mit Update nachmittags & 22.7.: Feministische Glotze

Wie kommichdrauf? Blogkollege Alfons Pieper/”Blog der Republik” ist eine faire Würdigung der Bundeskanzlerin a.D. Angela Merkel gelungen: “Die Merkel wird nie was: So Unionskreise einst in Bonn – Zum 70. Geburtstag der Ex-Kanzlerin”. Der Autor war sehr, sehr lange Hauptstadtkorrespondent der WAZ in Bonn, und übte bei dieser grössten Abonnementzeitung der BRD zahlreiche leitende Funktionen aus.

Anders als den heutigen habe ich die ehemalige Bundeskanzlerin nie persönlich kennengelernt. Ich kenne allerdings Viele, die sie kennengelernt haben. Sie zeichnen ein ganz anderes Bild, als Merkel selbst für sich in der Medienöffentlichkeit hat zeichnen lassen. Eine führende Rolle spielte dabei diese Dame aus Hennef, also ganz nebenan von Beuel, die in Bonn ihr VWL-Diplom erwarb. Ihr vorgeblicher Entdecker Peter Hintze hatte für sich selbst bereits das Unterschätztwerden als strategischen Vorteil erkannt, und nichts dagegen unternommen. So lief es dann auch bei Frau Merkel, der “mächtigsten Frau der Welt”.

Tatsächlich erweist sie sich im direkten persönlichen Kontakt, so wurde mir völlig übereinstimmend berichtet (u.a. von unserer heutigen Oberbürgermeisterin), als nicht nur hochintelligent, was sie in der Öffentlichkeit – ebenso intelligent – zu überspielen wusste, sondern in fast schon rheinischer Weise humorvoll – und gerne auf subtile Art “giftig”. Eine, die ziemlich viel von der Persönlichhkeit Merkels verstanden hat, ist die nicht minder verehrungswürdige Katharina Thalbach.

Wie Merkel die Männer domestizierte, davon erzählt oben verlinkter Kollege Pieper eine Anekdote, die vielleicht mehr über ihn als über Frau Merkel verrät. Seine Redaktion hatte einen Interviewtermin mit der Kanzlerin ergattert. Sie mussten eine halbe Stunde warten. Dann: “Sie ging sofort in die Offensive, betonte, dass sie sich ohnehin gewundert habe über den Interview-Wunsch einer linken Zeitung. Da ist man als Journalist geplättet, wundert sich.” An dieser Stelle musste ich sehr lachen: “linke Zeitung”. Die WAZ gehörte – damals – zwei Verlegerclans: den sozialdemokratischen Brosts und den CDU-Freund*inn*en “Funke”. Letztere seinerzeit repräsentiert durch Günther Grotkamp, der sein Lebenswerk durch den Herauskauf der Brosts und Komplettübernahme zur “Funke-Mediengruppe” vollendete. Heute, das wird Frau Merkel gewiss amüsieren, hat Grotkamp-Erbin Julia Becker dort den Hut auf. Damals von Merkel als “links” verortet zu werden, das flösste dem Journalisten Respekt ein (“geplättet”). So ernst nimmt die ihn? Wow.

Kulturell hat das öffentliche Persönlichkeitsbild Merkels gewiss vieles in dieser zurückgebliebenen Republik zum Guten entwickelt. Dass sie ganz machiavellistisch die “schwäbische Hausfrau” Wolfgang Schäuble – Zweckbündnispartner beim Sturz Helmut Kohls – Schaden an der Infrastruktur des Landes anrichten liess, nicht nur unseres Landes, sondern noch mehr in einigen weniger mächtigen EU-Ländern – das ist ein bleibender Schaden, den sie ihrer “Ära” zurechnen lassen muss. Damit sind die aussenpolitischen Malheurs noch gar nicht durchdekliniert, die, wer will, natürlich all den begrenzt fähigen Ausseminister*inne*n zurechnen kann. Die Richtlinienkompetenz hatte all die 16 Jahre ebendiese Angela Merkel.

Update nachmittags

Feministische Glotze

Sie sind wieder da in ihrer vollendeten österreichischen Bosheit: die Vorstadtweiber. Verfügbar bis 6.9. Warum die bei ihren linearen Wiederholungsfrequenzen nicht dauerhaft mediathekverfügbar gestellt werden, fragen Sie am besten das Justiziariat Ihres zuständigen ARD-Senders oder, noch besser, die Staatskanzlei Ihrer Landesregierung.

Die Vorstadtweiber jedenfalls hatten auf mich bei ihrer Domestizierung ihrer durchweg korrupten Mannsbilder schon immer den Eindruck hinterlassen, dass sie, wenn sie gross sind, auch eine Merkel werden wollen. In Österreich steht so ein Phänomen – seit der deutschen Sissi – immer noch aus. Meine Lieblingsfiguren werden gespielt von Maria Köstlinger und Adina Vetter. Letztere stieg relativ früh leider wieder aus – sie hatte wohl genug zu tun.

Ich habe diese Serie nun schon zweimal komplett geguckt. Und werde sie, irgendwann genauso oft wie “Barnaby”, immer wieder gucken. Allein schon, um meine individuellen Gehässigkeitsbedürfnisse (ein weiteres Mal) zu befriedigen. Nach dem Gucken bin ich zufriedener, wie nach Schokoladeessen.

Am anderen Ende der Klassengesellschaft ist “Box 21” angesiedelt. Startet übermorgen. Kenne ich noch nicht, werde ich mir ansehen. In Ankündigungen ist von “Zwangsprostitution” und “Rachefeldzug” zu lesen. Beides hat weder mit Merkel noch mit Vorstadtweibern zu tun – aber vielleicht umso mehr mit Feminismus? Regie, Drehbuch, Kamera alles Männer.

Update 22.7.

“Box 21” sehe ich gerade und melde mich davon live. Das ist erstklassige schwedische Kost. Ich habe sogar den Wetterbericht vergessen zu gucken. Für Kühlschrank- und Klogänge unbedingt die Pausetaste drücken. Dramaturgisch erste Sahne.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net