Wenn Sie einen Sinn für die Schönheit von Teamsport und es noch nicht gesehen haben, wie ich heute Abend, dann schauen Sie eine Aufzeichnung des Champions-League-Halbfinalspiels FC Barcelona – Inter Mailand (3:3). Was dort zu sehen war, markiert die gegenwärtige Leistungs- und Schönheitsspitze des internationalen Fussballs der Männer.
Für Laien mag es überraschend gewesen sein, dass Inter auf die gezeigte Weise mithalten konnte. Für mich war es das nicht. Dieses Team ist in entscheidenden Momenten bis in die Haarspitzen motiviert und konzentriert. Coach Simone Inzaghi erledigt alle seine strategischen Hausaufgaben exzellent. Klar war, dass Barcas Jungstar Lamine Yamal immer gedoppelt werden musste. Das eine Mal, bei dem das nicht gelang, führte sogleich zu einem zauberhaften Solo mit bildschönem Torschuss für alle Lehrbücher.
Meine Begeisterung für dieses Spiel wurde im Anschluss durch die unfassbare Geschwätzigkeit im ZDF-Studio über die Körpergrösse Yann Sommers getrübt. Ich stellte sofort den Ton ab, weil ich Schwachsinn aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr vertrage. Tatsache ist, dass die Ex-Gladbacher Marcus Thuram, und noch mehr Sommer selbst, ein überragendes Spiel in einem topeingestellten Team machten. Und hallo: Yann Sommer hatte in der Ligaphase der CL die wenigstens Gegentore, nämlich nur 1 (in Worten: eins! in acht Spielen). Sein “Geheimnis”, das sich deutschen was-mit-Medien-Schwätzer*inne*n mangels Fachkenntnis nicht erschliesst, ist seine Team- und Führungsfähigkeit: er ist der “Franz Beckenbauer” Inters, das was früher der “Libero” als Abwehrchef war. Er macht nicht nur sich selbst stark, sondern auch seine Mitspieler. Herrjeh, das ist doch nicht so schwer zu verstehen. Und sehr gut zu sehen!
Zwar hatte Barca eine Überlegenheit an Ballbesitz und Torschüssen. Aber die hochkonzentrierten Reihen Inters, eine 5er-Kette hinten und eine 4er-Kette dicht davor, zwangen Barca oft zu hohen Flanken in den Strafraum, die angesichts des Verletzungsausfalls Lewandowskis wie eine spielerische Kapitulation wirkten.
In der zweiten Halbzeit gelang Inter der Vortrag einiger Konter, bei denen sie sogar eine zahlenmässige Überlegenheit herstellen konnten. Und Mkhitaryan gelang dabei ein potenzielles 3:4, das nur durch die Übertechnisierung der Regelauslegung (Abseits um eine Zehenspitze) annulliert wurde.
Den wenigen fachorientierten Gästen in meiner Fussballkneipe – die Mehrheit des Publikums sass draussen – kam es vor wie ein vorgezogenes Finale. Ich war glücklich, mich zum Guckengehen aufgerafft zu haben. Im deutschen Fussball ist sowas nicht zu sehen.
Den besten Spielbericht hat SZ-Barca-Experte Javier Cáceres geschrieben. Von seinem schwäbischen Verlagshaus SWMH digital eingemauert. Die mauern mehr als Inter (in memoriam: Helenio Herrera).
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