frage widmen, was wohl einst alles dem kleinen Joe erzählt worden war, um dessen nächste Aktionen besser vorherzusehen.

Mich dagegen amüsierte die akademische Kritik aus Papua-Neuguinea: Weiße Männer, hieß es von dieser Seite, die aus Flugzeugen fallen, werden nicht gegessen. Wenn Menschen gegessen wurden, dann nur aus Respekt. Insofern sind wir Dank der aktuellen westlichen Politik allesamt sicher in Papua Guinea, egal ob nun dort eine kannibalistische Tradition bestand und ausgerottet wurde oder nicht. Denn vom einstigen Respekt des „Restes“ der Welt gegenüber dem Westen ist nicht mehr viel übrig.

Letzteres wiederum ist Teil der Realität.

Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus dem Blog der Autorin, mit ihrer freundlichen Genehmigung.

Über Petra Erler / Gastautorin:

Petra Erler: "Ostdeutsche, nationale, europäische und internationale Politikerfahrungen, publizistisch tätig, mehrsprachig, faktenorientiert, unvoreingenommen." Ihren Blog "Nachrichten einer Leuchtturmwärterin" finden sie bei Substack. Ihre Beiträge im Extradienst sind Übernahmen mit ihrer freundlichen Genehmigung.