Für deutsche Revolvermedien ist es einfach: der Schiri hat Doitschland aus dem Turnier geworfen. Der Kollege Johannes Kopp/taz versucht das Ausscheiden des DFB-Teams dagegen schönzuschreiben. Vielleicht weil er meint, das Team gegen seine AfD-Feinde verteidigen zu müssen? Ich wage eine andere Deutung – auf der Basis der gleichen Fakten.

Kopp schreibt “Gerade in der ersten Halbzeit walteten unterdessen erst einmal die gröberen Kräfte.” Und das bei den fussballerisch klar überzeugendsten Teams des bisherigen Turnierverlaufs. Offenbar fürchtete das DFB-Team die demonstrierte sportliche und technische Stärke des Gegners, und ging anders als zuvor zu Werke. Bereits in der 8. Minute war mit Pedri ein spanischer Schlüsselspieler durch Verletzung “erledigt” – ein Fall von Wettbewerbsverzerrung durch Foulspiel. Schon die durch Nagelsmann veränderte Startaufstellung verriet, dass dieser Einstieg ins Spiel kein Versehen sondern strategische Absicht war. Und das entscheidende Eigentor in einem Kräftemessen, in dem es auf die “kleinen Unterschiede” ankam.

“Der immense Druck, der auf dem Team lastete”, führte zu den spielentscheidenden Fehlern, bzw. zur spielerischen Vorwegkapitulation vor der spanischen Stärke. Es wird auch von mir nicht bestritten, dass die meisten von Nagelsmann vorgenommenen Reparaturen am zuvor desaströsen Bild der DFB-Auswahl erfolgreich waren. Er hat einen Teamgeist wiederhergestellt, der weg war. Das Bild des Teams in den Medien wurde politischen Zeiterfordernissen (Diversität, Solidarität) behutsam, weniger dick aufgetragen als in der Bierhoff-Ära, angepasst. Gelungene Sympathiewerbung. Das ist dem Teil Deutschlands, der ein Grundrecht auf Welt- und Europameistersein beansprucht, nicht genug. Es musste schon ein Sommermärchen 2.0 sein.

Das ist gescheitert. Weder das Wetter noch der Fussball sind programmier- und berechenbar. Wie wir Menschen. Das ist der grösste Erfolg an diesem EM-Ereignis. Denn die Oligarchen dieser Welt versuchen exakt das: Programmierbarkeit, Planungssicherheit. So lange sie das dem Fussball nicht einbimsen, lebt er weiter.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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