Beueler-Extradienst

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Die Befreiung vom Faschismus?

Der 8. Mai 1945 wurde erstmalig von Bundespräsident Richard von Weizsäcker als “Tag der Befreiung” von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft bezeichnet. Das war am 8. Mai 1985. Vierzig Jahre hatte es gedauert, bis ein Bundespräsident diese klare Bezeichnung des 8.Mai fand. Seine damalige Rede ist bis heute vorbildlich, er erkannte die Verbrechen der Nationalsozialisten an und machte den Widerstand dagegen zur Pflicht und Normalität. Das war 1985 keineswegs üblich, und schon gar nicht “normal”.

Heute ist wieder so ein Tag. Aber wo befindet sich dieses Land? Gestern hat der neue Innenminister sein Amt ergriffen, an dessen rechter Hand das finanzielle Desaster der  “Ausländermaut” klebt, mit der er als Verkehrsminister für mehrere hundert Millionen, für die er nicht haften musste, sondern die Steuerzahler*innen, hunderte von funktionslosen blauen Mautsäulen spendierte. Die heute viele Bundesstraßen zieren und  die von ihm voreilig beauftragte Firmen errichteten, bis der Europäische Gerichtshof das rassistisch motivierte Projekt stoppte.  Als erste Amtshandlung hat er wieder eine rassistisch motivierte Aktion umgesetzt: die Einführung von verschärften Grenzkontrollen in Deutschland, – gegen das Schengener Abkommen, gegen die Genfer Flüchtlingskonvention und gegen die Europäische Menschenrechtskonvention – aber gemäß des Wahlprogramms der rechtsextremistischen AfD. Weil man ja Nazis am besten bekämpft, indem man ihre Forderungen übernimmt.

Salonpopulismus in Lederhosen 2025

Die Politik, die Dobrindt vollzieht und sein Chef Söder schon seit Jahren betreibt, unterscheidet sich nur marginal von der der AfD. Beide betreiben mit Lust ein Grünen-Bashing, von dem Söder nicht einmal nach der Bundestagswahl und der unsäglichen Abstimmung der CDU/CSU gemeinsam mit der AfD am 29. Januar 2025 abließ. Leberkäs und Fleisch im Schulessen sind halt wichtiger als Klimaschutz und Verkehrswende. Und wie die AfD-Populisten berufen sich Dobrindt und Söder immer gerne auf “den Normalbürger”, die “schweigende Mehrheit” – das tun die Trump- und Maga-Republikaner auch, das haben im übrigen schon die NPD und die “Republikaner” Ende der sechziger und Mitte der 90er Jahre getan, und sind zeitweise in der Bundesrepublik und später auch im Osten damit in die Parlamente gekommen. Mit dieser Haltung wird eben keine Befreiung vom Faschismus der NSDAP gesucht, sondern wie in den 50er und 60er Jahren Fremdenfeindlichkeit – damals gegen deutsche Flüchtlinge aus dem Osten – Intoleranz gegenüber Minderheiten bis zu Hass und Gewalt, wie sie zunehmend von Rechtsextremisten ausgeübt wird, nicht in der gebotenen Konsequenz bekämpft.

Asylkampagne der CDU/CSU 1990-94

Die Kampagne gegen der Asylrecht in den 90er Jahren, das muss am 8. Mai erwähnt werden, war keine Erfindung der Rechtsextremisten und Brandstifter  in Rostock-Lichtenhagen, in Hünxe, Solingen und anderswo, sondern ihr Urheber hieß Volker Rühe und war 1990 Generalsekretär der CDU in der damaligen Hauptstadt Bonn. Wörter wie Scheinasylanten, Asylschwindel, Asyltourismus, Überforderung der Kommunen, “das Boot ist voll”, “Sozialschmarotzer”, “Migration in unser Sozialsystem” und Schlimmeres prägten damals die Öffentlichkeit, begleiteten damals die öffentliche Kampagne. Die Schuld für Mangel an bezahlbarem Wohnraum, an  gestiegenen Sozialhilfezahlen wurde damals den Flüchtlingen angelastet, nicht den hunterttausenden DDR-Übersiedlern oder den hunderttausenden mehr oder weniger deutschstämmigen Aussiedlern aus den osteuropäischen Ländern.  Ihr Urheber hatte alle Landes-und Kommunalfraktionen mit Musteranträgen, Muster-Presseerklärungen und vielen falschen Zahlen vom Konrad-Adenauer-Haus aus versorgt. So fiel etwa unter den Tisch, dass das Rheinische Wirtschaftsforschungsinstitut errechnet hatte, dass der volkswirtschaftliche Nutzen der Asylbewerber, die arbeiten durften, die Belastungen der Haushalte bei weitem überstieg.

Grenzkontrollen gegen europäische Freizügigkeit 2025

Das hat sich bis heute nicht geändert, obwohl angesichts von über 1,5 Mio. Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine die Geflohenen aus Syrien, der Türkei und Afghanistan, die die Asylbewerberstatistik anführen, in der deutlichen Minderheit sind. Rassistische und fremdenfeindliche Attacken kommen heute von der AfD und der dramatisch gewachsenen Neonazi-(un-)Kultur, werden aber jetzt von der CDU/CSU schrittweise umgesetzt. Dass am 8. Mai 2025 die Grenzen in Deutschland schärfer kontrolliert werden, um damit angeblich Flüchtlinge abzuschrecken, aber der Idee der Europäischen Union und des Schengen-Raums eine Abkehr zuteil wird, ist ein ideologischer Kotau der bürgerlichen Mitte vor den Thesen der rechtsextremen AfD. Sie hat bereits die Nachbarn Polen und Belgien erheblich verärgert.

AfD nicht nachgeben, sondern Absurde Forderungen widerlegen

Übernahme der AfD-Migrationspolitik schwächt diese Partei und ihre Wählerschaft nicht. Schon 1994 hat sich gezeigt, dass das Nachgeben gegenüber ihren Forderungen die Rechten stärkt. Der 8. Mai muss deshalb auch der Wahrung der europäischen Errungenschaften und der Bekämpfung rechter und rechtsextremistischer Parolen und Fake News dienen.  Das ist um so wichtiger, als mit dem Regime des US-Präsidenten Trump und seiner Helfershelfer Elon Musk und J.D. Vance der wichtigste Partner bei der nachhaltigen Befreiung vom Nationalsozialismus politisch ins Lager der demokratiefeindlichen Oligarchen und Anhänger des rechtsextremen Populismus abgerutscht ist.

Rolle des Verfassungschutzes

Die Bekämpfung des Rechtsextremismus gehört in der Prioritätenliste der Demokratie ganz nach oben. Das machen die anhaltenden Demonstrationen der verschiedenen Initiativen gegen Rechts immer wieder deutlich. Dazu gehört vor allem eine argumentative und überzeugende Auseinandersetzung mit kruden populistischen Thesen, aber auch eine Regulierung der (a)sozialen Medien. Ob die heute verkündete “Aussetzung” des Gutachtens des Bundesamtes über die rechtsextremistische Einordnung der AfD dabei hilfreich ist, muss bezweifelt werden. Denn die Verfassungsfeindlichkeit einer Partei muss nach den Handlungen, Reden und Bündnissen dieser Organisation und ihrer Mitglieder und Funktionäre beurteilt werden und nicht nch ihren Wahlergebnissen. Diese Erwägung darf auch bei der Frage eines Verbotsantrages keine Rolle spielen.

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net

Ein Kommentar

  1. Martin Böttger

    Was der Inlandsgeheimdienst inhaltlich tut, ist egal. Er setzt die AfD als Thema und leistet Beihilfe, sie in den Schlagzeilen zu halten. Ob Gut oder Böse ist völlig egal. Mehr braucht die nicht. Sie braucht selbst gar nichts mehr machen – ausser die fabelhafte Sache am Laufen/Köcheln zu halten …

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