Alternativen zur Abhängigkeit vom Extraktivismus

Die Profiteure der Rohstoffausbeutung waren im letzten Jahrhundert vor allem Privatunternehmen. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts haben einige südamerikanische Staaten versucht, Alternativen aufzubauen: Rohstoffe wurden weiter ausgebeutet, aber jetzt durch den Staat. Doch diese staatlich organisierten Extraktivismen waren in vielen Fällen vor allem eine Subvention für die Kapitalbesitzer. Wie könnten südamerikanische Staaten den Rohstoffhunger für die europäische Energiewende so kanalisieren, dass daraus echte Alternativen entstehen? Eine Analyse und ein Vorschlag.

Jede Alternative ist untrennbar mit dem verbunden, was sie zu ändern oder zu überwinden sucht. Alternativen zu den Extraktivismen sind davon abhängig, wie man Extraktivismen definiert. Viele Befürworter aus Unternehmen und Regierungen argumentieren, dass Extraktivismen letztlich eine Tätigkeit sind, die mit der eines Landwirts vergleichbar ist, der seine Saat ausbringt und dann Nahrungsmittel erntet. Es ist jedoch klar, dass die Ökonomie eines Kleinbauern nicht mit der des kolumbianischen Kohletagebaus El Cerrejón vergleichbar ist, der an die 20 Millionen Tonnen Kohle unter anderem nach Deutschland exportiert.

Die Vorstellung, dass fast alles Extraktivismus sein kann, haben zuerst konservative Regierungen vertreten. Aber im letzten Jahrzehnt haben auch die progressiven Regierungen in Südamerika die Idee übernommen, vor allem in Bolivien, Ecuador und Venezuela. In dieser Logik konzentrierten sich die Alternativen erstens auf die Akteure der Ressourcenaneignung: Statt Privatfirmen sollten staatliche Bergbau- oder Ölunternehmen alleine oder in Joint Ventures mit transnationalen Unternehmen die Ressourcen fördern.

Zweitens wurden Alternativen darin gesucht, wie die Überschüsse abgeschöpft und verteilt wurden. Die progressiven Regierungen gingen sogar noch einen Schritt weiter und schlugen vor, den Begriff der Revolution neu zu definieren. Sie argumentierten, dass es „revolutionär“ sei, Steuern auf solche Aktivitäten zu erheben, um Sozialprogramme zu finanzieren, wie es unter anderem der Intellektuelle Álvaro García Linera als Vizepräsident Boliviens tat.

Der Staat subventioniert den Profit der Wenigen

In jüngster Zeit haben die Vorschläge aus Europa, die als Energie- und Klimawende bezeichnet werden, noch mehr Verwirrung gestiftet. Ihre thematische Priorität verdrängt andere, schwerwiegendere Probleme in Lateinamerika. Die Ansätze werden zum Selbstzweck, da tiefergehende Diskussionen über ihre Ziele vermieden werden.

In diesem Rahmen sind die Förderung der Elektroenergie oder, wie früher, die Verstaatlichung von Bergbau- oder Erdölunternehmen keine Lösung, weder für die ökologischen noch für die sozialen Auswirkungen. Auch die staatlichen Unternehmen verschmutzen Böden und Gewässer oder zerstören die Artenvielfalt. Es kam zu Wellen lokaler Konflikte mit Widerstand und Protesten aller Art, die sowohl konservative als auch progressive Regierungen trafen. Kritische Themen wie die Eigentumsverhältnisse wurden nicht hinterfragt. Der Zugang zu diesen natürlichen Ressourcen wurde weiterhin direkt oder indirekt von transnationalen Konzernen kontrolliert, und die Exporte verstärkten die Unterordnung unter die Globalisierung. Finanziell scheiterten diese Unternehmungen, sodass letzten Endes tatsächlich die Staaten die Extraktivismen subventionierten.

Ende des 20. Jahrhunderts begann sich das Modell der Abhängigkeit Lateinamerikas zu verändern. Die Menge der geförderten natürlichen Ressourcen stieg dramatisch an und erreichte eine Milliarde Tonnen pro Jahr, das ist etwa viermal so viel wie fünfzig Jahre zuvor. Die Zielländer haben sich radikal verändert, da China und andere asiatische Länder zu den Hauptabnehmern geworden sind. Der Nettoexport in diese Länder ist mehr als dreimal so hoch wie der nach Westeuropa, in die Vereinigten Staaten und Kanada zusammen. So beeinflussen zwar die in Washington oder Brüssel getroffenen Entscheidungen weiterhin, wie schnell, wie intensiv und zu welchem Preis die natürlichen Ressourcen Lateinamerikas angeeignet werden. Aber viel wichtiger sind die Beschlüsse des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas geworden.

Vom Notfallplan zur echten Alternative

Das Neue in Lateinamerika ist, dass es seit Beginn des 20. Jahrhunderts vielfältige Erfahrungen und Überlegungen zu Alternativen zu den Extraktivismen gegeben hat. Man verpflichtete sich auf Ziele, die Gerechtigkeit zwischen den Menschen, aber auch mit der Natur beinhalteten. Die Mittel, diese Ziele zu erreichen, waren die sogenannten postextraktivistischen Übergänge. Durch den Fokus auf Gerechtigkeit gehören diese Alternativen offensichtlich zum linken Spektrum. Gleichzeitig unterscheiden sie sich von der westlichen Linken, weil sie eine ökologische Dimension auf der Grundlage der Rechte der Natur einbeziehen.

Ein Beispiel ist die Forderung nach einem Moratorium für die Erdölausbeutung im Amazonasgebiet, um die Rechte der Natur zu wahren, wie es in Ecuador geschehen ist. In Peru haben die sogenannten postextraktivistischen Übergänge in mehreren Sektoren neue Wege beschritten. Diese und andere Alternativen sollen die derzeitigen Extraktivismen ablösen, die aufgrund der schwerwiegenden sozialen und ökologischen Auswirkungen als Raub eingestuft werden müssen.

Die Alternativen lassen sich in zwei Phasen unterteilen: eine erste Notfallphase mit Sofortmaßnahmen zur Beseitigung der umweltschädlichsten oder gewalttätigsten Unternehmungen, die typisch für den räuberischen Charakter der Extraktivismen sind. Die erste Phase beinhaltet auch wirtschaftliche und politische Komponenten, die den Schritt in die zweite Phase ermöglichen, bei der es um Strukturreformen geht. Diese Übergangsalternativen sind nicht darauf ausgerichtet, Lösungen für ein bestimmtes Projekt zu finden, sondern sie sind sektorübergreifend und gelten für ein ganzes Land. Wir müssen uns vorstellen, dass Staaten dann auf eine ganz andere Art organisiert wären.

In der Notfallphase werden die Extraktivismen bewertet, um diejenigen beizubehalten, die den ökologischen, territorialen und sozialen Anforderungen tatsächlich entsprechen, während diejenigen stillgelegt werden, die diesen Anforderungen nicht entsprechen oder denen dazu die technologischen oder betriebswirtschaftlichen Alternativen fehlen. Gleichzeitig werden direkte oder indirekte Subventionen für die Extraktivismen abgebaut und die Rohstoffpreise korrigiert, indem die sozialen und ökologischen Kosten einbezogen werden, die vorher ausgelagert wurden.

Diese und andere wirtschaftliche Maßnahmen werden enorme Auswirkungen haben. Der Referenzpreis für Mineralien wird zum Beispiel erheblich ansteigen. Ein Rückgang der Rohstoffexporte wird unvermeidlich sein, was zwar eines der angestrebten Ziele ist, aber in Wirtschaft und Politik zu Klagen über sinkende Exporteinnahmen und Arbeitsplatzverluste führen wird. Diese und andere Kritikpunkte können einfach beantwortet werden, beispielsweise durch den Hinweis, dass der Staat, wenn er diese Sektoren nicht mehr subventioniert oder versucht, die Auswirkungen zu reparieren, letzten Endes Geld einspart. Diese Mittel werden für Umstrukturierungen eingesetzt, insbesondere für die ökologische Landwirtschaft und Viehzucht. Außerdem schaffen die Extraktivismen nur begrenzt Arbeitsplätze. Diese Arbeiter*innen und Angestellten können leicht in andere Sektoren umgesetzt werden. So wird eine Phase tiefgreifender Strukturreformen organisiert, die darauf abzielen, nur noch das zu fördern, was für ein gutes Leben unverzichtbar ist.

Europäische Modelle sind nicht übertragbar

Diese kurze Zusammenfassung zeigt, dass es ein Fehler wäre, die lateinamerikanischen Alternativen zu den Extraktivismen nur als Erklärungen von Wunschvorstellungen zu betrachten. Sie zeigt auch, dass es nicht angebracht ist, europäische Modelle der Energiewende oder des Degrowth zu wiederholen, weil sie die Geschichte und den Kontext Lateinamerikas nicht berücksichtigen und weil es ihnen oft an einer umfassenden politischen Perspektive fehlt. Die Lehre für die Linken ist, dass Alternativen zu den Extraktivismen nicht durch instrumentelle Veränderungen innerhalb der kapitalistischen Entwicklung möglich sind (zum Beispiel durch eine Änderung der Rolle des Staates oder der Höhe der Steuern).

Gleichzeitig heißt das aber auch, dass die Ansichten einer klassischen Linken mit europäischen Wurzeln, die an Ideen des 19. Jahrhunderts anknüpft und an Begriffen wie Fortschritt festhält, unzureichend sind. Die Alternativen, die wir heute brauchen, müssen den Gerechtigkeitsbegriff erweitern und neu definieren. Dabei ist es entscheidend, den Wert aller Formen des Lebens zu berücksichtigen, sowohl des menschlichen als auch des nicht-menschlichen.

Eduardo Gudynas arbeitet in Montevideo bei CLAES, Centro Latinoamericano de Ecología Social. Übersetzung: Alix Arnold

Was sind Extraktivismen?

Extraktivismus meint ein Wirtschafts- und Politikmodell, das auf der Aneignung natürlicher Ressourcen beruht. Sie werden in enormen Mengen und mit hoher Intensität abgebaut, zum Beispiel in der Größenordnung von Millionen Tonnen Mineralien oder Millionen Barrel Öl. Extraktivismen im Plural zu verwenden bedeutet, dass es verschiedenste Formen gibt.

Die bekanntesten Beispiele sind der Export von fossilen Brennstoffen und Mineralien. Aber auch in der Landwirtschaft gibt es Extraktivismus, bei den Sojamonokulturen, in der Viehzucht, in der Forstwirtschaft und sogar in der Fischerei. Keines dieser Beispiele ist eine Industrie im eigentlichen Sinne, da nichts produziert, sondern alles der Natur entnommen wird. Sie sind alle glokal, denn die Vorkommen oder Böden sind zwar in bestimmten geografischen Gebieten verankert, aber gleichzeitig müssen sie sich an globale Bedingungen anpassen, da sie exportiert werden und daher den Regeln und Institutionen der wirtschaftlichen Globalisierung entsprechen müssen.

Das Phänomen der Extraktivismen in den Ländern des globalen Südens ist nicht neu. Ihre Geschichte reicht bis in die Kolonialzeit zurück. Gold und Silber aus den Amerikas sorgten spätestens seit dem 16. Jahrhundert für den Unterhalt des spanischen Königshauses. Der Kapitalismus, wie wir ihn kennen, war vor allem deshalb möglich, weil die Metropolen sich industrialisierten, indem sie ihre Kolonien unterordneten, wie es das Vereinigte Königreich mit seinen Besitztümern in Südafrika oder auf dem indischen Subkontinent tat.

Die Situation im 21. Jahrhundert ist in mehrfacher Hinsicht anders. Die koloniale Herrschaft liegt hinter uns, aber der Raubbau an der Natur hat erheblich zugenommen, was die sozialen und ökologischen Auswirkungen vervielfacht und den Klimawandel anheizt. All dies findet in einer politischen Verunsicherung statt, in der die Linke viel lernen muss.

Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus ila 484 April 2025, hrsg. und mit freundlicher Genehmigung der Informationsstelle Lateinamerika in Bonn.

Über Eduardo Gudynas / Informationsstelle Lateinamerika:

Die Informationsstelle Lateinamerika e. V. (ila) ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz im Oscar-Romero-Haus in Bonn. Das Ziel des Vereins ist die Veröffentlichung kritischer und unabhängiger Informationen aus Lateinamerika. Der Schwerpunkt liegt auf Nachrichten und Hintergrundinformationen aus basisdemokratischer Perspektive. Die Informationsstelle Lateinamerika begreift sich als Teil der politischen Linken und engagiert sich in übergreifenden politischen Bündnissen wie der Friedens- und Antikriegsbewegung oder Attac. Der Verein besteht seit 1975 und gibt die gleichnamige Zeitschrift ila heraus. Alle Beiträge im Extradienst sind Übernahmen mit freundlicher Genehmigung.