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Wie verkommen?

Die sog. Talkshow “Maischberger” (WDR)

Gestern hat die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe eine terroristische Vereinigung der rechtsextremistischen Szene in einer großangelegten Razzia ausgehoben. In Sachsen wollten die schwer bewaffneten und an Kriegswaffen ausgebildeten Terrorgruppen das Land “befreien” und einen nationalsozialistischen Staat errichten. Drei hohe Funktionäre der “Jungen Alternative” und der “AfD”, darunter ein Kommunalpolitiker, gehören dieser Terrororganisation an und befinden sich in Haft. Das könnte Zweifel wecken, inwieweit die AfD in terroristische Organisationen verstrickt sein könnte oder zumindest ihr Verhältnis zum Rechtsterroristen klären muss.

Keine Berührungsängste mit Terrorfreunden

Ein Blick in die Vergangenheit: 1981 weigerten sich die CDU/CSU-Innenminister der Länder, mit Bundesinnenminister Baum zu Abend zu essen, weil dieser auf einer öffentlichen Veranstaltung gegen den RAF-Terrorismus mit dem damals geläuterten Ex-Terroristen Horst Mahler über die Ursachen des Linksterrorismus diskutiert hat. Diese Distanzierung gegenüber ehemaligen – damals reumütigen – Terroristen ist heute offensichtlich einer Beliebigkeit gegenüber einer Partei gewichen, die zum einen mit Funktionären wie Bernd Höcke (Thüringen) tief im Faschismus verstrickt ist und sich in Teilen mit dem Nationalsozialismus identifiziert oder ähnliche Ordnungen anstrebt.

Maischberger instinkt- und ahnungslos

Am selben Abend der Verhaftungen dieser AfD-Mitglieder einer Terrorzelle sass Frau Storch MdB, eine der Rechtsaußen-Ideologinnen der AfD, ohne Probleme vor einem hunderttausende zählenden Publikum bei Sandra Maischberger und diskutierte fröhlich über Donald Trump und die US-Wahlen. Keine Frage der Moderatorin nach der wenige Stunden alten Razzia der Bundesanwaltschaft bei Rechtsterroristen und der Verquickung mit der AfD, kein Ausladen der politisch windigen Gästin.

Was, so muss sich bei demokratischer Betrachtung dieses Vorgangs gefragt werden, sagt dies eigentlich über die demokratische Sensibilität und das Staatsverständnis eine Veranstalterin von Politiksimulationen unter eigenem Namen wie Sandra Maischberger? Einer Person, deren Politsimulationen mit überwiegend immer wieder gleichen oder ähnlichen, langweiligen Interviewpartnern, die je nach Zuschauersicht entweder Lebenszeit rauben oder Programmlücken füllen – aber bis zu drei mal wöchentlich im öffentlich-rechtlichen Fernsehen öffentliche Meinung prägen? Die dafür nach gut unterrichteten Quellen von den Auftraggebern persönlich jährlich ein sechsstelliges Honorar an der Grenze zur Siebenstelligkeit kassiert, sowie  obendrein für ihre Produktionsgesellschaft etwa 4,6 Mio. € auf mehrere Jahre verteilt vereinnahmt? Hier könnte ÖR-Rundfunk doch mal sparen!

Nicht nur Maischberger versagt

Auch die ARD-Tagesschau muss verwundern: Zum Sieg Donald Trumps wird weder Friedrich Merz, noch die Grünen oder die FDP interviewt, sondern Alice Weidel, AfD – just die Vorsitzende einer Bundestagsfraktion, die seit gestern ein Problem hat mit Terroristen in der eigenen Partei. Was ist in diesem Land los? Sind die Grenzen der Zitier- und Kommentierungsfähigkleit von egal wem, ob Demokraten oder Antidemokraten, inzwischen völlig verwischt? Werden demnächst auch Mafiabosse und Dealer zu aktuellen Fragen der Innen- und Rechtsspolitik interviewt? Wer im Journalismus verteidigt die Grundwerte unserer Verfassung, ohne auf Quoten und populistische Effekte zu schielen?   Der Fall Maischberger gehört vor den Rundfunkrat.

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net

4 Kommentare

  1. Martin Böttger

    Das Gäste-Casting von “Maischberger” ist seit Jahren so selbstreferentiell und schlecht (übertroffen nur von dem eitlen Gockel beim ZDF, dessen Name mir nicht einfallen will), dass es für mich die beste Art der publizistischen Bekämpfung schien, es “gar nicht erst zu ignorieren” (Joh. Rau). ARD/WDR machen es genau umgekehrt: Klamroth wird reduziert (weil er montags gegen “Barnaby” nicht ankommt, haha!), “Maischberger” expandiert. Denen gefällt das.

  2. Helmut Lorscheid

    Das bestätigt mich in meiner Ignoranz gegenüber Maischberger u.a. Ehrlich – ich habe mir noch nie eine solche Sendung angeschaut. Denen habe ich damals auch ab und zu Gäste zu bestimmten Themen empfohlen und das durchaus mit Erfolg. Die letzte Talkshow, die ich manchmal gesehen habe, war “3 nach neun” von Radio Bremen. Den ganzen anderen Mist aus den letzten rund 30 Jahren kenne ich nicht.
    Aber auch die Tagesschau tue ich seit über 10 Jahren nicht mehr an. Ich schau abends einen Krimi aus der Konserve und ab und zu eine Doku auf arte. Das wars mit Fernsehen bei mir. Ich besitze seit über 15 Jahren kein Fernsehgerät mehr.

    • Martin Böttger

      Die legendärste Talkshow aller Zeiten war “Talk 2000” mit Christoph Schlingensief,
      https://www.schlingensief.com/projekt.php?id=tv003
      für die meine bis heute sehr gute Freundin Petra Hennicke arbeiten durfte, ein, wie sie heute noch berichtet, grossartiges Abenteuer. Die letzte TV-Talkshow, die ich geguckt und es nicht bereut hatte, war Roche&Böhmermann,
      https://de.wikipedia.org/wiki/Roche_%26_Böhmermann
      produziert von btf Ehrenfeld. Allein schon die von Sibylle Berg getexteten und gesprochenen Einspieler zur Vorstellung der Gäste hatten Klasse. Leider haben sich Frau Roche und Herr Böhmermann dann zerstritten, wie so viele vor und nach ihnen.

    • Helmut Lorscheid

      Es ergibt sich zwar aus dem Inhalt – aber ich habe zwei Sätze in falscher Reihenfolge geschrieben hier berichtigt: . Die letzte Talkshow, die ich manchmal gesehen habe, war “3 nach neun” von Radio Bremen. Denen habe ich damals auch ab und zu Gäste zu bestimmten Themen empfohlen und das durchaus mit Erfolg. Den ganzen anderen Mist aus den letzten rund 30 Jahren kenne ich nicht.

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