Verständnisproblem

mit Update am Morgen

Trotz meiner Mediendiät habe ich gestern die 20-Uhr-Tagesschau gewagt. Dort wurde die Perspektive präsentiert, dass sich die Ukrainer*innen nun von Trump und den USA verraten fühlen. Uns Zuschauer*inne*n wird in drei Minuten zu Beginn der Sendung nahegelegt, diese Perspektive zu übernehmen. Bei allem Verständnis für die (erforderliche) Unabhängigkeit und Selbstständigkeit von Journalismus, wage ich die Unterstellung, dass diese Darstellung nah an der Sicht der Bundesregierung ist. An die, die alte wie die nächste, hätte ich da einige Fragen.

Wollen Sie uns ernsthaft weismachen, dass Sie sich von der jetzigen strategischen Lage überrascht fühlen? Kam ein Trump-Wahlsieg in Ihren kalkulierten Szenarien gar nicht vor (wie schon 2016)? Das kaufe ich keiner EU-Regierung ab. Die deutsche dürfte über einen Stab von hochqualifizierten Diplomat*inn*en in mindestens mittelhoher dreistelliger Zahl verfügen. Hinzu kommen noch mal so viele Mitarbeiter*innen des Bundesnachrichtendienstes. Gut, wenn es nach mir ginge, könnten sie den schliessen. Aber ich bin nicht Elon Musk, auf mich hört ja keine*r.

Wenn Sie also, was ich Ihnen gutwillig unterstelle, nicht überrascht sind, sondern das jetzige Szenario mitkalkulierten – laut einem gewissen Lindner sollen wir sowas ja “den Profis überlassen” – haben Sie darüber etwa nicht mit der schutzbefohlenen Regierung der Ukraine gesprochen? Auch nicht mit Teilen von ihr?

Dass Sie sich darüber nicht mit allen EU-Regierungen, sondern nur mit einigen, wie jüngst in Paris demonstriert, verständigen können – das verstehe ich. Was macht eigentlich die von der Leyen den ganzen Tag? Achso, nee, blöde Frage, besser sie gar nicht damit befassen. Das wusste schon die Bundeskanzlerin, die sie dahin geschickt hat, wo sie jetzt ist.

Warum Sie aber mit den verständigen EU-Regierungen keine gemeinsame Strategie finden, dass Sie noch nicht mal mit der französischen Regierung, der einzigen EU-Atommacht, eine gemeinsame Strategie vorbesprochen und -bereitet haben – das verstehe ich nicht. Lesen Sie bitte nochmal Ihren Amtseid.

Und ich sehe es als öffentlich erklärungsbedürftig an – gerade jetzt im Wahlkampf. Und zwar gerade von den wahlkämpfenden dafür fachzuständigen Amtsträger*inne*n – namentlich dem Bundeskanzler und der Bundesaussenministerin.

Ich rechne nicht mit Antworten von den Verantwortlichen. Wissen Sie eine?

Update am Morgen

Mein Verständnisproblem bezieht sich auf politisches Handwerk. Die politischen Inhalte thematisiert Florian Rötzer/overton hier: “Die transatlantische EU ist, nachdem sie von Trump ausgebootet wurde, panisch und ratlos” (vielsagendes Foto der EU-Kommission).