1966 begründete Science-Fiction-Autor Kurt Brand die legendäre Heftchen- und Buchserie “Ren Dhark” als Konkurrenz zu “Perry Rhodan”.  SF-Fans kennen und wissen, wovon ich schreibe. Beide Serien werden demnächst 60 Jahre alt und existieren fort, weil sie nicht nur spannende Abenteuer im Weltraum bieten, wie sie die Fans der klassischen S.F. erwarten, sondern auch, weil sie und ihre Helden Kosmopoliten sind. Die trotz manchmal unvermeidlicher Raumschlachten immer wieder die Ideale der Gleichberechtigung der diversen Weltraumwesen hochhalten, der unterschiedlichen Spezies und der Toleranz der unterschiedlichen Zivilisationen und Minderheiten, der Nichteinmischung und des galaktischen Friedens – als gelte das Grundgesetz auch dort. Was hat das mit Donald Trump zu tun?

Im Ren Dhark-Universum gibt es eine außerirdische Zivilisation humanoider, menschenähnlicher Wesen, die den Menschen zwar äußerlich gleichen, biologisch aber völlig anders entstanden sind – 23.000 Lichtjahre entfernt, ein Netz von mehreren tausend Planeten, die Individuen mit zwei Blutkreisläufen, anderen Organen, äußerlich schwarzhäutig, aber mitteleuropäisch/asiatisch – ich erspare uns Details. Autor Kurt Brand wollte damit wohl 1968  auf seine Art den amerikanischen Rassismus “umdrehen”.  Denn die  sich selbst TEL nennenden Wesen sind rassistisch unterwegs, verachten die Terraner und nennen sie herabwürdigend “weiße Affen”. Was diese natürlich nicht hindert, ihre technische Überlegenheit auszuspielen, die sie wiederum einer anderen Zivilisation, den “Mysterious” zu verdanken haben. Soweit so S.F.-Universum – aber obwohl das nun über 40 Jahre her ist, frage ich mich: Warum fällt mir das immer wieder ein, wenn ich Donald Trump sehe?

Frühkindliche Entwicklungsschritte

Die frühkindliche Erziehungswissenschaft, so habe ich es in den 80er Jahren im Nebenfach Pädagogik an der Uni Bonn gelernt, zeigt, dass Kleinkinder ab etwa 9-15 Monaten ihre ersten Erfolgserlebnisse bewusst wahrnehmen, die wichtig sind, um ihre Persönlichkeit als Individuum zu stabilisieren. So ist oft das erste selbst gefüllte “Töpfchen” mit Pipi oder Kaka eine Trophäe, die Kleinkinder, wenn es sein muss, stundenlang ihren Eltern präsentieren “Schau mal, was ich kann” und haben eine ganz wichtige Funktion in der Ich-Stabilisierung der Kleinkinder. Nimmt man den Kindern in dieser Situation das Töpfchen weg und kippt es ins Klo, ohne sie zu loben, kann das tief frustrieren. Das führt i.d.R. zu lauter Empörung, bitterlichem Weinen oder kann schlimmstenfalls traumatisch wirken – soweit die Küchen-Kinderpsychologie, die sich mit meinen Erfahrungen als Vater deckt.

Kleinkindphase überwinden – differenzierte Persönlichkeit entwickelt sich

Mit zunehmendem Alter bis etwa Mitte drei bis vier Jahren werden diese “absoluten Trophäen” von Bildern, Kritzeleien, Holz- oder Knetfiguren oder was auch immer, Musik, Leibesübungen etc. abgelöst, die bei “normaler” Entwicklung differenziert betrachtet werden können und in der reifenden kindlichen Wahrnehmung der Verbesserung und dem Rat von Erwachsenen zugänglich sind und Kinder weiterbringen, Lernerfolge und Persönlichkeitswachstum ermöglichen. Das findet in KiTa und bei Erstklässlern zumeist erfolgreich statt.

Zurück zu Donald Trump

Wie kommt es nun, dass ich immer, wenn ich Donald Trump sehe, wie er mit Filzstiften seinen Namen oder das Auf und Ab, das er dafür hält, auf irgendwelche Akten kritzelt, die unter Umständen über Menschenschicksale entscheiden und sie anschließend herumzeigt “seht mal, was ich kann!”, an meine und die Kinder meiner Nachbarn in unserer Häuserreihe mit etwa einem Jahr und ihren Töpfchen denken muss? Warum fällt mir im Bezug auf diesen Kasper – ob er vor einer Meute von alten, weißen Männern mit ausgemergelten Hälsen wie Geier aus dem Micky-Maus-Album und blödsinnigen roten MAGA-Kappen auf dem Kopf redet, ob er im Amt auf offener Bühne kritzelt, mit Filzstiften schmeisst oder im Büro im Oval Office krakelt – warum wohl muss ich an die Kinder und ihre Trophäen denken?

Armselige Kindheit – höllische Jugend?

Schon während seiner ersten Amtszeit hat Trump dieses infantile “seht mal, was ich kann” hunderte mal vor Kameras und im Kreis seiner Anhänger und den Medien der Welt aufgeführt. Jetzt hat er sogar seine Inauguration damit bestritten – und er wird es nun vier Jahre lang weiter geradezu zwanghaft wiederholen. Ist das nur eine Show-Macke, oder muss man sich ernsthaft Sorgen machen? Nachprüfen kann das im Zeitalter der Fake-News niemand.

Wenn ja, wie verletzt muss diese kleine, sensible Seele sein, was haben ihm seine Eltern angetan, um dem kleinen Wesen Donald zu verwehren, am eigenen Erfolg, und sei es das eigene Pipi, seelisch zu wachsen? Wieviel Liebesentzug und Mißachtung der Persönlichkeit fanden statt, um den vernichtenden Hass des großen Donald auf Minderheiten, Migranten, LGBTQ zu begründen und ihn diesen mit seiner Macht als erwachsener Präsident ausleben zu lassen? Welches Verhältnis zur Mutter prägte sein sexistisches und instrumentelles Verhältnis zu Frauen? Natürlich ist das Spekulation, aber wie anders ist das asoziale Verhalten einer derart disruptiven und gleichzeitig machtbesessenen Persönlichkeit zu erklären, bei der nur diejenigen Erfolgschancen haben, die – wie nun viele Unternehmer – kriechen, ihm schmeicheln und Komplimente machen, sein Ego hätscheln?

Zerstörerische Eltern?

Welche narzisstische Kränkung  ist die Ursache seiner Selbstüberschätzung, seines Glaubens, er habe das Recht, zur Befriedigung seiner eigenen defizitären Persönlichkeit Humanität, Mitgefühl, die wunderschönen Weisheiten der US-Verfassung, dass alle Menschen – nicht nur die US-Amerikaner – mit “gewissen unveräußerlichen Rechten” ausgestattet sind, zu negieren und ignorieren, ins Gegenteil zu verkehren? Welche Werte hat sein Elternhaus dem kleinen Donald vermittelt, die ihn zu einem scheinbar absoluten Fehlen jeglicher Empathie für Menschen befähigen, die aus Gründen der Armut migrieren – genau dem Hauptgrund der Auswanderer nach den USA seit den “Pilgrim Fathers” als Gründer des kolonialen Amerika und auch seiner eigenen Familie?

Reif für die Kinderpsychiatrie?

Wie tief muss diese winzig kleine Seele verletzt sein, dass sie glaubt, einen ganzen Planeten,  der durch das unbedachte Handeln seiner menschlichen Bewohner im Umgang mit fossilen Brennstoffen  in Schwierigkeiten gekommen ist, die wissenschaftlich vielfach nachgewiesen die Menschheit bedrohen, durch eine rücksichtslose Verschlimmerung der Ursachen – “Frack, Frack, Frack” –  in die Vernichtung zu treiben? Obwohl selbst die Milliarden der Ölindustrie seine verletzte Seele nicht heilen werden? Nur ein Kleinkind, das die Folgen nicht absieht, das nicht weiss, was Tod und Krieg bedeuten, kann soviel ignoranten Unsinn schwadronieren, wie den, dass Wolodymyr Selenskyj doch selbst mit schuld sei, dass der Ukraine-Krieg nicht früher geendet habe, weil er ja nicht früher dem “Deal” mit Russland zugestimmt habe – gemeint war wohl der Mitte 2022  in der Türkei ausgehandelte Waffenstillstand?

Fiktion oder Realität?

Natürlich sind das alles nur Spekulationen, die sich aus dem öffentlich kommunizierten Donald Trump herleiten, der jedoch peinlich genau darauf achtet, wie er erscheint, nämlich genau so. Das hat er im Fernsehen gelernt. Natürlich muss das nicht wissenschaftlich exakt richtig sein – aber es erscheint zumindest unwahrscheinlich, dass sich hinter dem öffentlich kommunizierten Trump-Rambo in Wirklichkeit ein gütiger, wohlmeinender, milder und fleißiger, den Menschen zugewandter Landesvater verbirgt, der insgeheim die US-Verfassung, die allgemeine Erklärung der Menschenrechte der UNO von 1948 und die zivilisatorischen Errungenschaften des 20. und 21. Jahrhunderts achtet und würdigt.

Dann hätte er wohl keine Rechtsterroristen des 6. Januar 2021 begnadigt, die nun als menschliche Zeitbomben frei herumlaufen und ankündigen “sich erstmal Waffen zu kaufen”. Oder korrupte, asoziale  “Buddies” zu Ministern befördert. Feige, opportunistische Oligarchen zur populistischen Manipulation der Öffentlichkeit und mobilisierung gegen die Demokratie weltweit ermuntert. Und dann ist da noch der Koffer mit den Codes, die eine Menschheitsapokalypse auslösen können…

 

 

 

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net