Die rechtsextremistische AfD hat sich angeblich von ihrer gesichert rechtsextremen Jugendorganisation “Junge Alternative” (JA) getrennt. Sie will nach eigenen Bekunden eine neue Jugendorganisation aufbauen. Wer die Geschichte der AfD, ihrer Radikalisierung und den Übergang ins rechtsextreme Millieu kennt, wird dieses Manöver so einschätzen, wie es zweifellos gedacht ist. Durch die Gründung einer neuen, der Partei eingegliederten Jugend, in der z.B. die AfD-Mitgliedschaft automatisch mit dem Beitritt zur Jugendorganisation erworben wird, wird die Organisation nicht weniger rechts und gefährlich, sondern sie kriecht quasi unter den Schutz der Mutterpartei. Ihr Verbot wird erheblich erschwert, weil sie nun das Parteienprivileg beschützt. Das Ganze droht damit, zu einem riesigen Vertuschungsmanöver zu werden.

Denn die JA kann als eigenständige Organisation bzw. Verein einfach durch Anordnung der Innenminister des Bundes oder des jeweiligen Landes verboten werden. In Thüringen, Brandenburg und Sachsen ist das rechtssicher möglich, in vielen anderen Bundesländern und auf Bundesebene mit größter Wahrscheinlichkeit auch. Warum wird es dann nicht gemacht? Bei einem Verbot zum aktuellen Zeitpunkt würden nämlich nicht nur die Unterlagen und Dokumente, sondern auch Konten und Mitgliederlisten und Vermögen beschlagnahmt und all diese Daten könnten ausgewertet werden. Sie können von entscheidender Bedeutung sein, um zu beurteilen, ob es sich bei der neuen Jugendorganisation der AfD um eine Nachfolgeorganisation der JA handeln wird. Bisher ist doch davon auszugehen, dass sich die JA, wie angekündigt, im März 2025 auflöst und die entsprechenden Unterlagen ggf. vernichtet werden. Rechtsextremisten der JA könnten somit ganz einfach in die neue Parteijugend eintreten und könnten vom ersten Tag an so weitermachen, wie zuvor, wären aber gegen Observation und andere Maßnahmen des Verfassungsschutzes viel besser geschützt, als bisher.

Staatsschutz und Verfassungsschutz zum Neuanfang verdammt?

Denn für die Behörden würden dieselben rechtlichen Schritte zwingend erforderlich sein,  Beobachtung, Auswertung, Begründung der extremistischen Einstellung und Beschlusslage, Einstufung als Verdachtsfall, Einstufung zum Beobachtungsfall usw. von vorn beginnen. Wird die JA nicht vorher verboten und die Mitglieder erfasst, würde dies die Aufklärungsarbeit der Sicherheitsbehörden um Jahre zurückwerfen und verzögern.  Selbst wenn 90% der bisherigen, rechtsextremistischen Mitglieder der JA übergangslos einfach der neuen Organisation beiträten, würde es schwer sein, nachzuweisen, ob die neue Organisation eine Nachfolgeorganisation der JA ist. Wäre dies nach einem JA-Verbot nachweisbar, wäre sie dann automatisch auch verboten. Läuft es so, wie es die AfD-Spitze plant, wäre genau das vereitelt. Selbst wenn sich in einigen Jahren erweist, dass diese Annahme zutreffend ist, wäre ein Organisationsverbot durch die Parteinähe der neuen Jugend erschwert. Und genau darauf spekuliert die Spitze der AfD.

Nancy Faeser und die Landesinnenminister sind gefordert

Deshalb ist es höchste Zeit, die Informationen und rechtlichen Erkenntnisse, die ein Organisationsverbot begründen, kurzfristig zusammenzutragen und das Verbot überall da, wo es rechtssicher möglich erscheint, auszusprechen. Nur dann besteht die Möglichkeit, die Kontinuität verfassungsfeindlicher Jugendorganisationen der AfD wirkungsvoll zu unterbrechen und zu verhindern, dass die Nachfolgeorganisation der faschistoiden Jugend ebenso faschistoid wie ihre Vorgängerin wird, weil ihre Mitglieder identisch sein werden.

Merz’ Koalition mit der AfD nicht mehr mit Sicherheit auszuschließen

Und seit der vergangenen Woche gibt es einen weiteren wichtigen Grund, zügig zu handeln: Sollte nach der Bundestagswahl am 23. 2. 25 eine Koalition der CDU/CSU unter Friedrich Merz mit der AfD rechnerisch möglich sein, ist nicht auszuschließen, dass “Fritze” Merz seine schützende Hand über einen möglichen Koalitionspartner und seine Jugendorganisation hält. Vor zwei Wochen hätte das noch niemand für möglich gehalten – der Autor auch nicht. Aber die Geschichte biegt manchmal nach rechts ab. Wie 1933, als die bürgerlichen Mitte der Gesellschaft schon einmal versagt hat.

 

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net