Der Newsletter des Demokratischen Salons für September 2024 erscheint kurze Zeit nach dem 102. Geburtstag von Georg Stefan Troller, der in einem Gespräch mit der ZEIT sagte: „Ich bin als Pessimist gestartet und habe mich über tausend Hindernisse zum Optimisten entwickelt. Das finde ich als Fazit nicht schlecht.“ Der Demokratische Salon gratuliert von ganzem Herzen. 

Das Editorial plädiert: „Richtig rechnen! Ein Rezept wider die Dystopisten“. Es geht um Prozentrechnung und Framing in der politischen Debatte, nicht zuletzt in der aus dem Ruder laufenden Migrationsdebatte.

Nach den Kurzvorstellungen der neuen Texte lesen Sie im Newsletter Hinweise auf Veranstaltungen unter Beteiligung des Demokratischen Salons, darunter die Premiere der Szenischen Collage „Wir werden wieder tanzen“ am 8. Oktober 2024 in Köln, Empfehlungen zum Besuch weiterer Veranstaltungen, Ausstellungen und Wettbewerbe sowie Leseempfehlungen und Hintergrundinformationen, die Sie schnell erreichen, wenn Sie auf die jeweiligen Stichworte im Newsletter klicken. 

Die neuen Texte im Demokratischen Salon:

  • Iuliia Bentia, Theaterkritikerin aus Kyiv, stellt in „Terror und Körper“ die Aufführung der Oper von François Poulenc „Dialogue des Carmélites“ in der Oper in Lviv im Sommer 2024 vor. Sie beschreibt die kontroverse Entstehungsgeschichte und bezieht ein Ereignis der Französischen Revolution auf den russisch-ukrainischen Krieg. Inszenierung, Kostüme, Bühnenbild, Farben – „Schwarz und Weiß mit einem Hauch von Rot“ – bieten ein eindrucksvolles Schauspiel von Krieg und Terror, Macht und Ohnmacht, Opferbereitschaft und Opportunismus, der Zerstörung von Körper und Seele. (Rubriken: Kultur, Osteuropa)
  • Alvaro Solar und Cristina Collao haben in Bremen das Theater Aber Andersrum gegründet. In „Die Antwort heißt: Wir machen Kunst“ stellen sie ihre Arbeit vor. Im Mittelpunkt stehen die biographische Theaterproduktion „Grenzenlose Hoffnung“ und der Gedichtband „Metamorphose“. Sie geben Menschen die Gelegenheit, ihre Geschichte zu erzählen und zu spielen, ihre Gefühle zu ordnen oder neu zu entdecken. Jede Theaterproduktion berührt den Kontext von subjektivem Erleben im gesellschaftlichen Rahmen. (Rubriken: Kultur, Migration)
  • Mehmet Daimagüler, Antiziganismusbeauftragter der Bundesregierung, berichtet in „Die Demokratie hat ihren Preis“ über die Vielfalt der Organisationen der Sinti und Roma, die Lebensverhältnisse und den Kampf gegen Antiziganismus, auch in Zusammenarbeit mit den Beauftragten für andere Minderheiten und gegen Diskriminierung. Seine Erfahrungen im NSU-Prozess als Anwalt der Nebenklage verbindet er mit kritischen Hinweisen zur aktuellen Verfassung unserer Demokratie. (Rubriken: Liberale Demokratie, Treibhäuser) 
  • Marina Chernivsky und Friederike Lorenz-Sinai berichten in „Identitätsstiftender Antisemitismus“ über ihre wissenschaftlichen Studien und ihre Beratungsleistungen vor und nach dem 7. Oktober. Jüdisches Leben veränderte sich, ohnehin schon vorhandener Antisemitismus wurde wieder öffentlich ausgelebt. Antisemitismus konstituiert Identität, Hochschulen bieten einen ideologischen Rahmen. Es ist existenziell und führt zu grundsätzlicher Ablehnung alles Jüdischen. Die beiden Wissenschaftlerinnen dokumentieren Projektionen und Erlösungsfantasien. (Rubriken: Antisemitismus, Jüdischsein)   
  • Norbert Reichel erinnert in dem Essay „Weil sie Êzîd:innen sind“ an den 74. Völkermord an den Êzîd:innen vom 3. August 2014 durch den „Islamischen Staat“ („Daesh“). Die Lage ist für Êzîd:innen im Irak nach wie vor lebensgefährlich, dennoch wird aus Deutschland abgeschoben. Der Essay analysiert die prekäre Lage der Êzîd:innen anhand der „dokumentarischen Romane“ von Ronya Othmann, eines Dokumentarfilms von Düzen Tekkal, einer Studie von Rick Letham Lechowick, einer Gesprächsrunde der taz und von Internetangeboten der êzîdischen und kurdischen Zivilgesellschaft. (Rubrik: Levantinische Aussichten)
  • Patrice Poutrus erörtert in „Die (Sehn-)Sucht nach der homogenen Gesellschaft“ die bis in die Kaiserzeit zurückreichende Geschichte anti-migrantischer Einstellungen und Politik. Auch die DDR war eine „Migrationsgesellschaft“, es zeigten sich vergleichbare Vorbehalte wie in der Bundesrepublik Deutschland. Patrice Poutrus erläutert die Geschichte von Begriffen wie „Integration“, „Assimilation“ und „Remigration“. Dahinter steht immer die Annahme, nur eine homogene Gesellschaft sorge für friedliches Miteinander. Nach Gewalttaten werden die Opfer schikaniert. (Rubriken: Migration, DDR)
  • Gerd Pütz fragt in dem Essay „Der gute Mensch von Rom – Faschismus light all‘italiana“, als wer oder was sich Giorgia Meloni in Szene zu setzen versteht. Nach wie vor wirkt das Vermächtnis Silvio Berlusconis, wirken ausgewiesene Faschisten. Andererseits ist sie die loyale Europäerin, die mit G 7, EU und NATO die Ukraine unterstützt. Die Vorgeschichte ihres Erfolgs spiegelt Kontroversen um die italienische Erinnerungskultur, gerade auch in Medien- und Kulturpolitik. Ihre politischen Vorhaben zeigen, dass sie im Grunde mehr Thatcher als Mussolini folgt. (Rubriken: Europa, Treibhäuser) 
  • Fritz Heidorn stellt in dem Essay „Unsterblich – Oder der Traum vom ‚sinnhaften‘ Leben“ Literatur und Filme vor, die sich den Menschheitstraum von ewigem Leben, Wiedergeburt und Wiedererweckung, gegebenenfalls in einem neuen, mehr oder weniger fernen Ambiente widmen. Mit diesem Text schließt der Autor an seinen Essay „Über Zeit und Veränderung“ an. Die Themen Zeitreise und Unsterblichkeit berühren technologische Fantasien, religiöse und philosophische Dimensionen, sie zeigen, wie Technologie und Spiritualität die Gefühle der Menschen berühren. (Rubrik: Science Fiction) 
  • Theresa Hannig stellt „Die Climate Fiction und die Politik“ ihren fünften Roman „Parts Per Million“ vor, ein Spiegelbild ihres vierten Romans „Pantopia“, ein Roman über die Anliegen der Klimabewegung und mögliche Eskalationen legitimen Protests, der die Hauptperson des Romans, eine Schriftstellerin, in Terrorismus abdriften lässt. Theresa Hannig erläutert ihre politischen Einschätzungen zur Zukunft der Demokratie, zur Rolle Künstlicher Intelligenzen und zur Einsamkeit junger Menschen. Sie fordert, dass Politiker:innen auf TikTok ein Gegengewicht zur AfD entwickeln. (Rubriken: Science Fiction, Treibhäuser) 
  • Zara Zerbe stellt in „Realistische Fantastik“ ihren ersten – serientauglichen – Roman „Phytopia Plus“ vor. Menschen können für 350.000 EURO ihr „Bewusstsein“, ihre Seele, auf Pflanzen speichern lassen und auf diese Art ihren körperlichen Tod überleben, vorausgesetzt es gibt jemanden, der die Pflanzen fachgerecht vorbereitet und pflegt. Zara Zerbe nennt ihre Art zu schreiben „Collage“ und erklärt, welche Filme und Bücher sie beeinflusst haben. Sie verwendet den Begriff „Antikapitalistische Magie“ von Julia Ingold und verweist auf das Manifest „Post-Cli-Fi“ von Aiki Mira. (Rubriken: Science Fiction, Treibhäuser) 

Über Norbert Reichel / Demokratischer Salon:

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