Das Gewese der meisten Medien langweilt. Alles muss für Klicks und Aufmerksamkeit aufgeblasen werden. Ein Tag ohne Sensationen ist ein verlorener Tag – für den Kontostand der Medienbesitzer*innen. Ist das gut für die Demokratie? Noch nie gewesen. Von wegen “vierte Gewalt”. Nun also Frankreich, mit einem Wahlergebnis, das fast exakt so eingetroffen ist, wie es klugerweise vorausberechnet worden war. Kollektive Klugheit französischer Demokrat*inn*en machte es möglich. Aber wie weit reicht sie? Update 9.7.: René Martens/MDR-Altpapier zitiert Bernie Sanders/US-Senator so: “‘What we have got to focus on is policy’ (wie Sanders es im Original formuliert hat) – für Politikjournalisten dürfte das ziemlich verrückt klingen.”
Die Stärke des Linksbündnisses wie auch des Mittebündnisses der Macronist*inn*en basiert auf dem solidarischen Kandidat*inn*en-Rückzug im 2. Wahlgang. Zur Erinnerung: der erste Wahlgang, das Dokument eigener Stärke ohne anderer Kräfte Hilfe, erbrachte 32 Sitze für das Linksbündnis, schlappe 2 für die Macronist*inn*en und 37 für die Faschisten.
Dass es nun noch mal jotjejange ist – würden deutsche Demokrat*inn*en so viel Vernunft aufbringen, wenn das Wahlsystem sie dazu zwingen würde? Zum Glück nur eine hypothetische Frage. Schon, dass das Linksbündnis zustandegekommen ist, grenzt aus deutschen Augen an ein Wunder. Das LFI des Lafontaine-Freundes Melenchon ist dort die stärkste Gruppe, gefolgt von Sozis und Grünen – alle wären allein ohne Chance gewesen. Diese schon überraschende Heterogenität, die sich sehr wohl auf ein “Regierungsprogramm” zu einigen vermochte – entgegen den Fakenews in den heutigen WDR-Radionachrichten – schaffte es, mit den Macronist*inn*en nahezu landesweit Kandidaturabsprachen zu treffen. Das schaffen hierzulande ja noch nicht einmal WDR-Intendanz-Kandidat*inn*en.
So weit die Sensationen. Und die Politik? Werden die Demokrat*inn*en die Prüfungen bestehen, die jetzt vor ihnen liegen: eine Politik für das Land entwerfen und gestalten? Oder werden sie nun erst recht den Faschisten die Teppiche ausrollen, wie es die US-Demokraten in ihrem Land tun? Der nachweislich zurechnungsfähige FAZ-Korrespondent Majid Sattar lässt seine Redaktion einen Paywalltext überschreiben. mit “Joe Biden, die Demokraten und der Weg in die Katastrophe – Schon lange diskutieren die Demokraten, ob Joe Biden nicht zu alt für das Weiße Haus ist. Nun sind seine Gebrechen offenkundig. Wie konnte die Partei nur in diese Lage geraten?”. Das ist exakt die richtige Frage.
Wenn Politik wie KI wird
Die Künstliche Idiotie/KI ist der Kern des Problems. Mit der Politik ist es wie mit dem Fussball: wenn sie berechenbar für die kapitalistischen Lobbykräfte ist, ihre verfassungsrechtlich gebotene demokratische Autonomie fahrlässig aufgibt, ist sie am Ende. Zusehends sortieren die Akteur*inn*e*n nicht mehr nach Interessen und ihrem Ausgleich, nicht prozessorientiert sondern statisch, nach Gut und Böse, Freund und Feind, 1 und 0. So machen sie sich ersetzbar.
Nötig wäre – gerne auch “berechnende” – Empathie fürs Gegenüber, Interessenartikulation und die Suche nach und Identifikation von gemeinsamen, strategisches Denken, Verhandlungskompetenz, Bündnisfähigkeit. Das ist erlernbar. Allerdings nicht an einer Rechnertastatur.
Wenn Frankreich diese Prüfung besteht, soll es meinetwegen auch Europameister werden.
Ja, die Franzosen haben sich da was zusammengewählt… :))), das wird noch “lustig”. Die Leserschaft dieses Blogs muß sich das in etwa so vorstellen: es sollen sich die Schreiber Roland A. , Klaus V. , Reinhard O. ,Helmut L. und Annette H. mit Sarah W und Fabio de M. an einen Tisch setzen und auf der Basis des BSW-Programms eine Koalition schmieden wobei die ersten 3 nur Dank des Programms (was das Zugpferd war) überhaupt mit am Tisch sitzen dürfen.
Da möchte ich gerne Mäuschen spielen 🙂
Mit so viel Menschenkenntnis kann ich nicht mehr mithalten …
Das ist keine Menschenkenntnis sondern schlichte Textexegese. Was sich dahinter so an “Mensch” verbirgt kann ich mir nur mit Vorbehalten zusammenreimen und deshalb will ich mir über den/die Menschen kein Urteil erlauben.
Das “mit am Tisch sitzen” soll von meiner Seite aus nur folgendes ausdrücken.
Diese NFP ist maßgeblich von den Insumise gestaltet (80% des Programms hat eine klare Linke Handschrift die in dieser Klarheit weder von der PS noch den Grünen so formuliert worden wäre und das “Ukrainische” “europäische” “NatOtanistische” ist der Formelkompromiss an die beiden) worden aus der Erkenntnis bzw den Erfordernissen des Wahlrechts heraus und das die PS so viele, die Grünen so wenige, Sitze zur Verfügung gestellt wurden dem Umstand Ihres Abschneidens bei der EU Wahl und das in der kürze der Zeit keine lange Diskussion zu machen war.
Wer die französische Politik die letzten Jahre etwas genauer beobachtet hat, kommt imho nicht um die Erkenntnis herum das die Insoumise den anderen beiden einen gut Teil den “Arsch” gerettet haben mit NUPES usw. Überbordende Dankbarkeit sollte man aber in der Politik auch nicht von seinen politischen Gegnern erwarten Siehe die Aufkündigung des NUPES für den vermeindlichen schnellen Sieg bei den EU-Wahlen.
Summasumarum, ich bin ziemlich baff wie die relativ junge linke Garde den politischen Wechsel vom starren System der absoluten Mehrheiten hin zum koalieren schafft. Die sog Mitte die aber eher rechts ist, hat dieses politische Verständnis noch nicht wenn ich mir ihre Statements so anhöre.
Im Übrigen empfehle ich den Beitrag von U. Guerot auf Overton…..