In China auch sch…..lecht
Jüngst filosofierte ich mit einer guten Freundin bei einer behaglichen gesellschaftlichen Zusammenkunft über das öffentliche Ansehen von Berufen. Als ich noch jung war, in den 70ern, kletterte ich im Ansehen meiner Mitschüler*innen, vor allem -innen, mehrere Etagen aufwärts, als ich mich mit 16 bei den Jungdemokraten organisiert hatte. Das bescherte mir geradezu wundervolle Oberstufenjahre, in denen ich als Geschäftsführer der Schülervertretung amtierte (Schülersprecher dagegen kamen und gingen …). Für die Abwahl eines Schülersprechers von der Schülerunion sorgte ich persönlich, quasi als Geschenk an mich selbst zu meinem bestandenen Abi (Durchschnitt 3,0).
Heute ist das unvorstellbar. Politiker*innen der Regierungsparteien SPD und FDP waren vergleichbare Stars, wie Popmusiker oder Fussballer (Frauen kaum darunter). Bei Bundestagsdebatten – stundenlang live parallel bei ARD oder ZDF – bildeten sich Menschentrauben vor Schaufenstern, als handele es sich um ein WM-Finale. Journalist*inn*en schwelgten in Saus und Braus, Spesenabrechnung unproblematisch. Ein früherer Express-Redakteur erzählte mir jüngst, dass ihm für einen Bericht von einem Bundesligaspiel in Süddeutschland nicht nur das teuerste Hotel und die Reise gezahlt wurde, sondern auch noch 800 D-Mark für Spesen (Speisewagen etc.; da wurde damals noch frisch zubereitet).
Ein jüngst verstorbener Ex-Fotograf des Stern (der mal rund 1 Mio. Expl. verkaufte) wird in einem FAZ-Nachruf so zitiert: “‘Das Wunderbare damals’, sagte er und schüttelte fast ungläubig den Kopf: ‘Zeit und Geld haben keine Rolle gespielt. Absolut keine.'” Das war ungefähr die Zeit, als Extradienst-Gastautor Hans Conrad Zander sich beim Stern bewarb, erfolgreich – Henri Nannen war eingeschlafen; Zander spricht in ruhigem und gelassenem Schweizer Akzent, seine selbstgesprochenen Radiobeiträge sind ein Genuss für Ohr und Hirn.
Seinerzeit war es unmöglich beim WDR ein Volontariat zu ergattern. Alle wollten eins, die wenigsten bekamen es. Heute suchen alle Medien verzweifelt qualifizierten Nachwuchs. Denn obige “Statista”-Grafik müssen Sie erst aufklappen, um zum Journalismus (32% hohes oder sehr hohes Ansehen) zu gelangen. Noch sieben Berufe sind schlechter angesehen, darunter Politiker*in (14%). Pfft … Was sagt uns das zu unserer Demokratie?
Interessant – im “Sozialismus” auch nicht anders
Es gibt Einschätzungen, dass das berüchtigte – und noch erprobte – chinesische Social Credit-System (verfügbar bis 19.9.) von der Mehrheit der Chines*inn*en deswegen befürwortet wird, weil sie sich davon mehr Objektivität und weniger Willkür erhoffen, als von der real existierenden Kommunistischen Partei, also ihren Politiker*inne*n.
Das Ansehen der Journalist*inn*en ist dort auch nicht besser, wie das Pseudonym Guan Xin/overton anlässlich der Olympischen Spiele schreibt: “Journalisten – die neue Hassfigur der Chinesen – Die chinesische After-00-Generation verhält sich in der Öffentlichkeit anders als die vorherigen Generationen – sie ist selbstbewusster.” Ganz unten wie bei uns.
Ich werde hier nicht aufgeben. Es gibt sie, die Guten.
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