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Der unbequeme Legionär

Wolfgang Albers, Ex-Polizeipräsident von Bonn, später Köln, juristisch rehabilitiert

Wer kennt nicht den Spruch des römischen Kommandanten in einem der vier Römerlager rund um das gallische Dorf bei Asterix: “Legionär Keinentschlus, DU BIST Freiwilliger.” oder das Ende von “Casablanca”, als der französische Polizeichef befiehlt: “Verhaften Sie die üblichen Verdächtigen!” Etwa so lief es ab nach der Sylvesternacht 2015/16 in Köln – ich habe das damals gewürdigt und vermutet, dass man nach den Sylvesterkrawallen und sexistischen Übergriffen auf der Kölner Domplatte einen “Schuldigen” finden musste. Und das war der damalige Polizeipäsident von Köln, Wolfgang Albers.

Albers, langjähriger Jurist im NRW-Innenministerium, Anfang der 90er Jahre persönlicher Referent des damaligen Innenministers Herbert Schnoor, hat sich später auf vielen verantwortungsvollen Stellen der inneren Verwaltung bewährt, ob als stv. Regierungspräsident, als Leiter von Fachabteilungen – oder eben im Polizeipräsidium der Millionenstadt Köln. Heute ist bekannt, dass die damalige polizeiliche Lage an Sylvester 2015/16 überraschend und ohne jegliche Anzeichen in den üblichen Informationskanälen der Polizei auftrat. Weder politische Gruppen, noch soziale Konflikte oder kriminelle Milieus, alles das, was Polizei im Vorfeld von Veranstaltungen oder gesellschaftlichen Ereignissen analysiert, um zu einer präventiven Lageeinschätzung zu kommen, gab keinerlei Hinweise auf das Geschehen in der Sylvesternacht. Dem angemessen bereitete sich die Polizei Kölns vor. Auch der für den Bahnhof und die Hohenzollernbrücke zuständige Bundespolizei handelte nicht anders. Was dann geschah, mit sexualisierten Übergriffen auf Frauen durch hunderte von Männern, vornehmlich mit Migrationshintergund, war weder vorhersehbar, noch mit den vorhandenen Kräften zu beherrschen. Es wurde zunächst nicht einmal in seinem wahren Ausmaß erkannt. Alle Beteiligten waren gleichermassen an einer Fehleinschätzung der Lage beteiligt und hatten in der konkreten Situation keine Chance, anders zu handeln, weil weitere Einsatzkräfte viel zu spät eingetroffen wären.

Alle gleich überrascht und verantwortlich

Eine solche Konzentration von Übergriffen hatte es in der Vergangenheit nicht gegeben, der Sachverhalt war völlig neu. Beispielhaft zeigt dies die erste Reaktion der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker, die noch zwei Tage später davon sprach, mit “einer Armlänge Abstand” hätte frau sich so manches vom Hals halten können. Der damalige, völlig überforderte, SPD-Innenminister Ralf Jäger ging sogleich auf Suche nach einem Verantwortlichen, obwohl weder das Lagezentrum des LKA, noch der Verfassungsschutz, noch andere Behörden  wie die Bundespolizei, Hinweise auf eine solche Lageentwicklung gehabt hatten. Nach einer Pressekonferenz in den folgenden Tagen, als sich die Bundespolizei, für die Horst Seehofer Verantwortung trug, aus der Mitverantwortung schlich, machten die Stadtspitze von Köln und der Landesinnenminister einen “Schuldigen” aus: Wolfgang Albers, PP von Köln. Er wurde von Innenminister Jäger in den einstweiligen Ruhestand versetzt, damit politisch mundtot gemacht und der Öffentlichkeit als “Bauernopfer” präsentiert. Albers, damals gerade mal 60 Jahre alt, war ob dieser öffentlichen Hinrichtung durch seinen Dienstherrn unter Komplizenschaft der Kölner Stadtspitze menschlich und politisch seitens seiner Partei, der SPD, tief getroffen.

Ein hervorragender Jurist und Kämpfer

Die Geschichte ist über den Kneipenwirt Ralf Jäger bereits lange hinweg gegangen und auch OB Reker erfreut sich in Köln mangels erkennbarer politischer Linie einer eher gespaltenen Popularität. Wolfgang Albers aber hat in eigner Sache gegen  die damalige Entscheidung, ihn als politischen Beamten einfach in den Ruhestand zu versetzen, geklagt. Und er hat nun Recht bekommen, weil das zuständige Gericht das Polizeigesetz NRW, das vorsieht, dass Polizeipräsident*inn*en politische Beamte seien, die jederzeit abberufen werden können, für verfassungswidrig erklärt hat. Das Urteil ist nicht nur eine späte Genugtuung für Albers. Es ist auch in der Sache richtig und begründet. Denn was hat der damalige Landesgesetzgeber eigentlich damit bezweckt, PP’s zu politischen Beamten zu machen, was man eigentlich nur mit Staatssekretär*innen, Leitungen von obersten Bundes- oder Landesbehörden macht?

Sachlich begründet

Es mag einmal zugetroffen haben, dass Polizeipräsident*inn*en als Behördenspitze zwischen der Polizei und der Bevölkerung bzw. der Landespolitik zu vermitteln gehabt hätten. Aber das ist spätestens seit den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts in dieser Pauschalität vorbei. Polizeipäsidenten wie Michael Kniesel in Bonn, der die “Deeskalationsstrategie” entwickelte, die dafür sorgte, dass viele politisch umstrittene Demo-Lagen, mit des sozialen Bewegungen, Autonomen und “Schwarzem Block” nicht zuletzt in Kooperation mit der Friedenskooperative als “zivilem Gegenstück” einer Kooperation entschärft und friedlich gestaltet werden konnten, machen deutlich, welch hohen internen, polizeitaktischen Einfluss die modernen Polizeipräsident*inn*en haben. Sie waren, ob Kniesel in Bonn, Hubert Wimber in Münster mit Verantwortlichkeit für Anti-Atomaktionen in Ahaus, Klaus Steffenhagen in Köln und sein Nachfolger Albers, vor allem Fachleute der Innenpolitik und keine “politischen Grußonkel”, wie manche Chefs der Polizei auf dem Land. Denn in den Kreisbehörden in NRW  sind nach wie vor die Landräte politisch für die Polizei zuständig, was einer fachlichen Expertise nicht gerade zuträglich ist.

Polizeipräsidien in der Fläche statt “Nebenjob” für Landräte

Die Landesregierung sollte das Urteil, das Wolfgang Albers erstritten hat, zum Anlass einer grudsätzlichen Organisationsreform der Polizei insbesondere im ländlichen Raum in NRW nehmen. Ohnehin hat Innenminister Herbert Reul sich bei der Ernennung der Polizeipräsident*inn*en in seiner Amtszeit mehr von fachlich-personeller Überzeugung als vom Parteibuch leiten lassen. Das ist gut. Aber dass immer noch Landräte, also Kommunalpolitiker ohne jede Polizeierfahrung, oberste Dienstherren der Polizei auf dem Lande mimen dürfen, ist fachlich schlichtweg ein Unding. Schließlich ist ein Landratsamt z.B. Genehmigungsbehörde für Flächennnutzungs- und Bebauungspläne oder umweltpolitische Auflagen. Läuft in diesen Bereichen etwas schief, gäbe es Hinweise auf Korruption oder Nichteinhaltung von Umweltstandards, würde der Landrat quasi gegen sich selbst und seine Verwaltung  ermitteln müssen. Eine nicht aufzulösende Interessenkollision. Die schwarz-grüne Landesregierung sollte deshalb das Albers-Urteil zum Anlass nehmen, eine grundsätzliche Reform der Polizeiorganisation im Land NRW und speziell in den Kreispolizeibehörden vorzunehmen.

Politische Konsequenzen für die Oberbürgermeisterin von Köln

Das Urteil aus Karlsruhe ist – jenseits der beamtenrechtlichen Folgen, die diese Klarstellung möglicherweise zugunsten von Albers hat – eine späte Genugtuung einer allzu wohlfeilen und auf die höchst unsolidarische Politik der Erbringung eines Bauernopfers für die eigenen poitischen Fehler gerichteten Strategie von Innenminister Jäger und vor allem der Kölner OB Henriette Reker. Ihren nassforschen Spruch von der “Armlänge Abstand” gegenüber dne Opfern muss man sich aus heutiger Sicht auf der Zunge zergehen lassen. Es war ihre unsensible, ignorante Reaktion auf eine nicht vorhersehbare und polizeilich mehr als schwierige Lage. Die 180-Grad-Wende Rekers zwei Tage danach, nachdem mit Albers ein vermeintlich Schuldiger gefunden worden war, ist politisch mehr als grenzwertig, menschlich irgendwo zwischen gewissenlos und opportunistisch  und moralisch absolut inakzeptabel. Anstatt dass Frau Reker, wie der “Kölner Stadtanzeiger” dieser Tage  berichtet, mit dem Gedanken auf eine dritte Amtszeit kokettiert, sollte sie lieber reinen Tisch machen und – wenn auch mit Verspätung – die Konsequenzen aus dieser peinlichen Blamage  ziehen und sich in den Ruhestand verabschieden.

 

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net

Ein Kommentar

  1. Annette Hauschild

    Es freut mich, dass Wolfgang Albers rehabilitiert ist.

    ich habe bezüglich der Silvesternacht in Köln die Erfahrung gemacht, dass die Grünen sich geweigert haben, den Realitäten ins Auge zu sehen. Sie hatten den Polizeibegriff “,Nafri” als rassistisch kritisiert. Da ich aber inzwischen bei derm Nahostkorrespondenten der taz und dem Nahostkorrespondenten der FR Berichte aus Kairo und Marokko über exakt gleiche Vorgänge las, war mir klar, dass es sicher keine Latinos oder Chinesen waren. Ich kritisiertedie Pressemitteilung der Grünen, rief im LaVo an und erklärte ihnen, dass es kein Rassismus sei, einer bestimmten Gruppe solch ein Verhaltensmuster zuzuordnen, sondern Erfahrung. Der LaVo wiegelte ab.

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