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Selbstmord in der zweiten Halbzeit

BVB – Licht und Schatten räumlich und zeitlich eng beieinander

Zur Pause führte der BVB im Bernabeu gegen Real mit 2:0. Das schaffen nicht viele. Prägendes Thema in den Pausengesprächen meiner Fussballkneipe war, warum eine Mannschaft, die das kann, sich in der Bundesliga bisher nur auf den 7. Platz gespielt hat. Die meisten Gründe waren beim 1:5 beim VFB Stuttgart zu sehen. Und heute wieder.

Bei den vier Dortmunder Ecken witzelte ich jedes Mal “Hummels fehlt”. Die ganze Last des Kopfballspiels hängt an Guirassy. Der war an beiden Dortmunder Toren aktiv beteiligt, obwohl er beim zweiten den Ball gar nicht berührte. Aber er band bis zu vier Gegenspieler und schafft so Räume für Mitspieler. So hohe Spielintelligenz wie er haben nicht viele.

Was dem BVB dann aber in der zweiten Hälfte fehlte, waren Führungsspieler, die in den Minuten höchsten Stresses, sportlich und atmosphärisch, ihre Mitspieler stabil machen und im besten Sinne anfeuern. Im Stadionlärm hat der Trainer dazu keine Chance mehr. Solche Spieler – mit einer natürlichen sportlichen Leistungsautorität – fehlen dem Kader offenbar. Emre Can, dem solche Fähigkeiten in Medien gelegentlich unterstellt werden, wurde von seinem Trainer Nuri Sahin regelrecht demontiert. Jeder weiss, dass Cans Stärken am wenigsten im Aufundabrennen an der Seitenlinie liegen, und heute wurde es der ganzen Fussballwelt demonstriert. Können tut das der ausgewechselte Ryerson, der regelmässig in 90 Minuten Spielzeit die höchsten Kilometerwerte (ca. 12) vorzuweisen hat.

Auf Ryersons Seite spielte heute der Mann des Spiels und dreifache Torschütze Vinicius Junior, ein Spieler wie ein Vulkan, in der zweiten Halbzeit wie unter Drogen. Kein Dortmunder wusste, wie der Kerl am Eindringen in den Strafraum gehindert werden konnte. Und trotzdem vermied er komplett in solchen Situationen adeyemiartiges Hinfallen. Der Kauf des im Vergleich zu ihm blass gebliebenen Mbappé scheint ihn zusätzlich anzufeuern. Und natürlich schafft Mbappé durch seine Bindung von Gegenspielern auch Freiräume für ihn.

Noch ein Wort zu BVB-Trainer Sahin. Wie bei meinem Freund Klaus Kleinöder war es mir immer ein Genuss, Nuri Sahin als Spieler zu sehen. Sein gutes Auge, seine Passgenauigkeit, seine Schusstechnik, alles begnadet. Heute machte er einen Fehler, den fast alle machen, die in Madrid verlieren: nach einem erspielten Vorsprung das Ergebnis defensiv retten zu wollen. Und er zeigte es dem Gegner auch noch an, indem er die zwei Torschützen auswechselte und durch Defensivspieler ersetzte. Der Gegner wurde so aufgebaut und angespornt, statt ihn weiter mit gelegentlichen aber stets gefährlichen Kontern zu beschäftigen. Die gab es folgerichtig auch nicht mehr – ein oder zwei Torszenen – das wars. Torschüsse: 26:8 für Madrid. Von Madrid waren 20% drin, vom BVB 25%. Dafür gibts aber keine Punkte.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net

3 Kommentare

  1. w.nissing

    Ich beobachte das treiben der Selbstverletzer zwar nur von ausserhalb des Stadionrund oder eckig, aber kann es sein das es Analogien zwischen den Leistungen des BVB und der BRD gibt. Beiden wohnt ja inne das sie auf Ihre Fans sedierende wie auch euphorisierende Wirkungen aus übt und der Tabellenplatz ähnelt sich ja auch. Fallende Tendenz mit Aussicht auf Relegation? 🙂

  2. Martin Böttger

    Es gibt auch fachlich qualifizierte Kommentare zu diesem Wesen und Gewese, z.B. diesen von Alina Schwermer/taz: “Mittelfinger für den Frauenfußball – Über hundert Profispielerinnen protestieren gegen einen Fifa-Deal mit Ölkonzern Saudi Aramco. Ihr Protest zeigt, wie Diversität den Sport verändert.”
    https://taz.de/Protest-gegen-saudischen-Oelkonzern/!6041465/
    Politisiert und fachlich zugleich – so liebe ich es.

    • w.nissing

      das einzige was ich fachlich und qualifiziert (durch eigene Anschauung) dazu sagen kann ist das in diesem Sport systematisch junge Menschen vielfach zu Krüppeln gemacht werden. Mit 30 Invalidenstatus mit multiplen Gelenkschäden bei einem Verdienst, im aktiven Zeitraum, der wenn es hoch kommt an ein Facharbeiter Gehalt heran kommt.
      Die römischen Löwen würden vermutlich einen Bogen um diese “Medikamentenbehälter” machen.
      Aber was solls, viel Spaß dabei, so lange es noch geht.

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