Ich kenne ein paar schöne alte Wörter. Aus dem Neuhochdeutschen sind sie verschwunden. Es gibt sie nur noch auf englisch und auf schweizerdeutsch. Eins davon ist englisch „to giggle“, berndeutsch „gigele“.

Was heisst das? „Gigele“ ist der ununterdrückbare Drang zu kichern, zu glucksen, wie er manchmal Mädchen in der Pubertät überkommt, wenn sie auf dem Mäuerlein vor der Schule sitzen und nicht mehr anders können als eben über alles und nichts zu gigeln.

Ich bin aber kein Mädchen in der Pubertät. Ich bin ein alter weisser Mann, der seine alte weisse Lieblingszeitung liest: „Le Monde“. Was lese ich da? Ich lese mich fest an einem endlos langen Bericht über die endlos langen Sexualskandale in der Kirche von England. Neuerdings muss sich diese ehrwürdigste aller Kirchen sogar einen neuen Primas, einen neuen Erzbischof von Canterbury suchen. Und scheint keinen mehr zu finden.

Jetzt aber halt! Das einzige, was kirchliche Sexualskandale bisher in meinem christlichen Gemüt auslösten, waren tiefe Trauer und helle Empörung. Warum gigelt es jetzt so in mir über den Skandal von Canterbury? Empfinde ich vielleicht mit dem Bericht in „Le Monde“ jene altfranzösische unterschwellige Schadenfreude über alles, was in England schiefläuft? Oder ist es, noch unterschwelliger, meine eigene katholische Schadenfreude über alle jene Kirchen, die sich so lange hinter der katholischen Schande verstecken zu können glaubten?

Darüber will ich später nachdenken. Jetzt geht es erst einmal darum, meiner Gigelei ein Ende zu setzen. Sonst kann ich mich ja gar nicht mehr sehen lassen unter christlichen Glaubensbrüdern jeglicher Konfession. Auf und ab an meiner Bücherwand gleitet mein Blick. Da ist ein englisches Buch, das mir jetzt helfen könnte: „The Importance of Being Earnest“. Und bei der Gelegenheit ein very helpful continental advice für die Kirche von England:

Wie wär´s mit Oscar Wilde als neuem Erzbischof von Canterbury?

Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus dem Blog des Autors, mit seiner wie immer überaus freundlichen Genehmigung.

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