Manchmal freue ich mich, wie gut alles funktioniert: Ich stehe an der Haltestelle, der Bus kommt, und zwar pünktlich! Ich freue mich, dass es immer noch Umkleidekabinen in Warenhäusern ohne Überwachungskameras gibt. Dann gehe ich in den Supermarkt, und Nackenkarbonade kostet genauso wenig wie gestern. Auf dem Heimweg rammt mir niemand ein Messer zwischen die Rippen. Es klingelt, und es ist nicht ein Gerichtsvollzieher, sondern der gut gelaunte griechische Postbote. Wir leben in geordneten und sicheren Verhältnissen.

Trotzdem: Überall meckernde Sturköppe, unzufriedene Klatschbasen und psychopathische Querulanten, die alles besser wissen und unentwegt nur auf „die da oben“ schimpfen. Außerdem Falschparker, rasende Fahrradkuriere, randalierende Jugendliche, arbeitslose Buchhalter, Alkoholiker, jede Menge dunkelhaarige Roller-Rabauken, dann unzählige haltungslose Wichtigtuer mit mühsam vorgeführter Business-Flexibilität im Kreuz, überflüssige Medien- und Werbekreativkräfte, juvenile Termin-Junkies mit drei Handys, die ihnen die Taschen ihrer gefakten Ermenegildo Zegna-Anzüge ausbeulen, und noch mehr Rentnerinnen und Rentner, die wir alle durchfüttern müssen …. Diese Leute glauben, sie könnten sich alles erlauben… Und sie nörgeln und nörgeln… Aber seien wir doch mal ehrlich: Wer zieht sich denn vorm Fernseher massenhaft Kotz- und Ekelshows rein? Wer kauft denn die Yellow Press und genießt die Bettgeschichten halbseidener Promis? Wer fährt grundsätzlich links, bescheißt seine Hausratsversicherung, erzählt sexistische Witze, mobbt Kolleginnen und geiert aufs Erbe? Wer lässt Handwerker monatelang auf ihren Rechnungen sitzen und beklagt den Niedergang des Mittelstands? Wer stürzt sich gierig auf unseriöse Hightech-Aktien und macht dann die Regierung für Vermögensverluste verantwortlich? Wer nennt Politiker ahnungslose Arschlöcher und kann sich selbst nicht mal den Unterschied zwischen Bundestag und Bundesrat merken? Wer stopft sich denn den Kopf mit TikTok voll, betrachtet Instagram als Evangelium, die Bildzeitung als Lebenshilfe und hat trotzdem das Wahlrecht?

Entschuldigung, ich wollte niemandem zu nahe treten. Wir befinden uns ja alle irgendwie in einer Notwehrsituation. Also vergessen Sie’s. Die Politik sollte einfach nicht zwischen uns stehen…
Was ich sagen will, ist: Man sollte nicht immer alles schlechtreden…

Nehmen wir nur mal die deutsche Wirtschaft – mit der geht’s echt aufwärts – seit Antritt der neuen Regierung wird energisch auf Leistungskontrolle und damit auf Effizienzsteigerung gesetzt. Das Kapital, also Kanzler Merz und die Unternehmer, wollen mehr Wachstum, das ist in Ordnung, aber das gibt’s nur mit längeren Arbeitszeiten. Es wird wohl darauf hinauslaufen, dass wir schon bald auch am Pfingst-, Oster- und Weihnachtsmontag malochen. Das hilft gegen die Langeweile an diesen Tagen, und der Feiertagszuschlag ist ein Bonus für alle. Zusätzlich weiten die Betriebe die unbezahlten Überstunden aus, indem sie an den Patriotismus der Belegschaften appellieren. In Rüstungsbetrieben funktioniert das schon ganz gut. Und Klarheit herrscht endlich auch in der Frage, wer in der Bundesrepublik eigentlich zu wenig arbeitet: Der CDU-Generalsekretär, ein ausgewiesener Leistungsträger, erklärte sehr richtig „zum Beispiel – ja, machen wir es konkret – Rentner in Deutschland.” Stimmt. Die haben nur eine Life-Life-Balance, und Work ist für die ein Fremdwort. Zum Glück arbeitet das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bereits beharrlich daran, Rentnerinnen und Rentner als irrelevante Evolutionsbremsen aus der Nahrungsmittelkette zu entfernen. Aus dem Wirtschaftsministerium erreicht uns dazu die Kunde, dass demnächst in Altenheimen genmanipulierte Türstopper als Dinkelfrikadellen verfüttert werden müssen.

Und was hört man aus den anderen Ministerien? Im Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung ist die Herstellung von Intelligenz-Attrappen gelungen, die durch schlichtes Sich-Aufplustern so viel digitalen Wind erzeugen, dass damit der Strombedarf aller Grünen-Wähler gedeckt werden kann. – Unser Vizekanzler, der gleichzeitig ein herausragender Finanzminister und außergewöhnlicher Schwarzkünstler und Eskamotier ist, wird auch dem letzten Vollpfosten im Land klarmachen, wie man sich mit Unwahrscheinlichkeitsberechnungen und Nullsummenakkumulation soliden Wohlstand und eine sichere Zukunft verschafft.

Ein besonders stabiler Eckpfeiler des Aufschwungs ist der deutsche Innenminister. Zwar hält man ihn auf den ersten Blick nur für ein aufdringliches Brillengestell, er ist aber durchaus mehr als ein Hanswurst: Er ist ein reinrassiger Söderpimpf. Wer in Deutschland Bundesinnenminister werden will, muss bekanntlich eine amtlich beglaubigte Cerebralphimose nachweisen. Wer kann das schon? Dem studierten Diplom-Soziologen ist das als Jahrgangsbestem gelungen. Wo andere Menschen ein Gehirn haben, hat er eine ganz moderne Mini- Mörteltonne. Damit bringt er ganz nebenbei auch den öffentlichen Wohnungsbau in Schwung … Ich erinnere nur daran, wie dieser Innenminister schon damals als verwegener Verkehrsminister seine persönlichen Abgaswerte für eine Klimaverbesserung in bayerischen Kitas gespendet hat …!

Niemand weiß besser als der Innenminister, dass nicht nur in Harvard, sondern auch in Deutschland ausländische Schmarotzer der einheimischen Jugend die Studienplätze wegnehmen. Also wird er die Bildungsbremse lockern und all jenen, die keine deutsche Staatsbürgerschaft haben, aus historischer Verantwortung die Luft abdrehen. Er nimmt es pro Monat ganz allein mit 1.000 „illegalen Migranten“ auf, er ist der einzige deutsche Politiker, der erklären kann, wie sicher Deutschland sein wird, wenn man den Familiennachzug von subsidiär Schutzberechtigten erschwert und alleinreisenden jungen Männern den Kontakt zu ihren Familien verwehrt. Ihm sind seine Wahlversprechungen heilig. Und er weiß auch: Ein Tesla-Strommast in Grünheide ist für das Überleben der deutschen Nation sehr viel wichtiger als ein Flüchtlingsboot auf dem Mittelmeer. Bewundernswert, dass dieser Meister der Symbolpolitik auch noch die Zeit findet, sich jedes Wochenende in Peißenberg ehrenamtlich als Messgerät für absolute Nutzlosigkeit im politischen Hohlraum zur Verfügung zu stellen.

Für das Wohlbefinden aller Bürgerinnen und Bürger wird ohne Zweifel auch die Wiedereinführung der Wehrpflicht sorgen. Die brauchen wir, wenn deutsche Soldaten in allen Ländern, die eine Grenze mit Russland haben, Posten beziehen sollen. Der Anfang wurde jetzt in Litauen gemacht. „Der Schutz von Vilnius ist der Schutz von Berlin“, sagte der Kanzler aus dem Sauerland – das erinnert an jene glorreiche Zeit, als wir die Freiheit Deutschlands am Hindukusch verteidigt haben… Unser Außenminister aus Molfsee im Kreis Rendsburg/Eckernförde ist sich ja sicher, dass Russland „immer ein Feind“ sein werde. Deswegen ist es für unsere politisch Verantwortlichen auch ein prima Gefühl, wenn die Ukraine mit weitreichenden deutschen Waffen nach Russland hineinschießen kann. Dem tapferen Kanzler und seinem treuen Außenminister steht der todesmutige deutsche Kriegsminister aus Osnabrück zur Seite. Von ihm können ausgeschlafene Rekruten lernen, dass die Ostfront endlich wieder ein beliebtes deutsches Ausflugsziel ist, dass Verteidigungspolitik ein Codewort ist für ganz normale Menschenversuche, dass Kriegsbeschwörungen und Wehrertüchtigung notwendige Vorbereitung auf den Endsieg sind, dass es immer auf diplomatische Inkompetenz und einen Mangel an Vorstellungskraft zurückzuführen ist, wenn tatsächlich ein Krieg ausbricht, und dass die Idee von der Unsterblichkeit der Seele und der Auferstehung des Fleisches angesichts regierender Feldherren zwar etwas Erschreckendes hat, andererseits aber auch reine Gewöhnungssache ist.

Von herausragender Bedeutung für die Gestaltung unserer Zukunft ist auch: Weil sich die SPD keine weiteren misslungenen humangenetischen Experimente leisten kann, werden am Institute for funny Experiences, also in der Parteizentrale in Bonn (der ehemaligen Baracke), Sozialdemokraten aus der Retorte entwickelt, weil auf natürlichem Wege keine mehr zu gewinnen sind. Das macht Hoffnung!

Angesichts der grandiosen Entwicklung in unserem Land ist es wichtig, dass die Medien die Politik positiv begleiten. Deswegen benutzen die Moderatorinnen und Moderatoren deutscher Talkshows in Zukunft nicht nur Stussfilter, um desaströse rhetorische Abstürze zu vermeiden, sondern üben auch regelmäßig, hinkende Vergleiche sowie infantile Metaphern rechtzeitig zu erkennen und einfach runterzuschlucken. Begleitend dazu veranstaltet unser Kulturstaatsminister am Cicero-Kolleg für intellektuelle Entgleisungen praxisorientierte Seminare, in denen junge Springer-Journalisten studieren können, wie man erhebliche Mängel an Intelligenz, Geschmack und sozialer Kompetenz ganz locker durch Überheblichkeit ausgleicht.

Um dieses alles in allem recht erfreuliche Paket abzurunden, bietet die Christian-Lindner-Highschool for unbelievable Disasters and unfortunate Debakels allen politisch interessierten jungen Menschen realistische Kurse für die Herstellung unvergesslicher Wahlschlappen an.

Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus dem Blog des Autors, mit seiner freundlichen Genehmigung.

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