Kampf um die Weltmacht – das Vorspiel bestreitet der Profifussball der “Herren”
Eine vorherrschende liberale Meinung dies- und jenseits des Atlantik ist, dass die menschliche Welt sich gegenwärtig in einem Widerstreit zwischen “autoritären” und “demokratischen” Systemen befindet. Diese durch und durch unmaterialistische Vereinfachung teile ich nicht. halte sie eher für ein fulminantes analytisches Eigentor, aber bitte. Es gibt ein unschönes Beispiel, an dem sich das durchexerzieren lässt: den durchökonomisierten Profifussball der Herren.
Der von mir intellektuell sehr geschätzte FAZ-Mitarbeiter Michael Horeni hat in der Bezahlmauer seines Mediums jüngst eine kluge Analyse der Machtkämpfe in Uefa und Fifa sowie den grossen Vereinen geliefert – am Beispiel der Champions League, die in der nächsten Saison kein Mensch mehr verstehen wird. Aber Horeni versteht sie.
Sie sei “schon jetzt eine europäische Superliga”. Hmm, gar nicht gemerkt – Sie? Die immer in der zweiten Jahreshälfte laufende Gruppenphase war ungefähr so langweilig wie die Bundesliga. Die üblichen Verdächtigen setzen sich durch, denn sie brauchen “Planungssicherheit”.
In der neuen Saison sollen sich 36 Teams qualifiziert haben – wie, fragen Sie am besten die Uefa, in der das ausgekungelt wurde. Jedenfalls soll aus Deutschland die ganze obere Tabellenhälfte europäisch mitspielen. Die unteren Uefa-Ligen heissen Europa League und Conference League, und dienen der Pazifizierung derer, die nicht am grossen Kapitaltopf Platz finden.
“Konferenz” mit 18 Spielen gleichzeitig: “noch mehr Partien, die nicht interessieren”
Die 36 in der Champions League bilden eine tapetenlange Tabelle, spielen aber (vorläufig) nicht Jeder gegen Jeden, sondern gegen äusserst kompliziert bestimmte acht andere. Wichtig: immer mit “Planungssicherheit” für die dicken Fische aus England, Deutschland, Spanien und Qatar (PSG). Letzter Spieltag dieser “Liga” ist der 29. Januar 25, an dem um 21 h 18 Spiele gelichzeitig absolviert werden sollen. Diese Konferenzschaltung möchte ich ganz gewiss nicht sehen.
“Die Begeisterung”, so hat Kollege Horeni schnell herausgefunden, “hält sich unter europäischen Klubs in Grenzen”. Offenbar haben sie diese Zauberei so wenig verstanden wie ich. Es gebe “bei der Akzeptanz des neuen Formats noch Hürden … dass noch mehr Partien geschaffen worden sind, die nicht interessieren”, schreibt Horeni. Ich bin also nicht alleine zu doof.
600 Mio. € weniger
Den Kern des Unmutes benennt Horeni ebenfalls. Denn für diesen Zyklus habe die Uefa “600 Mio. € weniger” erzielt, als sie (mit 5 Mrd.) geplant und wohl den teilnehmenden Klubs versprochen hat. Besonders die Dickschiffe seien sauer: “da helfe es bei der neuen Verteilung natürlich überhaupt nicht, wenn nun noch mehr Esser mit am Tisch säßen”. Dä.
Die Uefa sagt es so: “Die vorgenommen Änderungen sollen die positive Zukunft des Fußballs auf allen Ebenen sichern und den Bedürfnissen aller Interessensgruppen gerecht werden.“ Das heisst zu deutsch: es sind nicht nur Mitesser; schlimmer: sie reden auch mit. Horeni nennt es einen “ausufernden Einigungsprozess”. Auch die deutsche DFL habe ja noch nicht einmal ihr mickriges Investorenmodell bei ihren 36 Mitgliedern durchbekommen.
“Major World Wide Partner” – 172 Todesstrafen in 2023
Da hat es der Fifa-Fürst Infantino mit seinen saudi-arabischen Feudalsponsoren viel leichter. Das Staatsunternehmen Saudi Aramco wird exklusiver “Major Worldwide Partner”. Was soll da noch schiefgehen? “Diese Partnerschaft wird der FIFA dabei helfen, ihre Flaggschiff-Turniere in den nächsten vier Jahren erfolgreich durchzuführen … Und sie wird es uns ermöglichen, wie bei allen unseren kommerziellen Vereinbarungen, unsere 211 FIFA-Mitgliedsverbände auf der ganzen Welt besser zu unterstützen.“
Damit ist auch erklärt, warum Herr Infantino bei seinen ähnlich der UN-Vollversammlung zusammengesetzten Fifa-Kongressen (1 Land = 1 Stimme) so bequem Mehrheiten bekommt, dass er dort gar nicht mehr fragen muss, ob seine Entscheidungen auch erwünscht sind. Er kann sie direkt von Zürich aus auf Instagram verkünden. Horenis treffende FAZ-typische Kritik: “Auf diese äußerst fragwürdige Weise verschaffe sich Infantino jedoch einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz, weil der Verband wie ein straff geführtes Unternehmen am Markt agieren könne. Im Grunde handelt die FIFA auch nicht mehr wie eine demokratische Organisation, sondern wie eine autoritäre … Schaffen es große europäischen Fußball-Organisationen, die demokratisch verfasst sind, diesen mittlerweile strukturellen Nachteil zu beseitigen, indem es ihnen gelingt, einen kleinen und flexiblen Entscheidungskern zu schaffen?”
Da sehen Sie, wie scheisse Demokratie ist.
Sie steht der Entwicklung des Kapitalismus im Weg. So kann es nicht weitergehen, oder? Sie müssen also FDP oder AfD wählen, wenn Sie den Weltfussball der Herren weiterbringen wollen.
Die Alternative für europäische Fussball- und Politikorganisationen wäre, die Basis des Fürsten Infantino und seiner saudischen Sponsoren mit Angeboten, die sie nicht ablehnen können, zu unterminieren. Und jetzt überlegen wir mal ganz scharf, was für Angebote das sein müssten. Abschottung und Mauern sind es jedenfalls nicht. Freihandelsabkommen, bei denen eine Seite über den Tisch gezogen wird, sind es so wenig wie der CFA-Franc. Es wäre ein Job für eine demokratisch gewählte EU-Kommission, die dazu kluge Köpfe benötigen würde. Aber wo sind die? Kennen Sie welche? Habe ich die auf dem Wahlzettel übersehen?
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