Wasser in den 3sat-Wein

Teile der Öffentlichkeit haben sich zuletzt gegenüber den weitgehend inkompetenten Ministerpräsident*inn*en der Bundesländer (darunter drei Bürgermeister*innen und das noch kleinere Saarland) kräftig für das Programm des deutsch-österreichisch-schweizerischen TV-Kanals 3sat stark gemacht. Jede*r, wie sie*er will. 3sat hat sich vergangene Woche ausführlicher mit diversen Aspekten der KI (“Künstliche Idiotie”, “Artificial Intelligence”/AI) beschäftigt. Nicht immer ist das gut gelungen.

Negativ fiel mir diese 90-Minuten-Doku auf: Schlaue neue Welt – Das KI-Wettrennen – Das Wettrennen um die Vorherrschaft im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz läuft: zwischen den USA, China und Europa. Zwischen großen Tech-Konzernen und Start-ups. Wer gewinnt den Wettkampf? Wird Europa abgehängt? Der Film stellt drei Unternehmer vor, deren Firmen große Hoffnungen wecken: Jonas Andrulis, Thomas Wolf und Han Xiao. Drei KI-Pioniere, die die großen Tech-Riesen herausfordern wollen.” Verfügbar bis 29.11. Dieser Film wurde von der Firma “Weltrecorder” produziert, Buch und Regie ihr Geschäftsführer Dominik Bretsch.

Mit ihrer Heldenverehrung für Jonas Andrulis, CEO der Aleph Alpha GmbH, haben sich die Filmmacher*innen demonstrativ nackig gemacht. Und mit ihnen der in ihrem Film mehrfach prominent auftretende Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck.

Ich würde zugestehen, dass in diesem Thema Streit nicht nur erlaubt, sogar erforderlich ist. Aber das hier zu sehende Produkt hätte die PR-Abteilung von Aleph Alpha, bzw. die dahinter strategisch steuernde Schwarz-Gruppe (Lidl etc.), kaum werbewirksamer herstellen können, so beeindruckend werden hier einseitige PR-Märchen erzählt. Der Film lief aber nicht als Werbeblock im Werbefernsehen, sondern verendet in meinen Augen als politisch klandestines Product Placement der vor Kraft und Macht kaum laufen könnenden Schwarz-Gruppe.

Diese Schwarz-Gruppe entwickelt sich, hierzulande kaum bemerkt von kritischer Öffentlichkeit, von einem berüchtigten Grosshändler mit billigen bis mittelguten Lebensmitteln zu einem nicht minder mächtigen Grosshändler mit wertvollem Datenkapital. Der hier angezeigte Film ist leider mehr Symptom davon, als dass er zu einer notwendigen kritischen Öffentlichkeit beiträgt.

Mir ist nicht klar, ob die Filmproduzent*inn*en (und der Bundeswirtschaftsminister) diese elaborierte Kritik – fachlich und ökonomisch – von Thomas Knüwer nicht kannten oder bewusst ignoriert haben. Kann passieren. Vielleicht wurde der Film produziert, bevor Knüwer sie publiziert hatte (Erstveröffentlichung Juni 24, plus späteren Updates). Bei einem Sendetermin Ende Oktober und einer Mediathekverfügbarkeit im November wäre aber gewiss ein aktualisierender Einschub von wenigen Minuten machbar gewesen. Was mögen sich die mitproduzierenden Sender RBB, SWR und Deutsche Welle dabei gedacht haben? Haben sie überhaupt was gedacht?

So, wie es gelaufen ist, verbessert es die Glaubwürdigkeit öffentlicher Medien nicht. Andere mögen sowas skandalisieren. Ich habe eher Mitleid. Weil es so arm ist. Weniger an Geld als an Geist.

Und wer berät eigentlich den angeblich doch so medienkompetenten Robert Habeck?

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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