Im Editorial der Aprilausgabe des Demokratischen Salons lesen Sie unter der Überschrift  „Plädoyer für den Streit“ einige Gedanken zu einer Rede, die Michel Friedman am 26. April 2024 in Berlin gehalten hat. Dazu passend ein Song von Daniel Kahn: „Freedom is not a noun, freedom is a verb.“

Die neuen Texte im Demokratischen Salon befassen sich mit zwei Jahren „Zeitenwende“, Inklusion und Exklusion in Schule und Sozialer Arbeit, einer verbreiteten antisemitischen Chiffre, dem Bias in der KI sowie mit der Science Fiction in Weimarer Republik und NS-Diktatur. Nicht zuletzt: eine zweite Rezension einer Shakespeare-Aufführung in Kyiv. 

  • Victoriia Kotenok, Theaterkritikerin aus Kiyv, rezensiert Shakespeares Mittsommernachtstraum im Kyiver Theater auf Podil unter der Überschrift „Spaßiger Albtraum im Nachtclub“. In der Inszenierung erinnert manches in den verrückten und berückenden, auch queeren Träumen, in die auch das Publikum einbezogen wird, an Drogenpartys, an Partys ukrainischer Oligarchen, amerikanische Gefängnisse, Videospiele. Ein philosophierender Monolog Pucks thematisiert existenzielle Fragen der Theodizee. Die Rezension ist in deutscher und englischer Sprache verfügbar. (Rubriken: Osteuropa, Kultur) 
  • Martin Aust, spricht über „Zwei Jahre Zeitenwende – eine durchwachsene Bilanz“. Es geht um die „Politisierung“ des Fachs „Osteuropäische Geschichte“ in den vergangenen beiden Jahren sowie seine „Dezentrierung“, sodass die Geschichte der Länder Osteuropas und der zentralasiatischen Republiken in den Vordergrund gestellt werden konnte. Es gibt große Bedarfe für die Vermittlung der Sprachen und für neue Austauschformate für Studierende und junge Wissenschaftler:innen. (Rubriken: Osteuropa, Europa) 
  • Paul Schäfer, bis 2013 verteidigungspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der Linken, analysiert in dem Essay „Friedenspolitik nach der Zeitenwende“ die politischen Debatten von zwei Jahren „Zeitenwende“: Wie kann man die Sicherheitsbedürfnisse der Menschen aufgreifen, ohne der rigiden Kriegsrhetorik zu verfallen? (…) Eine Warnung vorab: Wir werden Widersprüche aushalten müssen.“ Dies ist der erste Teil einer Reihe über die Perspektiven von Verteidigungs-, Rüstungs- und Friedenspolitik in Deutschland und in Europa. (Rubriken: Weltweite Entwicklungen, Osteuropa)
  • Sofi Oksanen benennt in ihrem Essay „Putins Kampf gegen die Frauen“ die Verachtung der Frauen in Putins Weltbild. In seinem Krieg gegen den „Westen“ werden sie auf die Rolle der Mutter oder der Prostituierten reduziert. Dahinter steckt die lange Geschichte eines „Russischen Essenzialismus“. Schonungslos enthüllt Sofi Oksanen, wie das Frauenbild Putins die europäischen Demokratien gefährdet. Die Besprechung von Norbert Reichel trägt den Titel „Der Kern der Gewalt“ vor. (Rubriken: Osteuropa und Gender) 
  • Deborah Schnabel spricht über Künstliche Intelligenz und Politische Bildung“. Künstliche Intelligenz (KI) kann nur das wiedergeben, was in sie hineingegeben wird. Daraus resultieren strukturelle und institutionelle Diskriminierung. Der gesamte Produktionsprozess der KI muss daher problematisiert werden. KI ist aber auch ein Möglichkeitsraum Politischer Bildung. Sie braucht den mündigen und aufgeklärten Menschen. (Rubriken: Kultur und Treibhäuser) 
  • Detlev Bauszus und Felix Markgraf verfolgen in ihrem Essay „Jud, gib dein Geld (her), oder du bist des Todes“ Genese und Aktualität einer antisemitischen Chiffre. Der angeblich „reiche Jude“ gehört zum „kulturellen Code“ (Shulamit Volkov) des Antisemitismus. Dieses Stereotyp lässt sich in keiner Weise aus der Tora ableiten, wird aber immer wieder hervorgeholt, um politische und wirtschaftliche Interessen zu reklamieren. Ein literarisches Modell bietet Shakespeares Shylock. (Rubrik: Antisemitismus)
  • Meltem Kulaçatan analysiert die „Diversität im pädagogischem Alltag“ bei Kindern und Jugendlichen sowie bei Fachkräften der Sozialen Arbeit. Entscheidend für die Zukunft eines Kindes sind „soziale Schichtung“ und „Klassenzugehörigkeit“, gerade auch im Kontext einer Migrationsgeschichte. Diversitätsbewusstsein lässt sich am ehesten über die Familiengeschichte erarbeiten, auch in der Aus- und Fortbildung. Eine wichtige Rolle spielen die Netzwerke wie „Lehrkräfte mit Zuwanderungsgeschichte“. (Rubriken: Migration, Kinderrechte)    
  • Juliane Karakayalı, Soziologin an der Evangelischen Hochschule Berlin, erörtert in „All exclusive“ die Frage, warum Bildungs-, Migrations- und Integrationspolitik wissenschaftliche Evidenzen so oft ignorieren und damit Segregation und Rassismus in Schulen verstärken. Fatal ist das Beharren der Politik auf monolingualen Modellen des Spracherwerbs. Einige Schulen sind innovativer als die Politik, stoßen jedoch immer wieder an behördliche Grenzen. Ein ebenso großes Problem ist die Ausbeutung migrantischer Careworker:innen, die das Ausmaß des Pflegenotstands verdeckt. (Rubriken: Migration, Kinderrechte) 
  • Hans Frey befasst sich nach seiner Analyse der Science Fiction im Kaiserreich im zweiten Teil seines Essays „Der lange Weg der Öko-Science Fiction“ mit „Weimarer Republik und Nationalsozialismus“. Die deutsche Science Fiction dieser Zeit bewegt sich zwischen Demokratie und Faschismus. Ökologische Aspekte gerieten gegenüber der Kaiserzeit in den Hintergrund. Eine erschreckende Dystopie beschwor Paul Gurk. Zwei Ausnahmeerscheinungen sind Annie Francé Harrar und Ri Tokko. (Rubriken: Science Fiction und Treibhäuser)

Wie üblich finden Sie Empfehlungen zum Besuch von Veranstaltungen und Ausstellungen sowie weitere Leseempfehlungen und Hintergrundinformationen zu innen- wie außenpolitischen Themen, oft mit Verweisen auf künstlerische oder literarische Bearbeitungen.

Über Norbert Reichel / Demokratischer Salon:

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