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Zur Pflege Bad Godesbergs

Der durchaus renommierte Denkmalpfleger Dr. Martin Bredenbeck hat am 8. Oktober dem Bonner General-Anzeiger ein langes Interview gewährt. Bredenbeck sagte auf Fragen der GA-Mitarbeiterin Ebba Hagenberg-Miliu nach Verständnis für die Erzählung vom Verlust der schönen Altstadt Bad Godesbergs: „Wir Denkmalpfleger müssen mit dem Verschwinden historischer Bauten professionell umgehen und keine emotionalen Verlusterzählungen kultivieren.“ Seine Zunft müsse wissenschaftlich Veränderungen nachgehen und dabei „den handelnden Personen zugutehalten, dass sie sozusagen keine bösen Absichten hatten.“ Bredenbeck findet durchaus positive Worte für das Abräumen „seit Jahrzehnten unrenovierter Altbausubstanz“. Man müsse berücksichtigen, dass die „damaligen Akteure“ Godesberg sicherlich „nicht hässlich machen“ wollten.

1964 rollten die Abräumgeräte im Teil Alt-Godesberg an. Sie räumten in der Tat gründlich ab. Erst 1994 war der Gesamtplan für Alt-Godesberg komplett erfüllt, war diese „Sanierung“ beendet. Dazwischen liegen 30 Jahre, also gemessen an der Dauer eines Berufslebens fast eine ganze Generation. Und nun hat ein neuer Teil „Sanierung“ neben und über der vor dreißig Jahren beendeten Sanierung eingesetzt. Dreißig plus dreißig. Einen Steinwurf vom Michaelsplatz (ein Kern früherer Sanierung) soll die neue Sanierung stattfinden. Ob die ebenfalls dreißig Jahre dauern wird…?

Mich hat die schnöde Art und Weise, in welcher Bredenbeck über Verlustempfunden hinweg geht und wie er die wissenschaftliche Orientierung hochhält, ziemlich geärgert. Hierfür gibt es bezogen auf Bad Godesberg keinen Grund. Oder ist völlig vergessen, was der namhafte Redakteur der Süddeutschen Zeitung, Joachim Käppner, 2015 den Planern und Exekutoren in Godesberg ins Stammbuch geschrieben hat: „Es war einmal eine Altstadt. Nicht die Bomber der Royal Air Force haben Bad Godesberg zerstört. Es waren die Stadtplaner. Jahrzehnt um Jahrzehnt haben sie die Innenstadt verhunzt im Namen der Moderne – wie am Michaelplatz in der Innenstadt. Wer heute durch die City wandert, gewinnt den Eindruck, diese sei eine Art Strafkolonie für die unbegabtesten Architekten der Nachkriegszeit gewesen.“

Joachim Käppners wenig charmante Beschreibung ist neueren Datums. Es kann den entscheidenden Leuten der Sanierung aber doch nicht entgangen sein, was schon zu Beginn der damaligen Sanierung diskutiert wurde:

Ich denke an Jane Jacobs „Tod und Leben großer amerikanischer Städte“ von 1961. Das Buch erschien bereits 1963 in deutscher Sprache. Es wurde durchaus zur Kenntnis genommen.

Dann kam 1965 Alexander Mitscherlichs „Die Unwirtlichkeit unserer Städte“. Auch dieses Buch wurde breit diskutiert: Unsere Städte und Wohnungen bestünden aus „harter Materie“, schrieb der, daher wirkten sie „wie Prägestöcke; wir müssen uns ihnen anpassen.“ Weiter schrieb er in seinem heute noch aufsehenerregenden Buch „Und das ändert zum Teil unser Verhalten, unser Wesen.“

Der grandiose Städteplaner Gerd Albers war schon Mitte der siebziger Jahre überzeugt, dass Abreißen passé sein sollte und Erhalten die Zukunftsformel sei. Ich könnte diese Aufzählung lange fortsetzen.

So sollte ein Denkmalpfleger nicht mit der Einstellung zur Bausubstanz einer Heimat umgehen. Und dabei sollte er auch die kritische Debatte der angeblich durch die Wissenschaft vorgegebenen Wege des Bauens nicht einfach vergessen. Bauen ist Bedürfnisse erfüllen, Funktionen einlösen, Erinnerung schaffen, Gelderwerb und Arbeit möglich machen, auch Lebenssinn. Wer ans Ende der Kette kommt, der findet,….. na, was glauben sie? Genau: Denkmäler, die dann hoffentlich gut gepflegt werden und Heimat sind.

Über Klaus Vater / Gastautor:

Klaus Vater, geboren 1946 in Mechernich, Abitur in Euskirchen, Studium der Politikwissenschaft, arbeitete zunächst als Nachrichtenredakteur und war von 1990 bis 1999 Referent der SPD-Bundestagsfraktion. Später wurde er stellvertretender Sprecher der deutschen Bundesregierung. Vater war zuvor Pressesprecher des Bundesministeriums für Gesundheit unter Ulla Schmidt, Sprecher von Arbeitsminister Walter Riester, Agentur-, Tageszeitungs- und Vorwärts-Redakteur. Mehr über den Autor auf seiner Webseite.

2 Kommentare

  1. Norbert Reichel

    Wunderbarer Text. Es ließe sich genau so über die Bonner Innenstadt schreiben. Am schlimmsten sind Bahnhof, Kaiser-Arkaden und Rathausgasse. Wenn man jemanden am Bahnhof abholt, muss man sich schämen. Immerhin erhielt der Bonner Hauptbahnhof in einer Bewertung von 30 Bahnhöfen den Platz 30. Vorne lagen Leipzig Hbf und Berlin Hbf.

  2. Rolf Sachsse

    Die zweimalige Nutzung des “durchaus” im ersten Absatz macht deutlich, dass es sich hier um ein Argument ad personam und nicht um eine kritische Auseinandersetzung mit der Godesberger Stadtplanung handelt (wobei der gescholtene, rhetorisch gelegentlich nicht glücklich agierende Denkmalpfleger von einer unterkomplex argumentierenden Journalistin negativ verstärkt wird). Die Geschichte beginnt anfangs der 1960er Jahre, als die kleine, noch selbständige Stadt im Kernbereich verwaltungstechnisch wie vom Grundbesitz her fest in der Hand zweier Familien war; als sich um diese Zeit abzeichnete, dass es nach einer Gebietsreform 1969/70 mit der Selbstständigkeit vorbei sein würde (dem Stadtbezirk Beuel hat ein gleiches Agieren ähnlicher Akteure das Monster Stadthaus samt ‘Möhneplatz’ beschert) und man noch schnell ein Prestigeprojekt zum eigenen Ruhm hervorholen wollte. Die Bücher von Jacobs und Mitscherlich hat zu diesem Zeitpunkt dort niemand gelesen; Adler kam ein halbes Jahrzehnt später, genauso wie Martin Neuffer aus Hannover mit seinem Vorschlag, im innerstädtischen Bereich keinen Privatbesitz mehr zuzulassen. Das hätte tatsächlich viele Probleme heutigen Städtebaus gelöst – für Bad Godesberg (schon in den 1980er Jahren von englischsprachigen Mitbürger*innen mit “Bad Go” abgekürzt) kamen diese Debatten zu spät. Und ja, eigentlich war der erste Entwurf aus dem Haus Böhm wirklich ganz schön, vor allem im Vergleich zur damaligen, wirklich grausam schlechten Bausubstanz der Innenstadt.

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