Ursula von der Leyen ist als EU-Kommissionspräsidentin wiedergewählt worden. Die Wahl war zwar geheim, aber es ist ein offenes Geheimnis, woher diesmal über 400 Stimmen kamen, die v.d. Leyen gewählt haben. Ihre eigene EVP, ein rechtskonservatives Bündnis, die Sozialdemokraten, die meisten Grünen und die liberale Fraktion – mit Ausnahme der FDP. Wer dies auf die Intimfeindschaft Strack-Zimmermanns mit Ursula v.d. Leyen zurückführen möchte, mag nicht völlig falsch liegen. Was die FDP aber politisch zur Begründung auf ihrer Homepage anbringt, klingt nicht weit entfernt von der AfD – oder ihrem Abklatsch unter Lucke und Olaf Henkel.
Nichts als ideologische Scheuklappen
V.d. Leyen, so die FDP, hätte die “Stabilität der EU” angegriffen, weil sie ein Investitionsprogramm in die Zukunft und die Weiterführung des “Green New Deal” als “Green Indstrial Deal” angekündigt habe. Damit, so Chefideologe der FDP-Austerlitätspolitik, Bijan-Djir-Sarai, “rüttle sie am Kern Europäischer Stablilität”. Sie sei Antworren auf die “Fragen der FDP” zu “Schuldenregen, Verbrenner und Bürokratieabbau” schuldig geblieben. Die Grünen, denen der kleine Begriffswechsel von “new” nach “industrial” nicht aufgefallen zu sein scheint, kam öffentlich dazu kein Wort. So sind sie inzwischen. Zurück zur FDP.
Die entgegen gesetzlicher Realitäten, umweltpolitischen Notwendigkeiten und wissenschaftlicher Vernunft für eine Wiederzulassung der Verbrennungsmotoren kämpfende FDP hat sich damit in Wirklichkeit in eine populistische Sackgasse manövriert. Der Skandal um den synthetischen Dieselkraftstoff HVO 100 mit einem für Essenstermine mit Lobbyisten gemieteten Staatssekretär im Hause Wissing (dasselbe hat CDU-NRW-Generalsekretär Hendrik Wüst vor genau 10 Jahren mit seinem Chef Rüttgers versucht) kommt gerade erst ans Licht. Was von diesen Kraftstoffen zu halten ist, zeigt ein Blick in die Vergangenheit: Anlässlich der UN-Umweltkonferenz “Renewables 2004”, die Umweltminister Jürgen Trittin nach Bonn geholt hatte, verkündeten DaimlerChrysler und Volkswagen: “Sunfuel” als gemeinsame Biodiesel-Strategie aus biologischen Abfällen. Trotz dreistelliger Millionensubventionen für Firmen wie “Choren” (Sachsen) in den Folgejahren kam der als umweltfreundlich gepriesene Kraftstoff niemals auf den Markt.
Lindner und Strack-Zimmermann allein zu Haus
Der geforderte “Bürokratieabbau” meint nichts anderes, als den gebetsmühlenartigen Widerstand der FDP gegen das von der EU beschlossene und aus menschenrechtlicher Sicht immer notwendigere Lieferkettengesetz, auf das sich im übrigen die Wirtschaft seit Jahren eingestellt hat. So beschäftigen sich etwa die Nachhaltigkeitsgremien z.B. der Daimler AG/Mercedes-Benz AG und anderer deutscher Schlüsselunternehmen in Deutschland seit Beginn der 2010er Jahre freiwillig und konstruktiv im Dialog mit den Gewerkschaften mit dieser Problematik. Die FDP reitet hier ein jahrelang totes Pferd. Ebenso, wie der Bundesfinanzminister, der angesichts der niedrigsten Verschuldensquote Deutschlands in der Wirtschaftskrise lieber die Wirtschaft zu Tode spart und Schulden in Form maroder Brücken, Schienen, Schul- und Hochschulgebäude und der Infrastruktur kommenden Generationen überlässt, anstatt in die Zukunft zu investieren. Die Schuldenbremse als Fetisch der FDP – der wohl letzte politische Inhalt, mit dem die Resterampe des Wirtschaftsliberalismus versucht, eine Existenzberechtigung und Wähler*innen zu finden.
Niedergang jeder liberalen Idee der FDP seit 1949
Der Niedergang der FDP ist wirklich tragisch. Wie aktuell in vielen europäischen Ländern (Dänemark, Norwegen, Niederlande, Italien, Österreich, u.v.a.) gab es in Weimar eine rechtsliberale (DVP) und linksliberale (DDP) Partei – in der Bundesrepublik ab 1947 in der FDP vereint. Mit der Spaltung und dem Verrat der sozialliberalen Koalition 1982 hat der Zerfall der FDP begonnen. Sie hat seither mehr als die Hälfte ihrer Mitglieder und Wähler*innen an Grüne, SPD und die Linke verloren. Sie dümpelt derzeit im Bund zwischen 4% und 5%, im Osten ist sie praktisch nicht mehr existent. Wenn Lindner und Strack-Zimmermann mit ihrem politischen Kurs der politischen A…kriecherei bei Friedrich Merz und rechts davon Erfolg hätten und bei 11% in den Umfragen stünden, wäre das noch neidvoll anzuerkennen. Angesichts der realen Zahlen aber bleibt nur, den Kopf über den ungebrochenen Willen der FDP-Spitze zur Selbstzerstörung zu schütteln. Was sagte Olaf Henkel kürzlich über sich und die die AfD: “Ich habe geholfen, ein Monster zu schaffen!”
Das sollten sich manche FDP-Spitzenfunktionär*inn*e*n und vor allem die Mitglieder mal durch den Kopf gehen lassen.
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