Die Arte-Musik-Dokus sind sowieso schon erstklassig – aber was ist dann diese von Guiseppe Tornatore?
In Signore Tornatore habe ich mich cineastisch verliebt, seit ich 1988 “Cinema Paradiso” gesehen habe. Wer bei diesem Film nicht weint, oder zumindest tief gerührt ist, sollte zum Arzt gehen. Dieser Signore Tornatore verehrt, wie alle Filmregisseur*inn*e*n, die bei Verstand sind, den Komponisten Ennio Morricone. Und hat ihm, wie er es am besten kann, dieses Denkmal gesetzt:
“Maestro Ennio Morricone – In Ennio Morricones (1928-2020) Filmmusik-Karriere versammeln sich über 70 preisgekrönte Filme von Regie-Legenden wie Quentin Tarantino, Barry Levinson oder Terrence Malick. Morricone komponierte über 500 Soundtracks. Mit seinem Porträt lässt Giuseppe Tornatore den Komponisten in berührenden Interviews auf sein Lebenswerk zurückblicken.”, 147 min, verfügbar bis 21.3.25.
Diese Dokumentation hat also Überlänge, ist vielleicht deswegen vom sich immer weiter glättenden Arte ins Nachtprogramm verbannt worden. Völlig grundlos. Der Film ist kurzweiliger, spannender, informativer, rührender als jeder “Tatort”. Eine Bildungslücke meinerseits wurde geschlossen. “Here’s to you”, die Hymne für Sacco und Vanzetti, kannte ich selbstverständlich. Franz-Josef Degenhardt hat sie mir nahegebracht. Auch die Urversion von Joan Baez war mir geläufig. Aber dass die Komposition von Morricone war – das war mir entgangen. In einer Politikschublade war er bei mir nicht.
Ein roter Faden der Dokumentation und seines Lebens ist seine lange Freundschaft mit Sergio Leone, dem vielleicht erfolgreichsten Widerstandskämpfer gegen US-Kulturimperialismus. Er zerstörte die Mythen des “Wilden Westens” mit dem zynisch-brutalen “Italo-Western“, und verging sich nicht minder aggressiv am US-Exzeptionalismus, der dort ja sogar Verfassungsstatus hat, mit dem Werk, das ihm einen ausdauernden Krieg mit seinen Hollywood-Geldgebern bescherte: “Es war einmal in Amerika” (ein russischer Link, da siehstes mal wieder).
Und Morricone immer dabei. Als Laie war mir selbstverständlich “Spiel mir das Lied vom Tod” ein Begriff. Wer kennt diese Melodie nicht? Die Macht von Morricones Musik drückte sich darin aus, dass sie oftmals den Rhythmus der Filmerzählung bestimmte. Leone liess die Musik sogar beim Drehen laufen – sie inspirierte die Schauspieler*innen. Mehr kann eine Filmmusik nicht erreichen.
Wie jämmerlich sehen dagegen die unzähligen TV-Filme aus, bei denen die Musik mehr nervt als alles Andere – und das, weil die Erzählung des Films durchhängt. Die Kunstfertigkeit von Morricone kann frau und mann nicht ernsthaft von heutigen Handwerker*inne*n verlangen. Aber sie setzt Massstäbe. Nach dieser Dokumentation werden auch Sie anspruchsvoller sein.
Es ist ganz so, wie der Rezensent und Herausgeber des Beueler Extradienst schreibt: Wem bei Tornatores Film über den italienischen Komponisten Ennio Morricone nicht die Tränen kommen, sollte dringend zum Arzt gehen. Und auch dieses Prädikat hat die Arte-Doku verdient: „Kurzweiliger, spannender, informativer, rührender als jeder Tatort.“
Ein großer Filmfreund oder gar Cineast bin ich nie gewesen. Dennoch musste ich feststellen, dass ich doch eine ganze Reihe von Filmen, zu denen Morricone die Musik schrieb, gesehen oder zumindest von ihnen gehört habe.
Was die Musik betrifft, schildert und zeigt die Dokumentation, nicht zuletzt anhand der geschickt zusammengestellten Interviews, dass wir es bei Morricone mit einem großartigen, begnadeten Tonsetzer zu tun haben. Nicht nur, dass er sein Handwerk perfekt beherrscht. Durch seine geniale, einfallsreiche Musik hat er dem Bild des Films eine weitere Dimension hinzugefügt.
Lieber Klem, die Tränen waren mir nur bei “Cinema Paradiso” gekommen. Bei der Morricone-Doku musste ich nicht weinen – ich war “nur” sehr beeindruckt, wie beschrieben 😉
Gut, da habe ich Dich nicht ganz richtig verstanden: Die Tränen rannen also bei „Cinema Paradiso“, und nicht bei „Maestro Enrico Morricone“.
Soll mir Anlass sein, mir auch diesen Film von Signore Tornatore einmal anzusehen. Dass er zu berühren versteht, hat er jedenfalls auch in seiner Darstellung des Maestro Morricone gezeigt.