Der Newsletter des Demokratischen Salons für März 2025 erscheint in einer Zeit, in der immer wieder der Satz von Antonio Gramsci zitiert wird, dass „das Alte stirbt und das Neue nicht zur Welt kommen kann“. Autoritäre Kräfte gewinnen an Macht und Einfluss, andererseits sind sie schwächer als sie glauben. Dies belegen eindrucksvoll die vielen Demonstrationen für eine freiheitliche und demokratische Welt, in Georgien, in Israel, in Serbien, in der Slowakei, in Syrien, in der Türkei, inzwischen auch in den USA, selbst in Gaza, wo Palästinenser sich gegen den Terror der Hamas erheben, und nicht zuletzt in Deutschland gegen Beschränkungen der Freiheiten der Zivilgesellschaft. Das Editorial befasst sich mit Hintergründen und Herausforderungen unter dem Titel „Deutschland, Europa und die USA – Kommunizierende Röhren: Geopolitik, Bürgerrechte, Sozialpolitik“.
Hier die Kurzvorstellungen der neuen Texte im Demokratischen Salon, dahinter Vorschläge für den Besuch von Veranstaltungen und Ausstellungen sowie Leseempfehlungen und Hintergrundinformationen, im Einzelnen alles schnell über die jeweiligen Links zu erreichen:
- In memoriam Shani Louk, Shiri, Ariel und Kfir Bibas: Zu ihrem Gedenken und dem Gedenken an alle Opfer der Hamas-Terroristen seit dem 7. Oktober 2023 haben Sophie Brüss, Jürgen Reinecke und Norbert Reichel die szenische Collage „Wir werden wieder tanzen!“ geschrieben, mit Songs von Leonard Cohen und Antilopen-Gang, Testimonials, Gedichten und Szenen. Eine dieser Szenen, „Deutsche unter den Opfern“, ist jetzt im Demokratischen Salon nachlesbar. (Rubriken: Jüdischsein, Antisemitismus, Levantinische Aussichten)
- Alla Paslawska, Germanistin an der Universität Lviv, erzählt in „Es war einmal Galizien“ von der deutsch- und ukrainischsprachigen Literatur in der wechselvollen Geschichte Galiziens zwischen Russland, Polen, Deutschem Reich und K.u.k.-Monarchie. Ukrainisches Selbstbewusstsein behauptet sich über Sprache und Literatur. Zugleich ist die Literatur in Galizien eine jüdische Geschichte. Wichtiger Mittler war Ivan Franko, zu den Autoren gehören Leopold von Sacher-Masoch, Karl-Emil Franzos und Joseph Roth. (Rubriken: Osteuropa, Jüdischsein)
- Alois Woldan, Slawist an der Universität Wien, schließt mit „Die Gesichter des Helden“ an Jeonghun Choi „Das Pferd, das tausend Meilen lief“ an. Um Mazepa ranken sich in Literatur wie Bildender Kunst zahlreiche politisierte und politisierbare Legenden. Alois Woldan bietet einen Überblick über Mazepa als romantischen Helden in England und Frankreich, als Verräter in Russland und in der Sowjetunion, seinpolitisch-utopisches Bild in Deutschland und den antisowjetischen Mythos in der Ukraine. (Rubrik: Osteuropa, Kultur)
- Gerd Landsberg, Ehrengeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, vertritt die These: „Starke Kommunen – Starke Demokratie“. Kommunen brauchen Gestaltungsfreiheit, Bürokratieabbau, finanzielle Sicherheit durch die Einführung des Konnexitätsprinzips zwischen Bund und Kommunen und die Definition von Gemeinschaftsaufgaben im Grundgesetz, zum Beispiel zum Klimaschutz. Innere und äußere Sicherheit müssen zusammengedacht, die Beteiligung der Bürger:innen ausgebaut werden. (Rubrik: Liberale Demokratie)
- Tsotne Tchanturia, Politikwissenschaftler in Tbilissi, beschreibt die schwierige Lage Georgiens: „Der lange Weg nach Europa“. Ein Land unter großem Druck, mit einer weitgehend pro-europäischen Bevölkerung und einer sich an China und Russland orientierenden Regierung. Das Gesetz gegen „ausländische Agenten“ und Wahlfälschungen führen zu anhaltenden Demonstrationen. Eine entscheidende Rolle spielt die fünfte Präsidentin Salome Zourabichvili. Es gibt große Unterschiede zwischen Stadt und Land, viele junge Menschen ziehen in die liberalen Städte. (Rubriken: Osteuropa, Europa)
- Paul Schäfer fragt: „Wie könnte ein gerechter Frieden in der Ukraine aussehen?“ Der Cicero zugeschriebene Satz, der ungerechteste Frieden sei dem gerechtesten Krieg vorzuziehen, ist schlichtweg falsch, ein stabiler Frieden ist nur über Gerechtigkeit zu erreichen, es darf keinen Diktatfrieden geben, denn sonst ist der nächste Krieg nur eine Frage der Zeit. Entscheidend für den Erfolg von Friedensverhandlungen ist die Zustimmung der Ukraine. (Rubriken: Osteuropa, Weltweite Entwicklungen)
- Sarah Käsmayr stellt in „Die Grenzgängerin“ den MaroVerlag vor. Ein attraktives Format sind die MaroHefte. Auf 32 Seiten debattieren Autor:innen grundlegende feministische und historisch-politische Themen, Illustrator:innen begleiten die Texte. Esther Dischereit stand mit ihrem Buch „Ein Haufen Dollarscheine“ auf der Liste für den Preis der Leipziger Buchmesse 2025. Ein besonderes Angebot ist die chinesische Science Fiction, unter anderem mit der Reihe „Die Kapsel“. (Rubriken: Kultur, Gender, Science Fiction)
- Franziska Groszer musste die DDR verlassen und ihr Leben in einer neuen Welt voller Fragezeichen einrichten: „Die Entdeckung der Unschuld“. In ihren Romanen schreibt sie aus der Perspektive von Kindern und Jugendlichen, ihr Coming of Age in der Diktatur oder in der Transformationszeit danach, immer wieder verbunden mit dem Wunsch zu schreiben, eine Welt, die an Alice im Wunderland und Kaspar Hauser erinnert. Kunst hilft, auch in lebensbedrohlichen Phasen. (Rubriken: Kultur, DDR)
- Norbert Reichel kommentiert in „Mit dem Rechtsstaat gegen Antisemitismus“ den Streit um Definitionen des Antisemitismus (IHRA vs. Jerusalem Declaration) auf der Grundlage der Analysen von Shulamit Volkov („Antisemitismus als kultureller Code“) und Jeffrey Herf („Drei Gesichter des Antisemitismus“). Ein von Linda Giesel und Jens Borchert herausgegebenes Buch analysiert die Rechtsanwendung in Polizei und Justiz sowie im Mikrokosmos Haft. Es gibt eigene Antisemitismusbeauftragte für Justiz und Strafvollzug. (Rubrik: Antisemitismus).
Hier die Vorschläge zu Veranstaltungen und Ausstellungen, darunter zwei Aufführungen von „Wir werden wieder tanzen“ (beide in Köln), eine Buchmesse für russischer Exil-Literatur (Berlin), die Wanderausstellung „The Vicious Circle“ (Berlin), Veranstaltungen des Science-Fiction-Clubs Andymon (Berlin), Veranstaltungen des Zentrums für Versöhnungsforschung (Bonn), eine Ausstellung zur Exil-Kunst 1933-1945 (Siegburg), drei Veranstaltungen des Erinnerungsortes Alter Schlachthof zum Kriegsende 1945 (Düsseldorf), eine Veranstaltung zum Gedenken an den 150. Todestag von Moses Hess (Köln), ein Benefizkonzert zum Wiederaufbau des Kibbutz Nir Oz (Bonn), eine Ausstellung der Werke von Sandra del Pilar (Soest), eine Ausstellung über einen neuen Blick auf den Tod (Frankfurt am Main), das Kunstfest Weimar, der Deutsche Fürsorgetag 2025 (Erfurt) und die Ausstellung „How To Catch A Nazi“ (Potsdam).
Die Leseempfehlungen und Hintergrundinformationen bieten Informationen über die Vorschläge der Initiative für einen handlungsfähigen Staat, über Joschka Fischers Rat an Friedrich Merz, Debatten über ein neues Europa, eine Übersicht der von Männern und Frauen gewählten Studienfächer, Kulturelle Teilhabe als Thema der Zeitschrift Politik & Kultur, Kultur in den Koalitionsverhandlungen, ein erfolgreiches Gastroprojekt in Modena mit geflüchteten Frauen, eine Reportage zum Bürgergeld, Ergebnisse der Protestforschung, Doppelmoral bei der Terrorismusbekämpfung, den Rückzug aus dem Bundestag, Schule in Charkiv unter dem russländischen Bombenterror, anti-migrantischen Terror in Russland, politische Gefangene in Russland, die Strategien der Neuen Rechten auf TikTok, die kommunizierenden Röhren von Antifeminismus, Maskulinismus und Rechtsextremismus, die Entwicklungen in Syrien nach den Massakern und im Lichte der Debatte über eine syrische Verfassung, Literatur aus Guinea-Bissau sowie die kaum beachteten katastrophalen Zustände im Sudan.
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