Die deutschen Ministerpräsident*inn*en und ihr selbstgemachtes medienpolitisches Debakel
Wenn Historiker*innen der Zukunft einst untersuchen, wie es zum Niedergang deutscher Ökonomie und Macht kommen konnte, werden sie vielleicht die gestern beendete deutsche Ministerpräsident*inn*enkonferenz (MPK) deutscher Bundesländer als prägnantes Fallbeispiel hervorheben müssen. Ich ignoriere sie lieber. Sie ist mir des Kommentierens nicht mehr wert. Die Akteur*inn*e*n haben sich noch mehr diskreditiert als in der Coronapandemie, in der noch das eine oder andere Nichtwissen vorgeschützt werden konnte. Das gilt hier nicht.
Den zielsichersten Kommentar fand ich bei netzpolitik-Chefredakteurin Anna Biselli, mit einer allerdings wichtigen Einschränkung: “Streit um ARD, ZDF und Co.: Wir müssen über Journalismus für alle reden – Der öffentlich-rechtliche Rundfunk soll weniger Textinhalte produzieren dürfen. So sieht es zumindest der Entwurf für einen Reformstaatsvertrag vor. Dabei wäre es höchste Zeit, das anachronistische Konzept der Presseähnlichkeit zu verbannen und über ganz andere Fragen nachzudenken.”
Die Einschränkung bezieht sich auf ihren Begriff vom “Wir”. Meine Lieblings-WDR-Rundfunkrätin hatte den inflationären Gebrauch dieses Kleisterbegriffes hier im Beueler Extradienst kritisiert. Ich versuche das seitdem stärker zu beherzigen, und in diesem Fall bei Kollegin Biselli springt mir das begriffliche und politische Analyseproblem ins Gesicht. Die MPK ist nur die Arena, in der er ausgetragen wird: der Klassenkampf. Die deutsche herrschende Klasse ist weltweit berüchtigt für seine blindwütige und rücksichtslose Austragung. Und hier springt er allen ins Gesicht, die ihn nicht sehen wollen. Den deutschen Herrschenden, in diesem Falle der Medien, in Gestalt der Verlegermilliardär*inn*e*n und ihrer politischen Agenten in AfD, FDP und CDU/CSU geht es nicht, nicht im geringsten, um “unsere” Demokratie. Die war ihnen schon immer egal. Es geht ihnen um ihre fortgesetzte systematische Bereicherung. Und alles, was dem im Weg steht, sind sie bereit zu zerstören.
Der verstorbene Lutz Hachmeister hat aus gutem Grund und lebenslänglich die Nazi-Kontinuitäten in allen deutschen Medien beobachtet, verfolgt und analysiert. Letzteres nicht mit dem Holzhammer, sondern immer mit wachen Augen und wachem Geist. Vor allem wegen dieser Passion hat sein Tod so eine grosse Lücke in der Medienöffentlichkeit gerissen.
Es kann daher kaum eine strategische Perspektive sein, sie mit “Argumenten” zu überzeugen. Wenn Sie immer noch solche Versuche suchen, dann lesen Sie hier Wolfgang Lieb. Der hat selbst für Ministerpräsidenten gearbeitet, und gibt das Argumentieren mit beeindruckender Hartnäckigkeit nicht auf. Aber spätestens heute müsste allen klar geworden sein: die MPs verstehen das nicht. Sie wollen es auch gar nicht verstehen.
Muss es erst schlimmer/desaströser werden, damit es besser wird? Nein, solche Katastrophenstrategien lehne ich ab, sie haben noch nie funktioniert. Aber ohne Organisation von (Gegen-)Macht wird nichts besser. Dafür immerhin hat auch Kollegin Biselli schon ein paar richtige Ideen. Mund abputzen, weitermachen!
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