Kürzlich meldete sich auf meinem iPhone mitten in der Nacht Siri und sagte: „Herzlichen Glückwunsch – geile Russen wollen mit dir chatten! Du wurdest unter achtzig Millionen Verdächtigen ausgelost für eine Online-Durchsuchung vom FSB, dem mit Abstand größten russischen Nachrichtendienst, dessen Hauptaufgabe die zivile und militärische Spionageabwehr ist! Kunden, die von uns online durchsucht wurden, genießen den besonderen Schutz des Militärgeheimdienstes GRU (Glawnoje Raswedywatelnoje Uprawlenije) und erhalten von uns eine Dose Soljanka sowie eine Tüte voll mit kostenlosen Wahlvorschlägen für die kommende Bundestagswahl“. Ich bin kein ängstlicher Mensch, aber da kam ich dann doch ins Grübeln…
Ich kenne natürlich die Warnungen unserer Geheimdienste, dass die Russen „unter Vortäuschung falscher Tatsachen Einfluss auf Entscheidungs- und Funktionsträger in anderen Staaten ausüben, aber auch in den freien Meinungs- und Willensbildungsprozess einwirken“. Das ging ja durch alle Medien. Mir ist allerdings nicht ganz klar, ob die Russen falsche Tatsachen vortäuschen, oder ob das BFV eine doppelte Verneinung benutzt, um die Russen zu täuschen… Wahrscheinlich handelt es sich um einen Trick der globalen KI: Im Bereich Spionage und Gegenspionage ist KI ja schon lange nicht mehr die Abkürzung von „künstliche Intelligenz“, sondern eine Chiffre für „KREML-Infiltration“. Der Code für Eingeweihte lautet „Cyberkrieg“. Oder „Hack mich, ich bin eine Cloud“.
Als wehrhaft demokratischer Bundesbürger soll ich ja davon überzeugt sein, dass unsere gesamte kritische Infrastruktur, also Strom- und Gasleitungen, Kraftwerke, Ölpipelines, Trinkwasser-Seen, Verkehrswege, Kommunikations-Netze, Polizeireviere usw. ziemlich ungeschützt in der Landschaft rumstehen, und mir wird immer wieder eingebläut, dass aggressive Russinnen und Russen das alles jederzeit in die Luft jagen können. Die ständigen Spionagebeweise in den Nachrichten – ein Loch im Flughafenzaun, eine Drohne über dem Exerzierplatz einer Bundeswehrkaserne oder ein brennendes DHL-Paket in einer Frachtmaschine – haben ja nur den einen Zweck, dass ich das Schlimmste für Deutschland befürchte und meine Verteidigungsinstinkte geweckt werden.
Mittlerweile bin ich fast so weit, anzunehmen, dass sich alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Nachrichtenredaktionen, die von morgens bis abends diese bedrohlichen Meldungen verbreiten, vor russischen Nowitschok-Giftanschlägen vorsehen müssen. Und ich bin auch nicht mehr weit davon entfernt, bei allem, was in unserem Lande falsch läuft, Generalfeldmarschall Pistorius Glauben zu schenken, der erklärte, wir alle seien Opfer der „hybriden Kriegsführung“ der Russen. Hybride Kriegsführung umfasst ja jede Gefahrenlage, hinter der der Russe steckt: Hochwasser, unerklärliche Bus-Verspätungen, seltsame Geräusche hinter der Badezimmerwand, Lieferschwierigkeiten bei Billigkleidung, Brandstiftung in Altenheimen, Personalmangel im Fleischerhandwerk, Schlaglöcher in Radwegen, Schimmel und Bazillen in Schokolade und jeder Sack Kokain, der im Hamburger Hafen lagert. Und wenn mir jetzt noch der seriöse Jens Riewa und die stets betroffene Barbara Hahlweg versichern, im Schilf des Steinhuder Meeres lauere die russische Schattenflotte mit Sitz in Saudi Arabien unter der Flagge der Cook-Inseln auf das Angriffssignal, dann gehe ich nicht mehr ohne meinen Stock aus dem Haus.
Angesichts der offiziell verkündeten Gefahrenlage hat es mich auch nicht sonderlich überrascht, als mir meine Influencer auf Instagram verrieten, dass ganz Deutschland von den Russen untertunnelt ist. Es gibt offenbar Beweise, dass wir auf riesigen Waffenlagern leben! Ich sage Ihnen ehrlich: Ich weiß zwar nicht, von wo der Russe kommt, aber dass er längst „unter uns“ ist, scheint mir nach allem, was man so hört, wahrscheinlich. Es ist also auch nicht auszuschließen, dass sich unter dem Harz nordkoreanische Raketenabschussrampen befinden. Und wie unsere Moskau-Korrespondenten berichten, arbeitet der syrische Ex-Diktator Assad jetzt als Putins Berater im Bereich besonders heimtückischer Chemiewaffen. Ich denke, angesichts des Wetters kann man auch nicht ausschließen, dass Putin persönlich die Sonne annektiert hat.
Angesichts all dieser Tatsachen habe ich die feste Vermutung, dass das Ausland tatsächlich versucht, unsere Bundestagswahl zu beeinflussen. Allerdings wundert es mich, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz vor einer Gefährdung der Bundestagswahl durch „unzulässige ausländische Einflussnahme“ warnt. Da frage ich mich doch: Gibt es wohl auch eine zulässige ausländische Einflussnahme? Und ich antworte mir selbst: Ja, gewiss! Im Ausland. Wenn sich deutsche Politiker und ihre deutschen Medien in die Wahlkämpfe anderer Staaten einmischen – in Georgien zum Beispiel oder Rumänien und auch in den USA, dann ist das durchaus zulässig. Und was haben wir denen nicht feine Analysen geliefert, gute Ratschläge erteilt und brutale Fake News untergejubelt…
Seltsamerweise glaubt nun der nordamerikanische E-Autofritze Musk, es sei zulässig, wenn er sich auch bei uns einmischt. „Nur die AfD kann Deutschland retten“, behauptete er, und er setzt dabei voraus, dass eine deutsche Reichskanzlerin Alice Weidel und ihre Parteigenossen genau das durchsetzen wollen, was auch die US–Trumpisten anbieten: Rassismus legitimieren und einen radikalen Abbau staatlicher Behörden und Regulierungseinrichtungen vorantreiben, den Klimawandel wegdiskutieren und keinesfalls die Verbrennungsmotoren abschaffen, Atomkraftwerke und Hochrüstung fördern sowie den Sozialabbau energisch beschleunigen. Das heißt: Demnächst sollen auch in Deutschland die Reichen beträchtlich reicher werden. Meinetwegen, es sei ihnen gegönnt. Aber die Armen sollen auch erheblich ärmer und die sogenannten kleinen Leute noch ein gutes Stück kleiner gemacht werden. Da bin ich mal gespannt, ob die wirklich AfD wählen. Das hieße ja, sie wollen, dass es ihnen nach den Wahlen noch schlechter geht als vor den Wahlen…
Zum Glück sind wir weder auf Putin noch auf Musk und ihre Gefolgsleute angewiesen. Wir haben in Deutschland unsere eigenen Großindustriellen und Oligarchen mitsamt ihren Hauspolitikern, die sich einer Reichensteuer mit Macht entgegenstellen, die das Bürgergeld erfunden haben und dabei sind, ein großartiges Gesundheitssystem aufzubauen, die wissen, dass wir nicht mehr, sondern viel weniger Waffen brauchen, und denen eine umfassende Bildung der Jugend am Herzen liegt. Und so bin ich absolut sicher, die Deutschen*innen werden auch mit oder ohne Einmischung von Außen ihr bewährtes Führungspersonal wieder wählen: Leute aus gutem Haus, vermögende Menschen mit Autorität und überzeugenden Konzepten für Frieden und Wohlstand. Ich sachma so: Ein Merz, ein Lindner, ein Söder u.a. – die können es charakterlich, programmatisch und intellektuell jederzeit mit Putin oder Musk aufnehmen.
Ich habe also, um eine ´ordnungsgemäße Wahl ohne Einmischung von Außen zu gewährleisten, nach der nächtlichen Siri-Information sicherheitshalber das Hinweistelefon gegen Extremismus, Terrorismus und Spionage angerufen. Das hat die Nummer 0 228/99 79 26 00-0. Aber in der Warteschleife wird den Bürgern eine so scheußliche Musik zugemutet, dass ich gleich wieder auflegen musste.
Nachsatz: Man kann die mit der IT-Technik verbundenen Gefahren gar nicht genug übertreiben. Cyberkrieg gibt es real. Beispiel: Der russische Hack von Frau Clintons Email-Account mit anschließendem Zugang zu diversen Accounts der amerikanischen Demokraten und Veröffentlichung der Daten bei Wikileaks. Dieser Text, den Sie gerade gelesen haben, wird höchstwahrscheinlich von mehreren konkurrierenden KI’s ausgewertet, um künstlich/automatisch bessere Sätze zu erzeugen. Da wird der Autor aber nicht gefragt, das Urheberrecht ist ausgehebelt.
Und immer wieder geht die Sonne auf…
Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus dem Blog des Autors, mit seiner freundlichen Genehmigung.
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